News | Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 8: Die Staatsanwaltschaft geht in die Offensive

Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und wissentlicher Export in andere Bundesstaaten strafbar

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Jan van Aken,

Der Erste Staatsanwalt bezieht detailliert Stellung zu juristischen Fragen und geht auf Konfrontation mit dem Richter. Er verweist auf die Mindeststrafen bei gewerbs- und bandenmäßigem Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Und begründet dann ausführlich, warum die von Heckler & Koch beigebrachten Endverbleibserklärungen ohne Zweifel Teil der Exportgenehmigung sind und deshalb ein wissentlicher Export in andere Bundesstaaten auf jeden Fall strafbar sei.

Bericht vom 8. Prozesstag am 12. Juli 2018.

Nachdem zu Beginn des 8. Prozesstages zunächst zwei Zeugen vernommen wurden (siehe unten), verlas die Staatsanwaltschaft eine längere juristische Ausführung, die sich zentral mit der Frage befasste, wo die Grenze zwischen einem genehmigten und ungenehmigten Export liegt – und ob die Endverbleibserklärungen Teil der Exportgenehmigung durch das Wirtschaftsministerium sind oder nicht. Damit griff die Staatsanwaltschaft auch auf die Positionierung des Vorsitzenden Richters an, der bereits am vorangegangenen Prozesstag bezweifelte, dass der tatsächliche Endverbleib der Waffe Inhalt einer Genehmigung sein könne. Auch bei der Vernehmung des Zeugen J. an diesem Prozesstag sagte er noch einmal klipp und klar, dass nach seiner derzeitigen Bewertung die Beschränkung auf einzelne Bundesstaaten nicht Teil einer Genehmigung gewesen sein könne.

Hier die wichtigsten Punkte der staatsanwaltschaftlichen Erklärung, soweit ich sie als Nicht-Jurist verstanden habe:

  1. Bislang habe sich die Hauptverhandlung vor allem um mögliche Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gedreht. Allerdings, so der Staatsanwalt, sind auch Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) angeklagt. Dabei sei zu beachten, dass ein gewerbsmäßiger Verstoß gegen das AWG eine höhere Strafandrohung enthält als das Kriegswaffenkontrollgesetz. Und bei einem gewerbs- und bandenmäßigen Verstoß sei die Mindeststrafe auch höher.

  1. Heckler & Koch sei der beabsichtigte Endverbleib in anderen Bundesstaaten bekannt gewesen oder bekannt geworden, damit habe es sich um ungenehmigte und damit strafbare Beförderungen von Kriegswaffen gehandelt.

  1. Sollte ein Antragsteller nach Erteilung der Genehmigung Kenntnis davon erlangen, dass die Waffen in andere als die in der Endverbleibserklärung genannten Bundesstaaten gelangen, würden alle künftigen Lieferungen ohne Genehmigung erfolgen.

  1. Die Genehmigungen enthalten einen Zusatz in dem festgelegt wird, dass die ,Angabe des Antragstellers, wonach die oben angegeben Kriegswaffen für den Endverbleib in Mexiko bestimmt sind‘, Bestandteil der Genehmigungsentscheidung ist. Damit, so die Staatsanwaltschaft, wird die Endverbleibsangabe des Antragstellers zum Inhalt der Genehmigung gemacht. Außerdem könne dies juristisch auch so ausgelegt werden, dass damit ein Endverbleib in einem oder mehreren Bundesstaaten in Mexiko erfasst ist.

  1. Heckler & Koch sei nicht nur Überbringerin der Endverbleibserklärung gewesen, sondern sie allein war Antragstellerin und hat die Endverbleibserklärung als Genehmigungsvoraussetzung beigebracht und sie sich damit zu eigen gemacht.

Der Zeuge J. ist Beamter im Wirtschaftsministerium und dort für Kriegswaffengenehmigungen zuständig. Er wiederholte im Wesentlichen die Aussagen seines früheren Vorgesetzten Claus W. der am vorangegangenen Prozesstag als Zeuge vernommen wurde.

Sehr spannend waren allerdings seine Aussagen zu den so genannten Post-Shipment-Kontrollen. Die wurden erst in der letzten Legislaturperiode eingeführt und sehen vor, dass der Verbleib von ausgelieferten Kriegswaffen durch die Bundesregierung in den Empfängerländern kontrolliert werden. Da bislang kaum Details zu diesen Kontrollen bekannt waren, hier ein paar Details aus der Aussage des Zeugen J.:

  • Es gab bereits drei oder vier Einsätze in Empfängerländern.

