News | Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen - Westeuropa Politisches Labor Italien

Am 4.März 2018 wurde in Italien gewählt. Hinzugewonnen haben vor allem rechte Parteien.

Information

Author

Paola Giaculli,

Dunkle Wolken am Himmel über Italien. election days 1, CC BY-NC-ND 2.0, Valerio Spisani

Der Wahlausgang 2018 in Italien stellt erneut eine Zäsur in der politischen Landschaft dar, die sich radikal verändert hat. «Eine ganz andere Welt» − so das Forschungsinstitut Ipsos[1] − sei entstanden, ein neues «Zwei-Pole-System».

Wahlgewinner mit mehr als 10 Millionen Wählern wurde die «MoVimento 5 Stelle» M5S (5-Sterne-Bewegung) mit 32,7 Prozent (einem Plus von 7 Prozent, d.h. ca. 2 Mio. Stimmen mehr als 2013).

Die Partei «Lega» (Liga, früher Lega Nord) wurde mit 5,6 Millionen Wählern, d.h. 17,4 Prozent die drittstärkste Kraft und konnte damit ihr Ergebnis gegenüber 2013 mehr als vervierfachen.

Die «Partito Democratico» PD (Demokratische Partei) erreichte 6,1 Millionen Wähler und wurde mit 18,7 Prozent nur noch zweitstärkste Kraft. Sie verlor mehr als 2,5 Millionen ihrer Wähler von 2013, das entspricht 5,7 Prozent. Das so genannte Mitte-Links-Bündnis scheint damit endgültig, «weg vom Tisch» zu sein.

Auch die Bündnisse, die sich links oder als radikale Linke verstanden, sind krachend gescheitert. «Liberi e Uguali» (LeU, Frei und Gleich) erhielt lediglich 3,4 Prozent; «Potere al Popolo» (PaP, Macht für das Volk) nur 1,1 Prozent der Wählerstimmen. Wenigstens ist LeU mit 14 Abgeordneten im Parlament vertreten.

Die Wahlenthaltung lag mit 14 Millionen Nichtwählern bei 29 Prozent, über 30 Prozent im Süden des Landes. Bei Erstwählern lag dieser Wert sogar bei 35 Prozent. Die stärkste Wählerbindung hatte die M5S mit 76 Prozent und die Parteien des früheren Parteienbündnisses um Berlusconis mit knapp Prozent, wobei diese Wähler sich nun­mehr vor allem auf die drei Parteien der politischen Rechten verteilten: Forza Italia, Lega und Fratelli d’ Italia. Knapp 80 Prozent der Nichtwähler von 2013 blieben es auch 2018. Am ehesten konnten diese noch M5S motivieren, die immerhin 7 Prozent von ihnen erreichte.

Wählerwanderungen

Die 5-Sterne-Bewegung (M5S) bekam im Süden Italiens fast 50 Prozent und wurde aber auch im Norden mit ca. 20 Prozent zweitstärkste Kraft, auch wenn sie dort sechs Prozent an die Lega verlor[2]. Sie wurde neben den 76 Prozent Wählern von 2013 auch noch von 14 Prozent früherer PD-Wähler und von 8 Prozent aus dem Lager Berlusconis gewählt. 

Die Lega strich aus ihrem Logo «Nord» und positioniert sich nunmehr als «nationale» Kraft. Sie konnte mit ihrer Forderung «Italiener zuerst» die Forza Italia von Berlusconi aushöhlen, die gegenüber 2013 massive Verluste von über 40 Prozent ihrer Wähler hinnehmen musste. Damit dominiert die Lega den Norden, punktet aber auch im Süden, wo sie auch über eine Million Wähler an sich bindet. Mit diesem Ergebnis wird sie zum ersten Mal seit 1994 stärkste Kraft des Lagers um Forza Italia (14 Prozent; Brüder Italiens 4,5) und setzt sich so auch gegen Berlusconi durch.

Traditionell «rote» Flecken wie in Marche und Umbrien verschwinden weitgehend von der Landkarte. Diese Regionen färben sich nun gelb (M5S) und blau (Lega). Allein 14 Prozent der Wähler verliert die PD verliert an die M5S (14 Prozent). Nur noch in der Toskana und in Südtirol (Dank des Bündnisses mit der «Südtiroler Volkspartei», SVP) überleben PD-Hochburgen. Weniger als die Hälfte jener, die 2013 die PD gewählt hatten, wählt sie 2018 wieder, nur etwas mehr als die Hälfte wählt PD samt ihren Verbündeten. 22 Prozent der früheren PD-Wähler*innen haben sich enthalten.

