News | Wirtschafts- / Sozialpolitik Brandenburg ist keine Insel

Dienstagsgespräch zur Entwicklungspolitik im Landtag

Was haben Hunger, Erderwärmung, anschwellende Flüchtlingsströme mit der Politik in Brandenburg zu tun? Am Dienstagabend widmete sich eine öffentlich besuchte Podiumsdebatte im Potsdamer Landtag dem Thema Nachhaltigkeitsstrategie – ausgerichtet von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Fraktion „DIL LINKEN“.

Europa-Staatssekretärin Anne Quart verwies auf verschiedene internationale Gipfel in diesem „entscheidenden Jahr 2015“. Die Welt habe Gelegenheit, in Fragen der Klimazerstörung und Landverwüstung eine Weichenstellung vorzunehmen aber eben auch sie zu verpassen.

Ausdrücklich betonte sie, dass die zukunftsweisende Politik auch eine Sache des Landes sei, ebenso aber – gerade was die Aufnahme von Flüchtlingen betreffe - „vor Ort“ Helfer und Akteure benötige. „Wir hoffen da auf die junge Generation.“ Und da gebe es Grund zum Optimismus. Viele hätten sich die Luft ferner Länder um die Nase wehen lassen, kämen weltoffen und mit Verständnis für die Probleme fernster Regionen nach Brandenburg zurück. Die Vorsitzendes des Landesausschusses für Europa, Entwicklungspolitik und Verbraucherschutz Kerstin Kaiser schilderte, wie die Streichung von Bundesgeldern die Kommunen in die Lage bringt, wichtige Stellen in der Sozialarbeit aufzugeben.

Alleingelassen seien Land und Kommunen nicht bereit, diese Aufgaben zu finanzieren.

Ein Hindernis für ein entschlossenes weltweites Umsteuern und Umverteilen sah Professor Manfred Stock darin, dass der reichere Teil der Menschheit sich noch eine Zeit lang die Auswirkungen von Luft-, Boden und Wasserzerstörung vom Halse halten könne. Allerdings würden als erstes Flüchtlingsströme einsetzen, die alles bisher Erlebte in den Schatten stellen. Es sei ungemein wichtig, dass die fossilen Brennstoffe nicht weiter ungebremst den Kohlendioxydanteil der Luft erhöhen und damit die Erderwärmung und den Treibhauseffekt antreiben.

Als Vertreter der Nichtregierungsorganisationen vertrat Uwe Prüfer die Ansicht, dass der Ausstieg aus der Braunkohle in Brandenburg wesentlich schneller stattfinden müsse als er geplant sei. Und er fragte öffentlich, weshalb seine Stadt wie Potsdam als Partnerkommune nur Städte aus dem reichen Norden der Erdhalbkugel erwählt habe und nicht beispielweise auch einmal eine Metropole aus einem Drittweltland.

Kritisiert wurde bei dieser Gelegenheit, dass die Landesregierung einen vielversprechenden Ansatz nicht weiterverfolgt und den Beirat für Nachhaltigkeit aufgelöst habe. Fünf Jahre lang hatte sie zugelassen, dass dieser Rat auf Zukunftsfragen aufmerksam machen konnte, doch nunmehr ist eine Fortsetzung nicht mehr vorgesehen. Professor Manfred Stock, der den Vorsitz dieses Beirates innehatte, führte diesen Schwenk darauf zurück, dass Kritik an einzelnen Zügen der Landespolitik offenbar nicht erwünscht gewesen sei. In seinem Protest gegen diese Rückstufung hatte der Rat erklärt, es gebe kein zweites beratendes Gremium, das in diesem Maße anspruchsvoll und ganzheitlich der Politik zur Seite gestanden habe. Wer allerdings zu solchen Maßnahmen greifen müsse, dem fehle schlicht auch „Humor“, ergänzte der Professor. Staatssekretärin Anne Quart konnte an dieser Stelle nur versichern, dass sie diese Strategie nicht verfolge und persönlich auch nicht gutheiße.

Die Landtagsabgeordnete Anita Tack wollte sich indessen die „Erfolge“ der rot-roten Landesregierung nicht kleinreden lassen. Immerhin habe diese Regierung eine Entwicklungsstrategie formuliert und sich dazu bekannt, diese Dinge in ihre Überlegungen einzubeziehen. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag sei von der Fortsetzung dieses Politikstils geprägt. Weil der Begriff der „Nachhaltigkeit“ auch weniger eine Zielbestimmung enthalte, sei er auf Veranlassung der LINKEN durch „enkeltauglich“ ersetzt worden.

Die Veranstaltung schloss mit der Versicherung, dass die Debatte um die Entwicklungspolitik weder mit ihr begonnen habe, noch damit „erledigt“ sein dürfte. Dass Brandenburg nicht der Nabel der Welt ist und allein die Weltprobleme lösen könne, sei kein sinnvoller Standpunkt. Das Bundesland ist selbst abhängig – nicht zuletzt von Finanzströmen aus Bund und EU. Es sei nicht ernsthaft davon auszugehen, dass weltweite Eruptionen und Verwerfungen spurlos an dem Bundesland vorbeigehen oder von ihm verhindert werden könnten. Allerdings enthebt das nicht die Landespolitik des Anspruchs, wo es geht eine Vorbildrolle anzustreben und die weltweiten Entwicklungen immer wieder auch in die Gestaltung der eigenen Ziele einzubeziehen.

Autor: Wilfried Neiße