News | Sozialökologischer Umbau - COP 25 Energiewirtschaft

Interessierte Kreise propagieren AKW als zukunftsfähig. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Stromgestehungskosten neuer Kraftwerke in US-Dollar je Megawatt-Stunde, Veränderung in Prozent von 2009 bis 2017.
(CC) URANATLAS 2019 / WNISR

Seit Jahrzehnten propagieren interessierte Kreise die Renaissance der Atomenergie. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Milliardenverluste, Zeitverzögerungen und erneuerbare Energien, die zunehmend kostengünstiger werden.

In den 1950er Jahren wurde Atomstrom angepriesen als »too cheap to meter«, zu billig, um den Verbrauch zu messen, heute erweist er sich als »too expensive to matter«, zu teuer, um relevant zu sein. Im Jahr 2017 gingen so wenig neue Kernkraftwerke ans Netz, dass die installierte Nuklearkapazität, also die theoretische Maximalleistung, weltweit gerade mal um ein Gigawatt netto stieg. Dies entspricht einem Anteil von 0,4 Prozent an der gesamten neuen Kraftwerkskapazität von 257 Gigawatt. Die erneuerbaren Energien kamen dagegen auf 157 Gigawatt und damit einen Anteil von 61 Prozent. Der Neubau von Atomkraftwerken ist für moderne Strommärkte praktisch irrelevant geworden.

Atomkraftwerke erzeugen heute in 31 Ländern Strom und haben weltweit einen Anteil von rund zehn Prozent an der kommerziellen Stromproduktion. Damit sinkt der Beitrag der Atomwirtschaft seit 1996 kontinuierlich, als ihr Anteil am Strommix den historischen Höchststand von 17,5 Prozent erreichte. Berücksichtigt man Mobilität und Wärmebedarf, tragen Atomkraftwerke heute weltweit 4,4 Prozent zur Deckung des kommerziellen Primärenergiebedarfs und weniger als zwei Prozent der tatsächlich genutzten Endenergie bei.

Nahezu alle Indikatoren, die im World Nuclear Industry Status Report erfasst werden, zeigen, dass die Atomindustrie vor vielen Jahren ihren Höhepunkt erklommen hat: Im Jahr 2002 erreichte die Zahl der im Betrieb befindlichen Reaktoren mit 438 einen Höchststand, Anfang 2019 waren es noch 415; die Atomstromproduktion war 2006 am höchsten. In den Jahren 1984 und 1985 gingen 33 Meiler erstmals ans Netz, 2018 waren es neun. 1979 waren 234 Meiler im Bau – ein absoluter Höhepunkt, Anfang 2019 waren es 49; 1976 wurde mit dem Bau von 44 Reaktoren begonnen: ein historisches Maximum; 2018 waren es noch fünf.

Zwischen 2008 und Mitte 2018 wurden 55 Atommeiler mit einer Leistung von 49 Gigawatt erstmals ans Netz angeschlossen. Ihre Bauzeit betrug durchschnittlich zehn Jahre. Gleichzeitig wurden jedoch 52 Reaktoren mit einer installierten Leistung von 38 Gigawatt stillgelegt, was einen vernachlässigbaren Nettozuwachs von drei Meilern in einem Jahrzehnt oder einem Gigawatt pro Jahr bedeutet. Während die jährliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahrzehnt enorm zugenommen hat und von 2007 bis 2017 um rund 4000 Terawattstunden (TWh) gestiegen ist, nahm die Atomstromproduktion um 110 TWh ab.