Wer wählte wen?

Nach Zugehörigkeit zu Berufs-, Standes- oder Altersgruppe bzw. zu Geschlecht schneidet die M5S ziemlich gleichmäßig gut ab, nur bei den über 65-Jährigen erreichte sie mit 27 Prozent unterdurchschnittliche Werte. Sie konnte vor allem Wähler mit Abitur oder mittleren Bildungsabschlüssen binden; sie gewann ihre Wähler vor allem unter Angestellten, Arbeitern, Arbeitslosen und Hausfrauen (zwischen 36 − 37 Prozent). Beeindruckend ist das Ergebnis bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst: über 40 Prozent wählten M5S (41,6 Prozent und 34 Prozent bei Beschäftigten der Privatwirtschaft). Für 26 Prozent der Erstwähler*innen war die M5S Lieblingsoption (11 Prozent wählten PD, 10 Prozent Lega). Bei der Lega ist die Altersstruktur der Wähler weitgehend ausgeglichen, nur bei den über 65-Jährigen erreichte sie leicht unterdurchschnittliche Werte – diese blieben offenbar in der Forza Italia. Ihre Zustimmungswerte sind hoch bei (Solo)Selbstständigen und Kleinunternehmern (23,6 Prozent), bei Arbeitern (23,6 Prozent) und Hausfrauen (19,8 Prozent). Sie erreichte eher Wähler mit mittleren und formal niederen Bildungsabschlüssen. Die PD punktete mehr bei den oberen sozialen Schichten und bei den Rentner*innen und wurde gewählt einerseits von Wählern mit Hochschulabschluss und von Wählern mit formal niedrigen Abschlüssen. Das neue Parteienprojekt LeU erreichte offenbar eher junge Wähler mit Hochschulabschluss - vor allem Studenten. Die soziale Basis radikalen Linken wurde bei den jetzt vorliegenden Auswertungen aufgrund ihrer Schwäche statistisch unter «Sonstige» erfasst. Dort finden sich vor allem die mittleren Jahrgänge eher mit höheren Bildungsabschlüssen, eher Arbeitslose und Studenten.

Was ist passiert?

In Italien leiden die Menschen deutlich unter der EU-Austeritätspolitik und der Wirtschaftskrise der letzten zehn Jahre, die die bereits unerträgliche Situation weiter verschlechtert haben. Die Krise hat ihre Wurzeln vor allem auch in den Privatisierungsprozessen der 1980er Jahre[3] und der daraus resultierenden De-industrialisierung, die zuerst den Süden hart getroffen hatte und seit einigen Jahren auch den Norden trifft. Ganze Industriebranchen wurden zerlegt und zum Teil an ausländische Großkonzerne verkauft. Seit über 30 Jahren werden Betriebe ins Ausland verlagert. Egal welcher Couleur – die Regierungen haben entweder zugeschaut und/oder diesen Prozess intensiviert und zugleich die Sozialausgaben immer weiter gekürzt. Heutzutage lassen sich ca. 10 Mio. Menschen nicht mehr medizinisch behandeln, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Der Arbeitsmarkt wurde durch die erste Regierung Prodis (1996-98) flexibilisiert und infolge dessen der unbefristete Arbeitsvertrag zum Auslaufmodell. Durch den Jobs Act von Renzi wurde er de facto abgeschafft. Die Infrastrukturen marodieren vor allem in den erdbebengefährdeten Regionen des Landes. Die vom Erdbeben betroffenen Menschen müssen noch Jahre nach den Beben in Containern leben, weil ihre Häuser bis heute nicht wiederaufgebaut wurden. Schienenverkehrsnetze werden abgebaut, bei Kultur und Bildung wurde ständig gekürzt. Den unsäglichen «Reformen» der Regierung Monti von 2011 – 2013 folgten jene von Renzi (2014-2016) und versetzten der öffentlichen Daseinsvorsorge nahezu den Todesstoß.

