News | Geschichte - Deutsche / Europäische Geschichte - GK Geschichte Der Architekt Otto Bartning als Exponent einer sozialen Moderne

Ausstellung in Darmstadt ist noch bis 18. März 2018 zu sehen

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Bernd Hüttner,

Haupthalle des von Bartning geplanten Musikheims Frankfurt (Oder), 1929 © Otto-Bartning-Archiv der TU Darmstadt, Fotograf unbekannt

In den 1950er Jahren ist der 1883 geborene Otto Bartning als Präsident des Bundes Deutscher Architekten und zweiter Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes eine der Schlüsselfiguren des Wiederaufbaus der jungen Bundesrepublik. Schon in der Aufbruchszeit um 1918 entwarf er als engagiertes Mitglied des Arbeitsrats für Kunst Konzepte einer radikalen Studienreform von Architekten und Künstlern, auf die sich Walter Gropius später bei der Gründung des Bauhauses in Weimar stützen konnte. Bartning ist von 1926-1930 Leiter der Bauhochschule in Weimar, die in den Räumen wirkt, in denen vorher, ab 1919, das Bauhaus bis zu seiner Schließung tätig gewesen war.

Die aktuelle Sonderausstellung im derzeit von Sanierungsmaßnahmen belasteten Museum Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt widmet sich dem Leben und Werk von Bartning. Sie ist chronologisch aufgebaut, sehr umfangreich und veranschaulicht anhand von Modellen, originalen Zeichnungen und Fotografien detailliert, wie der Architekt sich seit 1918 dem noch gängigen Historismus entsagt. Er wendet sich einer innovativen, expressionistischen Architektur zu und schafft auch viele Sozial- und Siedlungsbauten. Bei ihnen stehen für Bartning stets die Funktionalität der Gebäude und eine menschenfreundliche Gestaltung im Sinne einer sozialen Moderne im Fokus. In der Weimarer Republik widmete er sich als Mitbegründer der Architektenvereinigung „Der Ring“ mit Hans Scharoun, Walter Gropius und Bruno Taut der Entwicklung von neuen Bautechniken und Grundrissen auch im Siedlungsbau. Nach 1945 trat Bartning für einen einfachen und am menschlichen Maß orientierten, nicht zuletzt demütigen Wiederaufbau in Deutschland ein.

Ein weiterer und ebenfalls interessanter Fokus der mehr als sehenswerten Ausstellung liegt auf dem von Otto Bartning entwickelten Notkirchenprogramm für das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen. Er entwirft vier Typen von Montagebauten aus seriell herstellbaren Holzkonstruktionen, mit denen die Gemeinden das überall verfügbare Trümmermaterial verbauen können. So entstehen bis 1950 über 40 Kirchen.

Auf Einladung der Stadt Darmstadt organisiert der Architekt 1951 dann das zweite Darmstädter Gespräch, auf dem interdisziplinär über das Thema „Mensch und Raum“ diskutiert wird. Das Symposium gilt bis heute als erste gemeinsame Selbstverständigung von Architekten über die Zukunft ihres Metiers in der Nachkriegszeit. Bartning wohnt für einige Jahre, bis zu seinem Tod 1959, in den Räumen auf der Mathildenhöhe, in denen heute diese Ausstellung zu sehen ist – und in denen ab 1961 dann das bauhaus-Archiv seine ersten Räume inne hatte.

Die Ausstellung resultiert aus einem mehrjährigen DFG-Projekt, in dessen Rahmen unter der Leitung von Sandra Wagner-Conzelmann und unter Mitarbeit vieler Studierender der private Nachlass Bartnings im Otto Bartning Archiv der TU Darmstadt aufgearbeitet und teilweise digitalisiert wurde. Frau Wagner-Conzelmann ist auch die Kuratorin dieser höchst interessanten Ausstellung, für deren Besuch zwei, wenn nicht drei Stunden einzuplanen sind. Sie ist noch bis 18. März im Westflügel sowie in den (ehemaligen) Bildhauerateliers des Museums Künstlerkolonie zu sehen. Das Haupthaus ist derzeit geschlossen.

Museum Künstlerkolonie Darmstadt, Olbrichweg 13A, 64287 Darmstadt

[Katalog] Akademie der Künste, Wüstenrot Stiftung (Hrsg): Otto Bartning – Architekt einer sozialen Moderne, Darmstadt 2017, ISBN 978-3-87390-393-7, 128 S., 19,90 EUR

[Literaturtipp] Bauhaus-Archiv / Dörte Nicolaisen (Hrsg.): Das andere Bauhaus : Otto Bartning und die Staatliche Bauhochschule Weimar 1926 - 1930; (Bauhaus-Archiv Berlin 4. Dezember 1996 - 23. Februar 1997 ; Kunstsammlungen zu Weimar 9. März - 19. Mai 1997), Berlin 1996