  • In den Endverbleibserklärungen müssen die Empfängerländer unangekündigte Kontrollen in ihrem Land bzw. bei den belieferten Einheiten akzeptieren, um zu kontrollieren, ob die Waffen dort vorhanden sind. Wer das in der Endverbleibserklärung nicht zusichert, bekommt keine Ausfuhrgenehmigung, so der Zeuge J., es sei eine zwingende Voraussetzung.

  • Einer der Ursprünge dieser neuen Regelung sei ein Fall, vor einigen Jahren, wo in Libyen Waffen aufgetaucht seien, die zunächst nach Ägypten geliefert worden waren.

  • Die neue Regelung gelte nicht für Panzer oder Schiffe, aber für Kleinwaffen.

  • Bei Drittländern stehe das als Standardtext in der Genehmigung.

  • Es habe bereits einen Fall gegeben, dass ein Land sich trotz ursprünglicher Erklärung der Kontrolle verweigert habe. Durch politischen Einfluss und entsprechenden Druck wurde die Kontrolle aber dann doch durchgeführt. Wenn sich ein Empfänger weigere, würden keine Ausfuhren mehr genehmigt – was aber dann nicht nur Kleinwaffen, sondern alle Ausfuhren betreffe. Dadurch entstehe Druck auf das Land.

Abschließend sagte J. auf Nachfrage, dass Verteidigungsministerium habe immer allen Ausfuhranträgen zugestimmt. «Die sagen immer Ja

Der Zeuge Norbert H., inzwischen berentet, war früher beim Bundesausfuhramt (BAFA) mit Genehmigungen für Exporte von Kleinwaffen und Munition nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) befasst. In fast allen Fällen, die der Prozess umfasst, lagen bereits Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) vor, bevor das BAFA die notwendige zusätzliche Genehmigung nach dem AWG erteilte. Dabei, so der Zeuge, wurde nur noch die Form geprüft, die inhaltliche Prüfung sei ja schon über die KWKG-Genehmigung gelaufen.

In einem Fall allerdings betrifft der Prozess auch einen Export von Ersatzteilen, die selbst keine Kriegswaffen sind, da musste das BAFA auch die inhaltliche Prüfung durchführen. Da sei der Bundesstaat Jalisco auch in der Genehmigung ausgeschlossen worden. Interessanterweise gibt es im BAFA zu einzelnen Bundesstaaten in Mexiko eigene Codenummern, zum Beispiel die BAFA-ID 180840 für Durango. Norbert H. nannte diese Nummer Empfängernummer. Andererseits wurde ihm dann vom Vorsitzenden Richter vorgehalten, dass in der Genehmigung als Empfänger das Verteidigungsministerium genannt worden sei. Es schloss sich ein längeres Gespräch über die Begrifflichkeiten Empfänger und Endverwender an und was genau die Genehmigung umfasst.

Zusammenfassend bleibt nach den letzten beiden Prozesstagen festzuhalten, dass der Vorsitzende Richter sich in entscheidenden juristischen Fragen offenbar schon recht festgelegt hat, und zwar zugunsten von Heckler & Koch. Andererseits sagte auch er, dass es entscheidend sei, wann Heckler & Koch wussten, dass die Waffen auch in andere Bundesstaaten gingen. Dieses Wissen mache seiner Meinung nach einen Unterschied zwischen genehmigten und ungenehmigten Exporten aus. Was das am Ende für das Urteil heißt, ist aus meiner Sicht noch völlig unklar.

Ausblick:

Am 26.07.2018, einer halbtägigen Sitzung, wird eine Zeugin vom Bundesausfuhramt (BAFA) vernommen. Der Vorsitzende Richter hat angekündigt, sehr wahrscheinlich ab dem nächsten Verhandlungstag auch Fernsehaufnahmen zuzulassen. Und der Anwalt Holger Rothbauer, der zusammen mit Jürgen Grässlin das ganze Verfahren überhaupt ins Rollen brachte, hat angekündigt, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Vertragsunterlagen von Heckler & Koch zur Verfügung zu stellen, aus denen ersichtlich sei, dass auch vertraglich vereinbart war, dass nur bestimmte Bundesstaaten beliefert werden dürfen.