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Vom 26. bis 28. November 2019 luden die Rosa-Luxemburg-Stiftung und das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau zur Debatte mit Aktivist*innen und Expert*innen aus Russland.

Die Delegation aus Russland repräsentierte dabei einen breiten Querschnitt der Projektpartner*innen und der Kontakte der RLS Moskau. Sie setzte sich aus Gewerkschaftern der «Konföderation der Arbeit», Wissenschaftler*innen verschiedener Universitäten und Institute aus Moskau und der Peripherie – von Vladivostok bis Volgograd, von Ulan-Ude bis Ufa zusammen. Aktivist*innen aus dem Kulturhaus «Rosa» waren vertreten, ebenso ein Abgeordneter von Gerechtes Russland aus der Staatsduma.

Sie alle arbeiten in unterschiedlichen Bereichen: in der urban art, der feministischen Forschung, der Stadtforschung in der Provinz, der marxistischen Forschung, der «Volksdiplomatie» und den Gewerkschaften. Die Veranstaltung bot den Teilnehmenden aus Deutschland die Möglichkeiten verschiedene Perspektiven aus bzw. auf die russländische Gesellschaft kennenzulernen und zu diskutieren. Für die Teilnehmenden aus Russland ergab sich die Möglichkeit ihre Arbeit darzustellen, die Probleme der Linken in Deutschland kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.


Der erste Tag war dem Internationalismus gewidmet. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Runden Tisch, der Teilnehmende aus Russland und Deutschland versammelte. In der Diskussion wurden nicht nur die Perspektiven, sondern auch die Probleme des internationalen Austauschs zwischen Russland und Deutschland im Allgemeinen und unter Linken im Besonderen diskutiert. Der Einsatz für Frieden und Verständigung zwischen Deutschland und Russland, der Kampf um soziale Rechte und der Umgang mit der Vergangenheit in Russland und Deutschland wurden besprochen. In vielen Punkten seien Anknüpfungspunkte für Linke in beiden Ländern vorhanden, allerdings wurden auch Probleme angesprochen. So fehle es teilweise an Ansprechpartner*innen im jeweils anderen Land, zum Beispiel im Feld des Antimilitarismus. Trotzdem waren sich die Teilnehmer*innen einig, dass der Austausch wichtig sei und vertieft werden solle.

An die Diskussion schloss sich die Eröffnung der Ausstellung «Die Weltpartei aus Moskau» über die Geschichte der Komintern an. In den einleitenden Worten von Vladimir Fomenko (RLS Moskau) und Wladislaw Hedeler (Kurator der Ausstellung) wurde darauf hingewiesen, dass die Kenntnis der Erfahrung der Komintern für einen neuen Internationalismus wichtig sei. Nicht als Leitbild für die Zukunft, sondern als Wissen um die historische Erfahrung und ihre Probleme.

Am zweiten Tag wurde in Arbeitsgruppen zwischen Expert*innen und Aktivist*innen aus Russland und Deutschland entlang vier konkreter Themenkomplexe diskutiert: Feminismus, Regionalpolitik, Stadtpolitik und Proteste. In ihren Impulsreferaten skizzierten die Teilnehmer*innen ihre politischen Rahmenbedingungen, Zugänge und Projekte, um Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede herauszuarbeiten. In der Arbeitsgruppe zu Feminismus wurde der patriarchale Konsens als Problem für feministische Kämpfe, vor allem anhand der Frage des Rechts auf Abtreibung und der häuslichen Gewalt diskutiert. Die Perspektive für einen gemeinsamen feministischen Kampf war dabei leitend in der Diskussion.

In der Gruppe zur Regionalpolitik stellten die Diskutierenden fest, dass regionale Ungleichheiten in beiden Ländern zu finden sind, aufgrund der geographischen Größe Russlands diese aber umso drastischer dort zutage treten.

Die Arbeitsgruppe zur Stadtpolitik diskutierte verschiedene Zugänge in diesem Feld: Von der street art über das Kulturhaus «Rosa», die Regierungspolitik in Berlin und Antigentrifizierungsproteste in Leipzig bis zur Situation der zentralasiatischen Diaspora in Moskau und Solidarity Cities. Dabei wurde deutlich, dass vor allem die Zentren wie Moskau und Berlin die Kulminationspunkte von stadtpolitischen Protesten sind.

In der Arbeitsgruppe zu Protestbewegungen wurden die Proteste in Russland infolge der Erhöhung des Renteneintrittsalters, der Nichtzulassung unabhängiger Kandidat*innen zu den Moskauer Stadtparlamentswahlen und zum G20 in Hamburg diskutiert. Neben deren Anlässen und Inhalten wurde auch das polizeiliche Reagieren auf Proteste in beiden Ländern diskutiert.


Abgeschlossen wurde der Tag mit einer Podiumsdiskussion, unter anderem mit Oleg Shein (Dumaabgeordneter, Gerechtes Russland), Kerstin Kaiser (Rosa-Luxemburg-Stiftung Moskau) und Boris Krawtschenko (Vorsitzender «Konföderation der Arbeit»). Der Abend wurde von Dagmar Enkelmann (Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung) mit einem Grußwort eröffnet und sie betonte, wie wichtig der Austausch zwischen Russland und Deutschland für die Rosa-Luxemburg-Stiftung sei. Auf dem Podium wurden verschiedene mögliche Formen und Anlässe des Austausches diskutiert, zum Beispiel Städtepartnerschaften als Feld für zivilgesellschaftliche Kontakte oder der 75. Jahrestag der Befreiung. Probleme wie die Kooperation nationalistischer und extrem rechter Kräfte nicht nur in Deutschland und Russland sondern europaweit sowie die derzeit unzureichende Vernetzung linker Kräfte wurden angesprochen. So kritisierte Kerstin Kaiser, dass der Partei DIE LINKE eine eigene außenpolitische Strategie fehle. Stefan Liebich betonte, dass DIE LINKE alle Völkerrechtsverletzungen verurteile, so auch im Falle der Krim. Trotzdem müsse aber der Dialog zwischen Russland und Deutschland intensiviert werden. In diesem Punkt waren sich auch alle Diskutant*innen einig. Es bedürfe mehr Kontakte und Gespräche zwischen Deutschland und Russland - nicht nur, aber gerade auch unter Linken.
Am dritten und letzten Tag diskutierte ein Teil der Delegation die Perspektiven von Kunstprojekten als Mittel des politischen Aktivismus, während ein anderer Teil im Karl-Liebknecht-Haus über die Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen Linken in Russland und Deutschland und die möglichen Themen für einen weiteren Austausch oder gar eine Kooperation sprach.

Abgeschlossen wurde die Veranstaltung durch einen Besuch im Bundestag, wo Andrej Hunko (MdB, DIE LINKE) die Teilnehmer*innen empfing und sich trotz der späten Stunde für alle Fragen der Delegation viel Zeit nahm.
Die Veranstaltung bot dem Publikum in Deutschland insgesamt die Möglichkeit sich nicht nur mit der Arbeit der RLS in Russland besser vertraut zu machen, sondern auch in verschiedenen Formaten mit Expert*innen, Aktivist*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen aus Russland zu diskutieren. Diese Veranstaltung leistete damit hoffentlich einen kleinen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verständnis der Linken in Russland und Deutschland.