Kommentar | Krieg / Frieden - Die Waffen nieder - Waffenexporte So löst man Rüstungswettläufe aus

Tobias Pflüger zur Ernennung der neuen Verteidigungsministerin

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Tobias Pflüger,

Die Verteidigungsministerin ist ausgetauscht, die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung bleibt dieselbe. Annegret Kramp-Karrenbauer, die Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin nachfolgt, hat das in ihrer Antrittsrede im Bundestag in aller Deutlichkeit gesagt: Der Verteidigungshaushalt «muss», da ließ sie keinen Zweifel, weiter ansteigen. «An dem Ziel der Bundesregierung, zwei Prozent anzustreben, ein Ziel, auf das sich alle Verbündeten wiederholt geeinigt haben, halte ich daher fest.»

Annegret Kramp-Karrenbauer hat damit zu ihrem Amtsantritt einen deutlichen Akzent gesetzt und zugleich eine Debatte ausgelöst. Denn die SPD blinkt derzeit links und will da nicht mitziehen, obwohl das Zwei-Prozent-Ziel auch unter ihrer Mitwirkung überhaupt erst zustande kam. Deshalb hier nochmal etwas Grundsätzliches zu dieser angestrebten Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben.

Es stimmt leider, dass die verschiedenen Bundesregierungen seit dem NATO-Gipfel 2014 in Wales mehrmals zugesagt haben, den Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Doch diese Zusage ist erstens unverbindlich, zweitens sicherheitspolitisch unsinnig und drittens eine völlig unnötige Aufrüstung. Den Haushalt beschließt in Deutschland immer noch der Bundestag. Mehr als eine politische Absichtserklärung ist es deshalb nicht, was die Bundesregierung da der NATO versprochen hat.

Aber auch die Absicht ist grundfalsch. Und zwar schon aus grundsätzlichen Überlegungen: Warum sollte ein Land seine Militärausgaben als fixen Prozentsatz der Wirtschaftsleistung bestimmen? Warum ausgerechnet 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, warum nicht 1,8 oder 2,3 Prozent? Außerdem ändert sich das Bruttoinlandsprodukt ständig. Demnach müsste ein Land automatisch auf- oder abrüsten, wenn die Wirtschaftsleistung steigt oder fällt – und nicht etwa, wenn sich z.B. das, was als «Bedrohungslage» empfunden wird, ändert. Das ist unsinnig.

Der deutsche Verteidigungshaushalt wurde in den vergangenen Jahren – ganz im Sinne der NATO – massiv erhöht, auf 43,2 Milliarden Euro in 2019. Doch damit ist noch längst nicht Schluss, wie das Kabinett gerade beschlossen hat, soll er 2020 auf 44,9 Milliarden Euro steigen, 1,7 Milliarden mehr als im Haushalt 2019. Legt man das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2018 von 3,39 Billionen Euro zugrunde, dann hätte der Verteidigungshaushalt bei 2 Prozent des BIP im Jahr 2018 67,8 Milliarden Euro betragen müssen.

Zum Vergleich: Im selben Jahr gab Russland nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI nur 61,4 Milliarden Dollar (damals umgerechnet 53,4 Milliarden Euro) für sein Militär aus. Allein Deutschland hätte dann höhere Militärausgaben gehabt als Russland. Das ist sicherheitspolitisch unnötig und abenteuerlich. So löst man Rüstungswettläufe aus, schafft aber nicht mehr Sicherheit.

Die Unionsparteien werfen der SPD jetzt vor, dass Zwei-Prozent-Ziel in der Regierung doch mitgetragen zu haben. Und da haben sie in der Sache völlig Recht: Öffentlich haben SPD-Politikerinnen und -Politiker diese Aufrüstung zwar manchmal kritisiert. Aber in der Regierung hat die SPD die zwei Prozent ein ums andere Mal mitgetragen. Mit Frank-Walter Steinmeier war ein SPD-Außenminister sogar führend daran beteiligt, als die NATO 2014 diesen Aufrüstungskurs begonnen hat.

Und dieser Kurs wird wohl leider auch nach der Ära von der Leyen weitergehen. Denn Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht nur Verteidigungsministerin, sondern auch Parteivorsitzende der CDU. Sie ist damit in einer starken Position, um in den Haushaltsverhandlungen noch mehr Geld für die Bundeswehr herauszuleiern. Auf der Strecke bleibt dabei, was wirklich nötig wäre: Abrüstung.