Europäische bzw. internationale Vergleiche helfen bei der Wahlanalyse kaum weiter. Wenn man von außen den Wahlausgang an der Oberfläche beobachtet, stimmt es zwar, dass die Menschen «populistisch» gegen das «Establishment» gewählt haben. Aber im italienischen Kontext machen diese beiden Begriffe kaum noch Sinn. Denn etwas Neues ist entstanden, was sich mit den Kategorien des 20. Jahrhunderts schwer zu begreifen lässt. Das traditionelle parteipolitische System ist Anfang der 90er Jahre zerfallen. «Links» hat sich in Italien selbst erledigt: Die KPI löste sich 1991 auf. Die DC (Christdemokraten) und PSI (Sozialisten) brachen unter einer Schmiergeldaffäre (Tangentopoli) 1992 zusammen. Der Populismus prägt seit dieser Zeit parteiübergreifend die italienische Politik. Die Lega Nord mit ihrer Forderung: «Ausländer raus» und ihren Vorbehalten wie: «Süditaliener sind faul» entstand 1989. Berlusconi gründete 1994 seine Unternehmer-Partei Forza Italia und kam an die Macht mit dem Versprechen, die Italiener vor dem Kommunismus zu retten («Ich will die Italiener vor dem Kommunismus retten!») und um das Land wie sein Unternehmen zu regieren.

Beppo Grillo, der Gründer der 5-Sterne-Bewegung gründete seine Vereine 2005 und trat 2007 und 2008 erstmalig bei den Kommunalwahlen mit seinen Bürgerlisten an.  Diese standen für Commons und Umwelt, gegen die Finanzmacht und die «Kaste» der Politiker («Verpisst Euch Alle!»). Spätestens seit dieser Zeit scheint die traditionelle politische Zuordnung (Linkslager vs. Rechtslager bzw. Progressiv vs. Konservativ) für Italien überholt zu sein. Zumal die «radikale Linke» seit 2008 parteipolitisch kaum noch wirksam ist. Als gesellschaftlich wirksame Kraft gibt es sie seit zehn Jahren nicht mehr.

Die «Sozialdemokratie»[4] ist spätestens 2007 mit der Fusionierung von Christsozialen (La Margherita, eine der Erbparteien der Christdemokraten (DC) und Linksdemokraten (DS), Erbpartei der PDS und der früheren KPI) und der Entstehung der PD (Partito Democratico) niedergegangen. Diese verzichtete auf jeglichen Linksbezug. Selbst die Fraktion der PSE (Europäische Sozialistische Partei) kam den neuen/alten Genossen aus Italien entgegen und benannte sich in S&D (Sozialisten und Demokraten) um. 2013 wurde Matteo Renzi, der «Verschrotter»[5], als PD-Vorsitzender gewählt und personalisierte diese Partei. Laut der Definition des Soziologen Ilvo Diamanti wurde sie zur «PdR», Partito di Renzi, einer auf seine eigenen Entscheidungen und engste Freund*innen zentralisierte Partei. Zugleich bemüht sie auch Anti-Establishment-Einstellungen, Anti-EU-Rhetorik. Auch realitätsferne Erzählungen und Versprechen sind Renzi und seiner Partei nicht fremd. Unglaubwürdige Versprechungen, Verlogenheit, Inkompetenz und der Kampf um Macht mit allen Mitteln prägen längst Teil das «Establishment» und ihre parteipolitischen Eliten – also auch die PD.

Dazu gehört auch die informelle Absprache in Brüssel zwischen Berlusconi, Juncker und Weber (EVP-Fraktionschef, CSU) mit Unterstützung von Merkel, um durch eine «Groko» mit Renzi und M5S zu verhindern sowie Salvini die Lega im Zaum zu halten. Es geht längst nicht mehr um die Interessen der Menschen, noch weniger der sozial Schwachen. Diese werden nicht mehr vertreten und eine radikale Linke liegt zersplittert am Boden. So dass Berlusconi feststellte, dass Renzi die Ideen der Forza Italia unter PD-Logo umsetzt. Diese hatte schon mit Berlusconi zusammengearbeitet und in den letzten fünf Jahren mit einer kleinen Abspaltungspartei der Forza Italia regiert.

