News | GK Geschichte Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettet

Reise in die Vergangenheit (Rezension]

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Anne Allex,

 Der in Berlin lebende israelische Journalist und Nahostexperte Igal Avidan sah 2013 in einer israelischen Zeitung eine Meldung, die ihn nicht mehr los ließ: Ein Araber wurde von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als «Gerechter unter den Völkern» geehrt. Avidan schreibt, «ein Ägypter wie Mod Helmy könnte eine neue Identifikationsfigur für Araber werden und zur jüdisch-arabischen Annäherung beitragen» (S. 14). Avidan beschreibt in seinem Buch eine von mehreren selbstlosen Taten von Dr. Helmy während des deutschen Faschismus.

Der gebürtige Ägypter Helmy war von November 1934 bis Oktober 1935 Oberarzt an der Medizinischen Universitätsklinik am Krankenhaus Moabit. Er wird 1937 aus rassistischen Gründen entlassen, aber im selben Jahr noch promoviert. Dann beginnt seine Odyssee als «nicht-arischer Ausländer». Er wird nicht zur mündlichen Abschlussprüfung seiner Habilitation zugelassen. Als Hochschuldozent darf er folglich nicht arbeiten. Also eröffnet er eine Praxis in seiner eigenen Wohnung in der Krefelder Str. 7. Eine Patientin ist die jüdische Unternehmerin Cecilie Rudnik.

Helmy wird im Herbst 1939 verhaftet, und erkrankt in der Haft schwer. Zwar wird seine Freilassung und die anderer Araber erreicht, doch nur für 30 Tage. Dann droht die Internierung auf der bayrischen Festung Wülsburg. Der kranke Arzt wird Spielball im Kampf der Großmächte um Inhaftierte beider Seiten. Die Gestapo holt ihn am 5. Januar 1940 auf der Trage mit dem Krankentransport ab, denn Helmy ist immer noch schwer krank. Er wird vier Monate in Gefangenschaft gehalten. Anschließend verlobt er sich mit seiner langjährigen Freundin Emmy.

Die jüdische Familie Rudnik kam aus Rumänien nach Berlin. Cecilie Rudnik, die Großmutter von Anna Boros baute die Obstgroßhandlung M. Rudnik GmbH auf, doch ab 1933 verschlechtern sich die Umstände rapide. Osteuropäische Juden werden durch Ausbürgerung aus Deutschland formell staatenlos, so auch Cecilie Rudnik und ihr Sohn Martin Rudnik. Rudniks Tochter Julie Boros heiratet den Deutschen Georg Wehr, aber das schützt sie ab 1943 nicht vor Zwangsarbeit. Ihr Mann wird zur Organisation Todt eingezogen. Für die 16-jährige Anna Boros wird es mit dem Beitritt Rumäniens zum Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Japan und Italien gefährlich. Als sie den Stern tragen soll, taucht sie bei ihrem Arzt Dr. Helmy unter. Der lässt sie zum Islam konvertieren und arrangiert eine Zweckheirat zur Ausreise nach Ägypten. Erfolglos! Helmy, selbst unter der Aufsicht der Gestapo stehend, gibt Anna als Sprechstundenhilfe aus. Nach dem Bombenangriff am 22.11.1943 ist die Moabiter Wohnung beschädigt: Es wird für Helmy, seine Verlobte Emmy und Anna Boros zu gefährlich. Mod Helmy tut eine unbeheizte Laube in Berlin-Buch auf; Anna schläft im Betonbunker. Helmy hilft vor allem Annas Familie. Frieda Szturmann in Staaken und Helmys Verlobte Emmy unterstützen ihn mit neuen Quartieren und Essenmarken. Die Zustände der Befreiung, die Nachkriegszeit und Helmys Kampf um Würdigung als Retter von Annas Familie werden im Buch erörtert.

Das Buch ist dicht geschrieben, sehr gut historisch recherchiert, die Ereignisse sind ausgezeichnet begründet. Der Autor ergeht sich selten in Vermutungen, sondern wirft vor allem Fragen nach möglichen Ursachen des spezifischen Handelns von Mod Helmy auf. Das Buch ist ausgesprochen empfehlenswert, es liest sich wie ein sozialhistorischer Krimi.

Anne Allex

Igal Avidan mit Helmut Kuhn: Mod Helmy. Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettete, dtv Verlag, München, 2017, 241 Seiten, 20 EUR  

Einträge zu Helmy bei Wikipedia und bei der Gedenkstätte Yad Vashem