News | Deutsche / Europäische Geschichte - GK Geschichte Große Biographie über Franz Marc (1880-1916), Mitgründer der Künstlergemeinschaft "Der blaue Reiter"

Information

Author

Bernd Hüttner,

Einen „Augenmenschen“ nennt Brigitte Roßbeck in ihrer spannenden Biographie den Künstler Franz Marc. Dieser ist, am 8. Februar 1880 geboren, vor allem als Mitinitiator der Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ bekannt. Charakteristisch für ihn sind etwa die Bilder „Blaues Pferd I“ (1911) oder “Der Turm der blauen Pferde“. Seine Karriere ist indes relativ kurz. Bekannt wird Marc erst ab 1910, und am 4. März 1916 stirbt er als Soldat in Frankreich an der Westfront.

Roßbeck legt nach eigenen Worten mit ihrem Buch „die erste umfassend recherchierte Darstellung“ von Marc, „seiner Herkunft und Erziehung, seiner Persönlichkeit und seines Schaffens“ vor. Sie konnte autobiographische Aufzeichnungen von Maria Marc ersteigern und auswerten.

Der 1839 geborene Vater von Marc ist bereits Maler, und Marc will ihm nacheifern, 1901 schreibt er sich an der Akademie der Künste in München ein. Sein älterer Bruder Paul bleibt Zeit seines Lebens eine wichtige Bezugsperson für ihn. Bald beginnen auch erste, komplizierte amouröse Verwicklungen, die im Buch ausführlich referiert werden. Die acht Jahre ältere Nachbarin Anette Simon finanziert ihm ein „Liebesnest“, dieser Kontakt besteht bis 1904. Anfang 1907 heiratet Marc die 11 Jahre ältere Marie Schnür, nach der bald erfolgten Trennung übernimmt er ihre Wohnung und ihr Atelier. Vorher, im Februar 1905 trifft er erstmals die drei Jahre ältere Maria Franck, seine spätere Lebensbegleiterin. Es erfordert einiges Geschick und Planung diese ganzen Kontakte zu planen. Marias Eltern wissen sehr lange nichts von Marcs Ehe mit Schnür und den daraus resultierenden Problemen.

Marc ist immer tätig, wohl auch öfter melancholisch und von Selbstzweifeln geplagt. Der „Geldpunkt“ drückt ihn immer wieder, 1907 hat er noch keine Aussicht auf Geldeinnahmen aus seiner Kunst. Maria und er können erst sehr spät heiraten, da sie gerichtlich als Grund für die Trennung von Marie festgelegt wird, was dann juristisch eine Verheiratung nahezu verunmöglicht – ähnlich ist es bei Kandinsky und Gabriele Münter. 1909 finden die beiden Marcs ihre Dependance in Sindelsdorf, wo sie eine kleine Wohnung und ein Atelier anmieten. Im Dezember 1909 findet im Rahmen der Neuen Künstlervereinigung München die erste Ausstellung statt: Den Werken von Jawlensky, Kandinsky, Marc, Münter und Werefkin wird mit Unverständnis begegnet, ja sie werden mit Häme überzogen.

Anfang 1910 treffen sich Marc und der damals erst 23-jährigen August Macke das erste Mal. Marc erkennt in ihm einen Gleichgesinnten und nennt ihn sofort einen „Glücksfall“ und mit dem Wissen von heute kann man sagen, dass er Recht hatte. Macke vermittelt Marc den Mäzen Bernhard Koehler, einen Onkel von Mackes Frau Elisabeth. Koehler zahlt Marc monatlich eine feste Summe. Anfang 1911 ergreift Marc in der Debatte um den nationalistischen Protest von Carl Vinnen gegen eine vorgeblich „undeutsche“ Ankaufspolitik deutscher Museen medial Partei für den innovativen Flügel, der expressionistische oder französische Gegenwartskunst fördern will. Auch privat bleibt es turbulent, eine Heirat in England klappt aus unbekannten Gründen nicht, trotzdem verkündet Marc Verwandten und Bekannten schriftlich die Vermählung. Die Ehe bleibt kinderlos, ebenso wie jene seines Bruders.

Durch das Zusammentreffen mit Macke und auch Kandinsky kommt es im Mai 1912 zur Gründung der Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ in München. Marc und Kandinsky monopolisieren diese Vereinigung, bzw. versuchen dies. Dieser und andere (interne) Konflikte werden von Brigitte Roßbeck ausführlich dargestellt: Macke fühlt sich ausgebootet, er und Marc ziehen in ihren Briefen mit in die Kunstgeschichte eingegangen abwertenden Äußerungen über Gabriele Münter her, Marc und Kandinsky treten schließlich aus.

Ab 1911 publiziert und schreibt Marc auch viel, er nimmt 1912 an der Sonderbund-Ausstellung in Köln und im September 1913 am Ersten Deutsche Herbstsalon der Galerie „Sturm“ von Herwarth Walden teil. Beide gelten später als die Ausstellungen, die dem Expressionismus in Deutschland zum Durchbruch verhelfen.

Privat geht es auch voran: Im Juni 1913 können Franz Marc und Maria Francke endlich heiraten – kaum ein Jahr später jedoch, am 4. August 1914 tritt Macke seinen Militärdienst an, auch sein Bruder ist an der Front, überlebt aber den Weltkrieg. August Macke ist ebenfalls im Kriegseinsatz, er stirbt bereits am 26. September, Marc verfasst dazu sich heute gruselig lesende Zeilen der Rechtfertigung.

Am 8. Dezember 1914 stirbt ein Bruder von Maria im Lazarett. Maria Marc ist seit Beginn des Krieges dessen Gegnerin und dokumentiert damit mehr Weitsicht als ihr Mann. Maria Marc geht zum Sommersemester 1923 noch als Studentin ans Bauhaus, trifft dort Kandinsky und Klee wird dann aber vor allem eine umsichtige, kluge und strategisch denkende Verwalterin und Verwerterin des Nachlasses. In München sind 1937 Werke von Marc in der Nazi-Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen, sie werden aber, bevor die Ausstellung dann im deutschen Reich gezeigt wird, nach Protesten entfernt. Maria Marc schließlich stirbt 1955.

In dieser umfangreichen Biographie, die sich auf viele Quellen stützt, steht Marc als der private Mensch im Vordergrund, sein Wohnen, seine Liebschaften, die Eitelkeiten und Freundschaften. Das künstlerische bleibt demgegenüber im Hintergrund. Wie in vielen Künstlerbiographien wird auch hier berichtet, dass das Geld knapp ist, im Fall von Marc sogar noch nach dem Auftritt von Bernhard Koehler. Wie die ökonomischen Verhältnisse genau waren, wie z.B. die Reisen finanziert wurden, bleibt im Dunkeln. Ein Personenregister schließt diesen lesenswerten Band, der kunsthistorische Anteile hat, ab.

Bernd Hüttner

Brigitte Roßbeck: Franz Marc. Die Träume und das Leben, Siedler Verlag, München 2015, 352 Seiten, 24,99 EUR