Der Wahlgang in Italien nimmt einen neuen Trend vorweg

35 Prozent (526) der Abgeordneten, doppelt so viel als in den Jahren 2008 − 2013, haben das Lager gewechselt, und/oder neue Parteien als Mehrheitsbeschaffer gegründet. Hinzu kommt die massive Verflechtung zwischen Politik und organisierter Kriminalität, die eine parteiübergreifende Ausbreitung der Korruption und Vetternwirtschaft mit sich bringt. Laut einer Umfrage (Eurispes 2018) sahen in der Verbindung von Mafia, Korruption und «inkompetenten Politikern» eine viel größere Gefahr als bei der Migration. In von der Mafia besonders geplagten Gebieten haben 5-Sterne-Kandidat*innen, die wegen ihres Engagements unter Polizeischutz stehen, sich dagegensetzend überzeugt. Neu gewählt wurde der Gründer der Etica Steni di Piazza (61 Prozent), der mit den Diäten der regionalen 5-Sterne-Abgeordneten[6] einen Mikrokreditfonds für Kleinunternehmer in Sizilien errichtete. Er war 2012 Initiator des ersten «Nationalen Labors für Bürgerökonomie», der mit Studierenden, Beschäftigten, Unternehmern und Arbeitslosen neue Regeln für einen solidarischen Markt vorschlug[7]. Die PD hatte dagegen u.a. in Sizilien oder Kampanien Kandidat*innen aufgestellt, die in dubiosen Machenschaften verwickelt waren bzw. zum Teil als frühere Anhänger von kleinen Parteien des Lagers um Berlusconi galten.

 Die Stimme für 5-Sterne sei eine Revolte gewesen, meint Gustavo Zagrebelsky, Jurist und emeritierter Vorsitzender des Verfassungsgerichts, Mitinitiator der Komitees für das Nein zur Verfassungsreform der Regierung Renzi, die im Referendum am 4. Dezember 2016 krachend scheiterte. Bei der massiven Zustimmung handle es sich um eine Massenrebellion gegen die Kristallisierung einer abgeschotteten, realitätsfernen Macht, die nicht imstande sei, das unermessliche Leiden unserer Gesellschaft zu sehen. Die M5S sei stärkste Kraft geworden, weil die Regierenden blind waren angesichts der Vielzahl von Bürgern, die unter ihrer gegenwärtigen Situation und der Schwierigkeit leiden, die sich kaum noch eine Zukunft vorstellen können. Im Referendum wurde «eine privatisierte Politik für eine Machtclique abgelehnt». Das sei der erste Akt der Revolte – die Parlamentswahlen seien der letzte gewesen.

Der politische Protest geht angesichts der schwachen und gespaltenen Linken mit der Wahl von M5S in Italien somit einen «originellen Weg». Sie stellt die repräsentative Demokratie in Frage, die vom bisherigen Parteiensystem ausgehöhlt wurde und präsentiert sich als eine Partei, die sich gegen dieses bisherige System richtet, das nur von Politprofis betrieben wird, die an ihren Posten und Sitzen kleben und mit dem realen Leben der Menschen nichts mehr zu tun haben. Folgerichtig wurde sie im Süden, wo die Armut am größten ist und die Aushöhlung der Demokratie noch gravierender wirkt als anderswo, am stärksten gewählt. Insofern sollte der Erfolg der 5 Sterne als positives Signal angesehen werden[8]. Sie kritisiert das parteipolitische Kriterium der Postenverteilung, bei dem Kompetenzen kaum gefragt sind. Sie versteht sich als Antisystem-Partei, die den Bruch mit einem korrupten, ungerechten System fordert. Am 4. März sei die «Republik der Bürger» entstanden, meint der M5S-Sprecher Di Maio.

Was ist die M5S?

«Wir sind christdemokratisch, ein bisschen links, ein bisschen Mitte. Wir können uns an alles an­passen», erklärte Grillo in diversen Interviews. Wie die frühere DC wirkt die M5S wie eine Volkspartei, obwohl sie sich streng als «Bewegung» definieren. Alle Schichten sind gleichmäßig vertreten. Obwohl sie auf der Basis von Online-Petitionen ihre Beschlüsse fassen und ihre Kandidat*innen aufstellen, sind vor Ort sehr präsent. Die Gremien mit den ältesten M5S-Mitgliedern und DI Maio selbst hatten beschlossen, vor allem jene Aktivist*innen und Persönlichkeiten um ihre Kandidatur zu bitten, die sich für ihre Region besonders engagiert haben (z.B. gegen Großbauprojekte oder Bauspekulationen), oder in ihrer Region bedeutsam sind (wie ein Schäfer aus dem armen Sardinien).

