Das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“ ist Geschichte. Die Regierungen Polens unternahmen nichts, um über ihre Einflussmöglichkeiten auf die Medien den Gedanken dieses Jahres und die damit verbundenen unschätzbaren Werte in der Gesellschaft zu verbreiten. Um gewünschte Lösungsmöglichkeiten in einer Gesellschaft tatsächlich möglich zu machen, ist zuvor ein breiterer öffentlicher Diskurs vonnöten, beispielsweise um Auffassungsweisen zu ändern, die keine Alternative zum Prozess der bloßen materiellen Bereicherung kennen.
Globalisierung im tiefen Wortsinne und wirkliche Demokratie bedürfen der Chancengleichheit für alle. Im umgekehrten Falle reduziert sich Demokratie auf die alleinige Funktionsweise von Institutionen, Globalisierung aber nimmt die Gestalt jenes Zerrbildes an, welches wir aus Erfahrung zur Genüge kennen. Die Idee der Globalisierung sollte uns – die Menschheit - verbinden, sollte Kriege verhindern, sollte helfen, die auf dem Wege der Traditionen entstandenen gegenseitigen Abneigungen abzubauen. Gegenwärtig erfüllt die Globalisierung die Erwartungen der großen Konzerne und eint die Welt auf der Ebene des allgemeinen Zugangs zu Coca Cola, zu Mac Donald und zu den Massenprodukten der US-amerikanischen Fernsehkultur.
Das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“ wurde in Polen vor allem durch die Initiativen der Demokratischen Frauenunion (DUK) bekannter gemacht. Ohne selbst ausreichende finanzielle Mittel zu besitzen und ohne nennenswerten Zugang zu den Medien fanden diese Bemühungen allerdings nicht den verdienten öffentlichen Widerhall. Wichtig aber ist, dass dieses abgelaufene „Europäische Jahr“ zu einer Richtschnur für die Aktivitäten vieler Organisationen und Zusammenhänge auch im neuen Jahr wird. Diesem Ziel stellten sich die Organisatoren der Abschlussveranstaltung des „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für alle“ in Polen, die im Gebäude des polnischen Parlaments Mitte Dezember 2007 stattfand und gemeinsam durch DUK und die Rosa Luxemburg Stiftung vorbereitet wurde.
Die Rechtsvorschriften in Polen garantieren Gleichheit nur unzureichend. Gesetzesänderungen sind also angebracht, etwa das Recht auf Sexualerziehung oder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch betreffend. Einzufordern ist auch die Sicherstellung außerrechtlicher Mittel, ohne die bezügliche Rechtsvorschriften alleine gut gemeinten Forderungen glichen.
Eine andere Form von Garantie wäre das so dringend benötigte Bewusstsein bei den Frauen selbst, die allzu häufig resignieren und sich selbst beschränken. Chancengleichheit bedarf für ihre Ausnutzung sehr viel Mut, um sich gegen den Druck der Stereotype und der Sitten wehren zu können, die ihre Stärke aus der Tradition ziehen. Die Aufopferung der Frauen für die Familie und die Weitergabe der eigenen Selbstbegrenzung an die Kinder, die eigene Passivität müssen in verschiedenen Bildungsformen ein Gegengewicht finden. Die Änderung des Bewusstseins ist unerlässlich, um die Voreingenommenheit zu durchbrechen – die Zurückweisung all jener, die anders denken als die Mehrheit und die den eigenen Überzeugungen nach zu leben versuchen.
Eine neue Bildung für Kinder und Erwachsene – dieser grundlegenden Aufgabe sollten sich auch Nichtregierungsorganisationen stellen. Ganzheit der Gesellschaft und zugleich Respektierung ihrer Mannigfaltigkeit – dahin sollten wir streben. Das Gefühl zu erfahren, dass ein jeder von uns Teil der Menschheit und des Universums ist, würde uns ermöglichen, nach dauerhaftem Frieden zu streben. Ich füge hinzu, dass in kriegerischen Gesellschaften – wie sie auf allen Kontinenten anzutreffen sind – Frauen in eine Randlage gedrängt, bewaffnete und Polizeikräfte dagegen privilegiert werden. Lasst uns im neuen Jahr fordern, das Recht auf Frieden als ein Menschenrecht anzuerkennen!
(aus der Tageszeitung „Trybuna“, 29.12.2007 – 1.1.2008, unwesentlich gekürzt)
Maria Szyszkowska ist Professorin für Rechtsphilosophie und lehrt an der Warschauer Universität. Von 2001 bis 2005 war sie Senatorin, also Mitglied im Oberhaus des polnischen Parlaments. Seit 2007 ist sie Vorsitzende der Partei „Racja“, die sich als eine linksgerichtete politische Kraft versteht und insbesondere für die verfassungsmäßig gebotene Trennung von Staat und Kirche streitet. 2005 wurde Maria Szyszkowska zusammen mit Izabela Jaruga-Nowacka im Rahmen der Initiative „1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005“ von polnischer Seite nominiert. Im November 2007 war Maria Szyszkowska Gast auf dem II. Kongress der Europäischen Linkspartei in Prag. Maria Szyszkowska ist Verfasserin und Herausgeberin zahlreicher Bücher, u. a. „Linkssein im 21. Jahrhundert“ (2004), „Die Philosophie von Kant im 21. Jahrhundert“ (2005), „Zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ (2006), „Auf der Suche nach dem eigenen Weg“ (2007).
Mit der Demokratischen Frauenunion (DUK) arbeitet die Rosa Luxemburg Stiftung seit 2004 zusammen. Sitz der von Renata Berent-Mieszczanowicz geleiteten Organisation ist Wrocław. DUK ist die größte sich politisch verstehende Frauenorganisation Polens. Im Jahre 2007 arbeiteten DUK und die Rosa Luxemburg Stiftung in Polen im Rahmen des „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für alle“ zusammen. Auf über 16 Veranstaltungen in ganz Polen konnten über 1000 Teilnehmerinnen zur aktiven Zusammenarbeit herangezogen werden. Auf der Abschlussveranstaltung, die Mitte Dezember 2007 im Gebäude des polnischen Parlaments durchgeführt wurde, traten u. a. mehrere Parlamentarierinnen aus Polen (darunter die ehemalige Ministerin für Familien in der PiS-Regierung), führende Vertreterinnen der Europäischen Frauenlobby und Gabi Zimmer (GUE/NGL) als Vertreterin des Europäischen Parlaments auf. Der Einladung war auch Helmuth Markov (MdE, GUE/NGL) gefolgt. Schirmherrin der Veranstaltung war die Sejm-Abgeordnete Izabela Jaruga-Nowacka (LiD), die als wichtigen Punkt auf der Agenda der Gleichberechtigung vor allem die Forderung nach Einrichtung einer Regierungsbeauftragten für Gleichstellungsfragen bezeichnete. Ein solches Amt bestand in Polen von 2001 bis 2005, danach wurde es dem Ministerium für Familie geopfert.