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Ein Nachruf zum Tode des Historikers und Publizisten Peter Bender. Von Dr. Detlef Nakath, RLS Brandenburg

Noch vor wenigen Wochen, Anfang September, trafen wir uns in seinem Haus in Berlin-Wilmersdorf, um über die Vorbereitung des von ihm inhaltlich mit geprägten Potsdamer Kolloquiums zur Außen- und Deutschlandpolitik zu reden. Diese Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg findet im November 2008 zum zwölften Male statt. Peter Bender hat an fast allen Veranstaltungen teilgenommen, als Referent oder Gesprächspartner an den Podiumsdiskussionen. Als ich mich von ihm verabschiedete, ahnte ich nicht, dass das unser letztes Gespräch sein sollte. Peter Bender ist am 11. Oktober 2008 im Alter von 85 Jahren in Berlin verstorben.

Als Historiker, Journalist und Publizist hat er seit Mitte der sechziger Jahre die Diskussion um die Ost- und Deutschlandpolitik der BRD wie kaum ein anderer beeinflusst.

Peter Bender wurde am 16. Juni 1923 in Berlin geboren. Hier besuchte er die Schule und legte Anfang 1941 am Gymnasium im gutbürgerlichen Berlin-Friedenau das Abitur ab. Das Ende des zweiten Weltkrieges erlebte er verwundet als Soldat in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, aus der er im Herbst 1945 entlassen wurde.

Ab 1946 studierte Bender an der Universität Hamburg Geschichte und Klassische Philologie. Er promovierte als Alt-Historiker 1954 mit einer Dissertation zur Vorgeschichte des zweiten Punischen Krieges.

Einer seiner ältesten Freunde und Weggefährten war Egon Bahr. Bahr schrieb in seinem 1996 erschienenen Memoirenband „Zu meiner Zeit“ über den damaligen Schulfreund und späteren publizistischen Mitstreiter: „Peter und ich hatten dieselbe Schulbank im Friedenauer Gymnasium gedrückt und gemeinsam unsere Nietzsche-Faszination durchkostet. Jenseits von Gut und Böse entsprach dem Zeitgefühl, Fröhliche Wissenschaft den eigenen Planungen, und Zarathustra wurde Begleiter in der Soldatenzeit. [...] Weil der abgeklärte Blick des Historikers der Tagespolitik nicht schaden könne, empfahl ich ihn dem SFB in Bonn, zumal etwas Besseres nicht in Sicht war. Weil er dabei blieb, gewann die deutsche Publizistik eine Feder, die Präzision unserer Sprache pflegt, und ich einen Freund, bewährt über bald sechs Jahrzehnte, wertvoll auch, weil er nicht nur scharf beobachtet, sondern ebenso denkt. Wenn die Logik seiner Überlegungen weiter reichte, als die niedere politische Wirklichkeit gestattete, so habe ich doch immer bei allem, was insbesondere Ostpolitik ausmachte, dankbar die Parallelität des Denkens und die unabhängige Verbundenheit im Geben und Nehmen empfunden.“

Egon Bahr hat jedoch nicht nur durch seine Empfehlung an den SFB, den damals 31-jährigen Alt-Historiker als politischen Redakteur einzustellen, Benders journalistischen und publizistischen Weg beeinflußt. Insbesondere das Konzept vom „Wandel durch Annäherung“ und die Ost- und Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalitionen von Willy Brandt und Helmut Schmidt hat er engagiert publizistisch begleitet und dessen Chancen in mehreren Büchern analytisch hinterfragt.

„Offensive Entspannung“ lautete der Titel seines 1964 – ein Jahr nach Bahrs Tutzinger Wandel-durch-Annäherung-Rede – erschienenen Bandes, in dem er die DDR nicht mehr in Anführungszeichen setzte und die Frage aufwarf, ob es „zur Deutschlandpolitik der Bundesregierung eine Alternative gibt“. Bender war davon überzeugt, daß in dieser Phase eine neue Deutschlandpolitik nicht nur möglich, sondern zutiefst notwendig sei. Diese Politik mußte jedoch den gesamten Ostblock einschließen und durfte die DDR nicht isolieren. Vier Jahre später fügte er seine „Zehn Gründe für die Anerkennung der DDR“ hinzu, die vor allem in konservativen Kreisen der Bundesrepublik einen Sturm der Entrüstung auslösten.