Strategisch erwies sich dieser Weg als klug, denn so wirkt die M5S besonnen und zugleich politisch klar. Zum Thema Europa, das kaum eine Rolle im Wahlkampf gespielt hat (bei allen Parteien, die ins Parlament einzogen, wurde Europa nur an fünfter oder sechster Stelle als Thema genannt). Ungeachtet dessen bekennen sie sich eindeutig zu Europa: «Europa ist für uns keine Außenpolitik, sondern unser gemeinsames Haus». Auf der Pressekonferenz mit der Auslandspresse am 13. März 2018 erklärte Di Maio, sie hätten diese eingeladen, damit sie in ihren Ländern erzählen können, dass das Ziel der Wirtschaftspolitik der M5S die Stabilität des Landes und die Lebensqualität seiner Bürger*innen sei (…) «Unser Programm war nie extremistisch. Jetzt sind alle der Meinung, dass die Defizitkriterien zu revidieren sind, wir werden sehen wie. Wir wollen die Staatsverschuldung reduzieren – aber nicht durch die Austeritätspolitik, sondern durch eine Expansionspolitik.» Wenn er Ministerpräsident werde, werde er seinen ersten offiziellen Besuch in Brüssel absolvieren.

Und was heißt das für die Regierungsbildung?

Die M5S ist stärkste Partei geworden und will Verantwortung übernehmen. Sie verwaltet mit unterschiedlichem Erfolg inzwischen mehrere Städte, in denen sie dennoch stabil geblieben ist oder sogar zugelegt hat. Sie sehen sich jetzt die Säule des neuen Parlaments, deren Parlamentarier gut vernetzt die Forderungen der Menschen vor Ort durch ihre parlamentarischen Initiativen ins Parlament bringen. Sie leisteten sie eine sichtbare, erkennbare Oppositionsarbeit und haben inzwischen erfahrene Politiker*innen. M5S zeige großen Respekt vor den Institutionen und sei mit allen politischen Kräften zu Gesprächen bereit und sehe die Postenverteilung unter programmatischen Voraussetzungen. Ehrlichkeit gehörte bisher zum Erfolgsrezept dieser Bewegung, die laut Ipsos vor allem wegen ihrer Marke gewinnt.

15 Prozent der M5S-Anhänger sollen mit der radikalen Linken sympathisieren 20 Prozent mit der Lega, 10 Prozent mit Berlusconis Forza Italia[9]. Das Programm ist bunt gemischt und bietet Anschlüsse in unterschiedliche politische Richtungen. Dazu gehörte u.a. eine soziale Grundsicherung, Kampf gegen prekäre Arbeit, ökologisches Engagement. Dies passt nicht zur Lega, mit der sie jedoch ihre «Abneigung gegen ein Brüsseler Europa»[10] teilt. In der Migrationsfrage ist die M5S nicht eindeutig. Ihre Spitzenkandidatin im Lazio (Region um Rom) forderte «mehr Touristen und weniger Migranten»[11].

Also die Frage ist, mit wem sie die Regierung bilden will: mit der niedergeschlagenen PD, der Forza Italia oder der Lega?

15. März 2018, Paola Giaculli


[1] https://www.ipsos.com/it-it

[2] Im Fall von Padua, Venetien: Die M5S verliert 1 Drittel ihrer Stimmen an die Lega, aber sie gewinnt genauso viel von der PD.

[3] durch Prodi, damals Chef der staatlichen Unternehmensgesellschaft IRI, zweimal Ministerpräsident für das «Olivenbaum»-Bündnisses, 1996-98, 2006-2008.

[4] http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/wahlen-in-italien-menetekel-fuer-die-europaeische-union/

[5] Andrea Dernbach, Dominik Straub, Tagesspiegel vom 6.3.2018

[6] Die Überweisung der halben Monatsdiät in solche Fonds zu den Pflichten der M5S-Parlamentarier, die für nicht mehr als zwei Mandate gewählt sein dürfen.

[7] «Auch die sizilianische Mittelschicht leidet unter der Auswanderung der eigenen Kinder…Unsere Kinder müssen es aussuchen können, ob sie gehen wollen und nicht dazu gezwungen sein, Sizilien zu verlassen, um einen Job zu suchen». Il Sole 24 Ore, 3. März 2018

[8] Denn «er drückt den Willen zur Rebellion und Freiheit unseres Südens, ein Teil des Landes, das angesichts einer Politik ohne Ideale, ohne Würde und ohne jegliche Moral nicht aufgeben will», Piero Bevilacqua, Il Manifesto, 6. März 2018

[9] Walter Mayr (2017). Die Unruhestifter. Spiegel Nr. 55, S. 94 – 96.

[10] Andrea Dernbach, Dominik Straub, Tagesspiegel vom 6.3.218, S. 3

[11] Anna Maldini, Neues Deutschland vom 6.3.2018, S. 3.