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UN-Klimagipfel in New York: Kein Neustart in der Klimapolitik

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Nadja Charaby,

UN-Klimagipfel in New York: Kein Neustart in der Klimapolitik

Die Jahre 2015 bis 2019 verzeichnen die bisher höchsten globalen Durchschnittstemperaturen seit Aufzeichnungsbeginn. Die Konzentration klimaschädlicher Gase in der Atmosphäre ist höher denn je. Diese Zahlen gibt ein pünktlich zum Klimagipfel erschienener Bericht der Weltorganisation für Meteorologie bekannt. Weltweit, aber vor allem in Ländern, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, leiden Menschen und Ökosysteme unter der Klimakrise. Seit Monaten streiken junge Menschen gegen das Unvermögen der Politik, dieser Krise ernsthafte Lösungen entgegenzustellen. Höchste Zeit, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, sich persönlich um die Angelegenheit kümmert.

Vom 21. bis 23. September lud er Regierungsvertreter*innen, Jugendliche, Geschäftsleute und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu einem Klimagipfel nach New York ein. Guterres war eindeutig in seinen Erwartungen: Klare Zusagen für konkrete Taten. Die gemachten Zusagen blieben aber hinter dem zurück, was nötig wäre, um die Menschheit vor dem Klimachaos auch nur annähernd zu schützen. Aber immerhin: Kritik am ungebrochenen Glauben an das unendliche Wirtschaftswachstum mussten sich die Regierungs- und Wirtschaftsvertreter*innen in für solche Zusammenkünfte unüblich offener Weise anhören.

Wir stecken mitten in einer Massenausrottung. Und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum.

«Das ist alles falsch. Ich sollte hier nicht stehen. Ich sollte zurück in der Schule sein auf der anderen Seite des Ozeans. Dennoch kommt ihr zu mir, um zu hoffen? Wie könnt ihr es wagen! Ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten gestohlen. Und trotzdem, ich bin noch eine der Glücklichen. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme kollabieren. Wir stecken mitten in einer Massenausrottung. Und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen!» Greta Thunberg hatte ihre Rede vor den Regierungen beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs mit bewegenden Worten eröffnet, sie hat Tränen in den Augen. Ihre Analyse der jetzigen Situation und dessen, was die diversen Gäste von Guterres am 23. September nach ihrem Auftritt als «Ambitionen» verkünden werden, ist treffend und scharf: Es wird nicht reichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, denn die notwendigen Maßnahmen wären unbequem und das will niemand zugeben. Thunberg tut aber auch etwas, was in den diversen Klimaverhandlungen und -gipfeln der Vereinten Nationen immer grandios umschifft wird: Sie übt grundsätzliche Kritik am wirtschaftlichen Wachstumsparadigma.

Der UN-Generalsekretär wagte einen interessanten Ansatz, als er nicht nur Regierungen zu seinem Klimasondergipfel eingeladen hatte, sondern auch der Jugend ein Forum bot. Er gab zu, dass er sich damit gegen hausinterne Kritik durchsetzen musste. Der Druck auf der Straße ist groß, allein in New York selbst hatten 300.000 Menschen am globalen Klimastreik vom 20. September teilgenommen. Weltweit waren es angeblich vier Millionen. Gerade im globalen Norden sind es junge Menschen, die der Generation von Guterres Druck machen. Er selbst hält es für richtig, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Die Entwicklung der internationalen Klimapolitik seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens vor fast vier Jahren glänzt hingegen durch fehlende Ambitionen und fehlende Umsetzungen. Die bisherigen Zusagen für Emissionsreduktionen werden nach derzeitigem Stand eine Erwärmung von über drei Grad zum Ende des Jahrhunderts nach sich ziehen. Die USA haben angekündigt aus dem Abkommen auszusteigen, die verbleibenden Industriestaaten tun sich schwer mit Finanzzusagen und den notwendigen Reduktionszielen. Entsprechend durften beim New Yorker Klimagipfel auch nur diejenigen auftreten, die «ernsthafte Ambitionen» vorzuweisen hatten.

Was sich  hinter diesen «ernsthaften Ambitionen» verbirgt, veranschaulichte der Auftritt von Bundeskanzlerin Merkel . Mit einem «Klimapaket» im Gepäck, das in Deutschland von Bewegungen, Umweltverbänden und Wissenschaftler*innen als völlig unzureichend kritisiert wird, und mit dem Druck von 1,4 Millionen Demonstrierenden im Nacken, die dem Aufruf der Fridays for Future am 20. September zum Globalen Klimastreik in Deutschland gefolgt waren, war der Auftritt der Bundeskanzlerin eine ziemliche Farce. Den Weckruf der Jugend hat die Kanzlerin nicht gehört. Das Klimapaket der Bundesregierung  erfüllt die hochtrabenden Ankündigungen eines gesellschaftlichen Wandels in Deutschland nicht. Vielmehr lässt ihr Verweis auf «Andersdenkende» in der Klimafrage, die sie bei ihrer Politik mitnehmen will, erahnen, wie groß der Einfluss der Lobbyisten der fossilen Brennstoffe nach wie vor ist. Die Ankündigungen in Merkels Rede bezüglich der internationalen Verantwortung Deutschlands als einem der größten Klimasünder (ein Prozent der Weltbevölkerung, aber verantwortlich für zwei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen) beinhaltete nichts als alte Kamellen. Deutschland setzt weiter auf das zum Teil umstrittene Instrument der Klimarisikoversicherungen sowie auf Waldschutz und verdoppelt seine Klimafinanzen von zwei Milliarden Euro auf vier Milliarden Euro. In einem Nebensatz ergänzt Merkel: «Im Vergleich zu 2014».