News | Staat / Demokratie - Afrika - Südliches Afrika Und nun, wie sieht die Zukunft Mosambiks aus?

Ein Blick in vier Szenarien

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Wahlplakate der Partei FRELIMO in Beira (CC BY-SA 2.0, Andrew Moore/flickr)

Als die nordamerikanische Zeitschrift The Wall Street Journal 2016 enthüllte, dass Mosambik über Staatsgarantien Schulden aufgenommen hatte, konnte sich wohl kaum einer vorstellen, welch ein Skandal nachfolgend ans Licht kommen würde. Der Verbleib von 500 Millionen der insgesamt 2 Milliarden Dollar schweren Kredite ist bislang ungeklärt. Fast noch skandalöser ist jedoch die Trägheit des mosambikanischen Staates, das Verschwinden dieser Summe vollständig aufzuklären. Vielleicht hat dieser Fakt letztlich dazu beigetragen, dass ein massiver Teil der mosambikanischen Wähler bei den letzten Kommunalwahlen ihr Kreuzchen bei der Opposition setzte. Die angespannte Lage spitzte sich weiter zu, als die Vereinigten Staaten von Amerika einen internationalen Haftbefehl gegen den ehemaligen Finanzminister Mosambiks und weitere, mehrerer Verbrechen beschuldigte Personen, erließen. Ex-Minister Chang wartet in südafrikanischer Haft noch auf seine Auslieferung, doch die Anschuldigungen aus Nordamerika sind wahrhaft filmreif: Schließlich war ein ganzes internationales Netzwerk mit Verbindungen bis in die höchsten Ränge Mosambiks aufgebaut worden, um diesen kolossalen Betrugsfall zu ermöglichen, der beinahe zum Zusammenbruch des mosambikanischen Staates geführt hätte.

Die Frelimo ist gegen die Mitglieder, die einer Verwicklung in die Korruptionsfälle beschuldigt und in einigen Fällen sogar bereits verurteilt wurden, nicht einmal exemplarisch vorgegangen. Das macht vieles deutlich – unter anderem vor allem, wie stark die Korruption innerhalb der Partei verwurzelt sein muss. Parteiintern rührt daher auch die aktuell mangelhafte Wahrung ethischer Grundsätze sowie die Sorglosigkeit, mit der Korruption bei der Verwaltung öffentlicher Güter behandelt wird. Im Lichte der aktuellen Geschehnisse um den berüchtigten Fall der versteckten Schulden wird es fast zu einer spannenden Aufgabe, das Verhalten der Frelimo auf kurze Sicht und die jeweiligen Auswirkungen auf den mosambikanischen Staat vorherzusagen.

Das Land steht vor kolossalen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Politisch sieht sich die Frelimo, insbesondere im aktuellen Wahljahr, mit einer nahezu erschreckenden Unpopularität konfrontiert. Vor allem in den wichtigsten urbanen Zentren mit dem besten Zugang zu Informationen könnte sich der Skandal um die versteckten Schulden bei den Wahlen katastrophal für die regierende Partei auswirken. Auch die Opposition wird dieses Thema im Wahlkampf mit Sicherheit zu ihrem Steckenpferd machen. Für alle Beteiligten, die von den Auswirkungen betroffene mosambikanische Gesellschaft sowie für den internationalen Ruf des Landes wird dieses Thema noch lange Wellen schlagen. Wirtschaftlich wird das so heiß ersehnte Gaswunder weiter auf sich warten lassen, während die Wirtschaft stattdessen weiterhin nur schleppend wachsen dürfte. Die internationalen Partner in der Entwicklungszusammenarbeit werden den Geldfluss in den Staatshaushalt weiterhin einfrieren, während sie lange auf die zufriedenstellende Klärung sowie die strafrechtliche Verurteilung der Verantwortlichen für dieses Betrugsmanöver warten werden. Zusammengenommen könnten diese politischen und wirtschaftlichen Faktoren die perfekten Zutaten für einen erschreckenden sozialen Cocktail darstellen, der sich durch eine anhaltende, in der Fläche und Intensität wachsende soziale Unzufriedenheit auszeichnet. Wie kann man nun das Verhalten der machthabenden Elite Mosambiks angesichts einer solchen Situation voraussagen? Welche Szenarien werden wohl auf kurze und mittlere Frist die Entwicklung der soziopolitischen Geschehnisse in Mosambik bestimmen?

Ich möchte einige Zukunftsszenarien umreißen, die aus diesem Skandal hervorgehen könnten. Doch Obacht – die unterschiedlichen Möglichkeiten schließen sich nicht gegenseitig aus und könnten fast vollständig durch einen weiteren Faktor verändert werden: Die Auslieferung Manuel Changs an die Vereinigten Staaten von Amerika.

Erstes Szenario (sehr wahrscheinlich): Wir gehen hier nicht weg und niemand kann uns dazu bringen. Da die Interessen der Elite (immer) über denen des Staates stehen, muss alles getan werden, um diese politischen und wirtschaftlichen Interessen zu wahren. Das Problem mit den Schulden ernsthaft zu lösen, gefährdet diese Interessen und schafft innere Spannungen in der Frelimo, insbesondere aufgrund der möglichen Folge einer „Hexenjagd“. Die Strategien können variieren – eine stärkere Unterdrückung derjenigen, die die Interessen der Elite gefährden; eine völlige Abkapselung des Landes vom Rest der Welt; die Erschwerung der nationalen und internationalen Berichterstattung zu unangenehmen Themen, wie den versteckten Schulden; ein Wiederaufleben der G40-Gruppe[1], um die Informationen zu verschleiern und eine der Elite zuträgliche Version zu verbreiten. Infolgedessen könnte es zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit diplomatischen Vertretungen anderer Länder in Mosambik kommen, insbesondere mit denen, die eine angemessene Aufklärung des Falles um die versteckten Schulden fordern. Die Partei könnte mit allen Mitteln versuchen, einen Wahlsieg zu garantieren, insbesondere, um die Erhaltung der Machtposition in der Zentralregierung sicherzustellen. Die Kontrolle der zentralen Staatsmacht ist grundlegend für die Kontrolle über alles Weitere. In diesem Szenario gibt sich Mosambik allerdings damit zufrieden, de facto als autoritäres Regime zu gelten.

