News | Alfred Döblin traf...Ingo Schulze

Bliesransbach. „(…)Europa! Es ist das Signal, die Marschrute ist gegeben. Es ist das Zeichen zum Aufbruch. Kein anderes Zeichen für alles, was jung ist und Kraft in sich hat, für alles, was auf dieser Erde noch hofft. Die alten Staatensysteme haben ihren Sinn verloren. Europa heißt die Realität von heute und ist eine Realität in uns und keine draußen.“ Alfred Döblin in seiner „Saarbrücker Rede über das neue Europa“, 1952.


LiteraturexpertInnen sind sich sicher, dass Döblin hier seine Erfahrungen mit der Grenzregion von Saar und Blies einfließen ließ. Denn Alfred Döblin verband seinerzeit vieles mit unserer Region.Im Ersten Weltkrieg war er Lazarettarzt in Saargemünd, wo er während vieler Wandertouren die Gegend näher kennenlernte. Eines seiner Ziele war die Gegend von Bliesransbach mit häufigen Besuchen des Ritthofs, damals noch Weingut und Gaststätte. Nicht zuletzt das tragische Schicksal seines ältesten Sohnes Wolfgang, der 1939/1940 während des Zweiten Weltkriegs als einfacher Soldat in französischer Uniform in der Maginotlinie an der Blies im Einsatz war, dürfen dem Vater Alfred noch sehr präsent gewesen sein. Auch, dass sich dieser aus Angst vor der vorrückenden Deutschen Wehrmacht in den Vogesen das Leben nahm. Dieses tragische Ereignis dürfte ihn zu dieser „Europarede“ mitveranlasst haben.


Doch was sagen uns seine Worte und was verrät uns Döblins Leben heute, im Jahr 2019? Wie steht es um seinen Traum von Europa? Wurde er zur Realität? Oder ist er längst ausgeträumt? Kurz vor der Europawahl im Mai 2019 diskutierten Tilla Fuchs und der Schriftsteller Ingo Schulze darüber, wie es um Europa steht und welchen Einfluss Literatur auf Politik und Gesellschaft haben.
In dem Gespräch mit dem Autor wurde deutlich, dass in letzter Zeit das „Friedensprojekt Europa“ sehr gelitten hat und sei nicht weiterentwickelt wurde, was man am „Brexit“ oder der Flüchtlingspolitik ablesen kann. Nicht weniger diffus ist unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten unter Präsident Trump.
Denkt man daran, dass auch Russland zu Europa gehört, aber so getan wird, als leben die Russen auf einem fernen Kontinent, offenbaren sich schnell die Defizite der deutschen bzw. EU „Ostpolitik“. Da ist es auch in jeder Hinsicht völlig kontraproduktiv, Russland „Kriegslüsternheit“ zu unterstellen, obwohl der russische Rüstungshaushalt kleiner ist, als der Deutschlands und Frankreichs zusammen. Ingo Schulze stellt sich also die Frage: wer darf sich von wem bedroht fühlen?


Das vollständige Gespräch wird am Dienstag, 30. April 2019 ab 20.04 Uhr auf SR2-Kulturradio gesendet.

Die Wahl auf Bliesransbach als Veranstaltungsort ist kein Zufall. In dem Grenzort pflegt man noch heute enge Kontakte zu den französischen Nachbardörfern und hält das Andenken des „Brückenbauers“ zwischen Deutschland und Frankreich mit dem Alfred-Döblin-Weg in Ehren.
 
Zur Person von Ingo Schulze: Geboren 1962 in Dresden, lebt als Autor in Berlin und schreibt Romane, Erzählungen und Essays. Für sein Werk wurde Ingo Schulze vielfach ausgezeichnet. So mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2007 für „Handy. 13 Geschichten in alter Manier“. Sein jüngster Roman „Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“ (2017) gewann den Rheingau Literaturpreis. Seine erste Auszeichnung als junger Autor war der Alfred-Döblin-Förderpreis, den Ingo Schulze 1995 für seine damals noch unveröffentlichten Prosastücke „33 Augenblicke des Glücks“ erhielt. Der Preis wurde zum Anlass einer Rede, in der er sich zu der literarischen Praxis von Alfred Döblin bekannte und dessen Werk als Bezugspunkt für sein eigenes Schreiben darstellte.

Döblin im Internet
https://literaturland-saar.de/personen/doeblin/
https://literaturland-saar.de/service/wanderwege/alfred-doeblin-weg/