Bender war zu dieser Zeit bereits Mitglied der Politischen Redaktion des WDR in Köln, zu dem er Anfang 1961 nach sieben Jahren Arbeit für den SFB gewechselt war. Dort sollte er – von einigen Unterbrechungen abgesehen – bis zur Pensionierung 1988 tätig bleiben.

Zwischenzeitlich hatte er 1968/69 für ein Jahr am „Internationalen Institut für strategische Studien“ in London gearbeitet und veröffentlichte 1970 in dessen Auftrag das Buch „6 x Sicherheit. Befürchtungen in Osteuropa“.

Wenige Monate nach dem Amtsantritt Willy Brandts als Bundeskanzler ging Bender 1970 als Korrespondent des WDR nach Berlin und arbeitete 1973 bis 1975 als Hörfunk-Korrespondent der ARD in Warschau. Seinen „polnischen Jahren“ – so sah es Bender in unseren zahlreichen Gesprächen selbst – verdankte er viele neue politische und persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse aber auch neue Bekanntschaften mit Personen des dortigen öffentlichen Lebens, der Publizistik aber auch der katholischen Kirche und oppositioneller Gruppen.

Seit den siebziger Jahren hatte sich Bender immer wieder – journalistisch wie publizistisch – zu Themen der Ost- und Deutschlandpolitik sowie zu Problemen des deutschen Vereinigungsprozesses geäußert. Dazu zählen seine Bücher „Die Ostpolitik Willy Brandts“ (1972), „Das Ende des ideologischen Zeitalters“ (1981), „Wenn es West-Berlin nicht gäbe“ (1987), „Deutsche Parallelen“ (1989), „Unsere Erbschaft. Was war die DDR – was bleibt von ihr?“ (1992), „Die ‚Neue Ostpolitik’ und ihre Folgen“ (1986 und, neu bearbeitet, 1995) und „Episode oder Epoche“ (1996). 2001 erschien unter dem Titel „Fall und Aufstieg“ eine Sammlung seiner Aufsätzen und Artikeln, die zwischen 1991 und 2001 publiziert worden sind.

Mit seinem 2003 erschienenen viel diskutierten Band „Weltmacht Amerika. Das neue Rom“ gelang dem gelernten Althistoriker ein brillanter Vergleich antiker und moderner Großreiche und deren Untergangsszenarien.

In seinem letzten 2007 erschienenen Buch hat er sich noch einmal mit seinem Lebensthema, der Geschichte der deutschen Zweistaatlichkeit, beschäftigt. In „Deutschlands Wiederkehr. Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte  1945-1990“ kam Bender zu dem Schluss, dass es unerlässlich sei, „der Geschichte beider deutscher Staaten gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, denn nur so lässt sie sich zu ‚einer’ Geschichte Deutschlands zusammen denken“. Zum gleichen Thema hatte er auf dem 11. Potsdamer Kolloquium zur Außen-  und Deutschlandpolitik der Rosa-Luxemburg Stiftung Brandenburg im Oktober 2007 referiert. Der Tagungsband mit seinem dort gehaltenen Vortrag ist soeben erschienen. Peter Bender konnte ihn nicht mehr lesen.

Mit dem Tode Peter Benders verliert die zeitgeschichtliche Publizistik in Deutschland einen großen kritischen Denker, der sich mit brillanter Feder tiefgründig in die politische Debatte einbrachte. Seine zahlreichen Gedanken und Anregungen zur Geschichte der deutschen Zweistaatlichkeit und seine kritische Sicht auf den vollzogenen Weg in die deutsche Einheit waren und sind auch für die linke Debatte in Deutschland von großem Wert.