Zweites Szenario (wahrscheinlich): Verstoß der Partei-Schädlinge. Dieses Szenario entspricht in etwa dem, was bereits von einigen parteiinternen Strömungen gefordert wird. Nach dem Motto: „Wir können nicht weiter so tun, als ob nichts geschehen wäre. Wir müssen zeigen, dass wir in der Lage sind, mit unseren Problemen innerhalb der Partei und in puncto Regierungsführung fertig zu werden“. Diese Lösung würde jedoch einen gewissen „Fortschritt“ bei der Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft ermöglichen und somit zur strafrechtlichen Verurteilung einiger Beteiligten führen – natürlich nur derjenigen, die nicht „too big to jail“ sind. Es kommt also zur Verurteilung auf operativer Ebene – die wirklich großen Fische werden allenfalls erwähnt, aber vor Gericht nicht geladen. Dieses Szenario würde eine relative interne Stabilität der Frelimo hervorbringen, die dann einigermaßen geschlossen in die Wahlen gehen dürfte. Von außen betrachtet würde sich dieses Szenario kleine „Fortschritte“ in den Ermittlungen zu Nutze machen, um ein gewisses Maß an Vertrauen in die Institutionen der Justiz und die Partei, die die Übeltäter in ihren Reihen zur Verantwortung zieht, wiederherzustellen. Da das Problem vor Gericht verhandelt werden würde, könnte man der nationalen und internationalen Gemeinschaft Geduld für und Vertrauen in den Lauf der Justiz abringen. Sollte Manuel Chang ausgeliefert werden, könnten der mangelnde Kooperationswille der USA und die damit einhergehende fehlende Möglichkeit, den „Kopf“ des ganzen Betrugsschemas direkt zu befragen, als Ausreden genutzt werden, um die Langwierigkeit des Verfahrens in Mosambik zu rechtfertigen.

Drittes Szenario (wenig wahrscheinlich): Wir haben keine Zeit für sowas – wir befinden uns im Kriegszustand. Die Elite zieht es vor, die Aufmerksamkeit des Volkes und der internationalen Gemeinschaft auf den Konflikt im Norden Mosambiks, in Cabo Delgado, zu ziehen. Um die Unsicherheit im Land noch zu verstärken, könnte die Renamo durch ein besonders langsames Fortschreiten des Prozesses der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (DD&R) provoziert werden. Denn da der Übergang innerhalb der Renamo nun geregelt ist, wird diese mit Sicherheit wieder deutlich mehr Augenmerk auf dieses Thema legen. Die Renamo muss ihre bewaffneten Truppen im Zaum halten und politische Zusicherungen aushandeln, die ihre Wähler und Sympathisanten zufriedenstellen. Untätigkeit in der Regierung sorgt dafür, dass die Partei in Aufruhr gerät. Der neue Parteiführer Ussufo Momade muss sein Gesicht wahren, was schnell zwei Konfliktherde hervorbringen könnte: Einen aktiven im Norden des Landes und einen passiven mitten im Zentrum. Es ist ganz logisch, dass die Priorität eines jeden Landes im Kriegszustand der Schutz der Bevölkerung und die Wiederherstellung des Friedens ist. In solchen Zeiten will die Elite nichts von versteckten Schulden wissen, denn das Land muss Frieden erlangen. Nichtsdestotrotz bliebe das Thema der Schulden eine unangenehme Angelegenheit.

Viertes Szenario (völlig unwahrscheinlich): Der Gesetzeshüter. Das nationale Interesse hat für die Elite Priorität. „Sei es, wie es sei“[2], der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt umfassend in der Sache und deckt Verdächtige auf, die schließlich dem Gericht vorgeführt werden. In der Frelimo gewinnt die Strömung überhand, die die strafrechtliche Verurteilung der Schuldigen fordert. Die Partei geht in zwei Flügel gespalten in die Wahlen: Eine konservativere Strömung, die in den Schuldenfall verwickelt ist und den Standpunkt vertritt, dass man das Thema zur Wahrung des inneren Zusammenhaltes ruhen lassen sollte sowie eine liberalere Strömung, die ein hartes Vorgehen gegen die Schuldigen fordert, sei es auf Ebene der Partei oder auf Ebene des Staates. Maputo wird Schauplatz wahrer Verurteilungen. Das Volk ist begeistert und froh über die Enthüllung des Sachverhaltes durch die freie Presse. Die Zeitungen sind voll von brandheißen Informationen. Auf den Straßen, in Bars und an Verkaufsständen herrscht reges Treiben. Die internationale Gemeinschaft ist zufrieden und verspricht, die Freigabe der eingefrorenen Gelder zur Unterstützung des Staatshaushalts zu überprüfen. Mosambik scheint auf ein wahrhaft demokratisches System zuzusteuern.

Fredson Guilengue ist Projektmanager im Büro Johannesburg.

Übersetzung und Lektorat: Kirsten Grunert und Steffi Rösler für lingua•trans•fair


[1] Anmerkung der Übersetzerin: G40-Gruppe: soll unter dem ehemaligen Staatspräsidenten Armando Guebuza ins Leben gerufen worden sein, um Regierungsgegner in den Medien zu diskreditieren.

[2] Komme was wolle