News | Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen - Afrika Jitokeze – Show up – Sei dabei

WählerInnen mit Spraydose und HipHop mobilisieren. Ein Bericht aus Tansania.

Mawila Khamisi schreitet mit prüfendem Blick die Mauer ab. Acht Meter braucht er für den Anfang. Er hebt die Farbdose, schüttelt sie und sprüht mit sicherer Hand die meterhohen Buchstaben auf den grauen Untergrund. Er ist Profi, die Skizze ist in seinem Kopf, die genauen Abmessungen, die Details, die Farben, der Text. Mawila Khamisi alias ‚Local‘ ist einer der bekanntesten Graffiti-Künstler Tansanias.

‚Jitokeze – Show up – Sei dabei’ heißt die Aktion, die er sich gemeinsam mit Freunden ausgedacht und die am vergangenen Samstag begonnen hat. Die 12 Meter lange Wand am Rande des sandigen Sportplatzes, auf der abends verschiedene Fußballvereine ihre Spiele austragen, ist die erste von 20 Wänden, die in den nächsten Wochen für diese Kampagne genutzt werden sollen.

Das Thema: Die kommenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Sie werden im Oktober stattfinden, noch stehen die Präsidentschaftskandidaten nicht fest. Fest steht aber bereits, dass die Wählerregistrierung ein mühsamer Prozess sein wird und die Politikmüdigkeit groß ist. Immer weniger WählerInnen haben sich in den vergangenen Jahren an den Wahlen beteiligt. Und in diesem Jahr, so steht zu befürchten, werden es noch weniger sein. Unklar ist auch, wie viel Ehrgeiz die Regierung hat, vor allem die ErstwählerInnen für eine Teilnahme an den Wahlen zu gewinnen. Die Sorge, dass gerade junge Menschen die Opposition wählen, ist nicht unberechtigt. Korruption, Misswirtschaft, die Zensur von Zeitungen, der gescheiterte Verfassungsprozess, gravierende Mängel im Bildungs- und Gesundheitsbereich haben unter der tansanischen Bevölkerung zu erheblichem Unmut geführt. Und zu Resignation.

‚Local’ will dem etwas entgegensetzen. Später wird auf der Wand zu lesen sein: ‚Die Entwicklung des Landes hängt von Eurer Wahl ab‘ und ‚Schlechte Politiker kommen nicht von irgendwo, Ihr tragt mit dazu bei, wenn Ihr nicht wählen geht’.

‘Local’ hat mittlerweile Hilfe von seinen Freunden bekommen. Sie füllen die Buchstaben mit Farben, sprühen Schattierungen, ihre bunten Tücher sind nur ein kleiner Schutz vor dem Farbsprühnebel, der sich langsam über der Wand ausbreitet. ‘Local’ selbst ist hinter einer Atemmaske verschwunden.

Die Zuschauerreihen werden dichter, das Hip Hop Konzert, das in der Mitte des Sportplatzes stattfindet und die Aktion begleitet, findet immer neue begeisterte ZuhörerInnen. “Es ist ein guter Anfang”, sagt ‘Local’, “so habe ich mir das vorgestellt”. Die Hälfte der Wände für die nächsten Graffiti-Werke hat er schon gefunden. Nicht immer ist es leicht, die Genehmigungen von den Grundstücksbesitzern zu erhalten. Aber es gibt auch reichlich Zuspruch und Aufmunterung.

Auch Jan van Esch ist nun zufrieden. Seine anfängliche Angst, der riesige Platz könnte sich niemals füllen, ist verflogen. Der holländische Wahltansanier ist Initiator des Nafasi Artspace, eines Kulturzentrums, in dem ‚Local‘ und 30 andere tansanische Künstler ihre Heimat gefunden haben.

Inzwischen bevölkern mehr als vierhundert begeisterte Hip Hop-Fans die sandige Fläche vor der Bühne, auf der nun MC Nash steht, eine tansanische Größe unter den Rappern. Der Refrain seines Songs hat einen vielstimmigen Chor, jeder kennt ihn. ‚Zima – Abschalten’. Es geht um Korruption, um Politiker, die nur an ihre Partei und ihre Wiederwahl denken, um die täglichen Schmiergelder, um das Hickhack im Parlament.

Die Aktion, die Ende Juli zu Ende ist, wird unter anderen vom Regionalbüro der Rosa Luxemburg Stiftung in Dar es Salaam unterstützt.

Text und Fotos: Elke Kuhne