Ursula war eine der ‚Alt-Feministinnen‘, von der ich nicht weiß, wann ich sie kennengelernt habe, weil ich sie eigentlich schon immer kannte. Sie war eine derjenigen, die sich stets und über alle Zeiten zum Feminismus bekannt hat, auch wenn dies nicht ‚modern‘ war. Als ich ihr das letzte Mal begegnete, erzählte sie mir voller Stolz, dass nun junge Frauen das FFBIZ übernommen haben und es in guten Händen ist. Das FFBIZ, das Frauenforschungs-, Bildungs- und Informationszentrum e.V. in Berlin war – neben anderen Aktivitäten – ihre Herzensaufgabe. Sie hat es (mit)gegründet. Dass es sich durch die (nicht nur) finanziellen Schwierigkeiten durch die Jahre bringen konnte, war vor allem ihr Verdienst. Und darauf, dass es nach ihrem «Ruhestand» von jungen Menschen weitergeführt wurde, war sie zu Recht stolz. Das haben nicht alle Gründerinnen für ihre Projekte geschafft.
Gisela Notz ist Mitglied des Gesprächskreises Geschichteder Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie war viele Jahre Redakteurin der Zeitschrift beiträge zu feministischen theorie und praxis.
Was viele vielleicht nicht mehr wissen: Das FFBIZ wurde 1973/74 als vorläufige Sammlung des Lesbischen Aktionszentrums begonnen und 1978 - 10 Jahre nach dem legendären Tomatenwurf – gegründet. Das FFBIZ war bewusst ein außeruniversitäres wissenschaftliches Projekt. Es verstand sich, wie andere Einrichtungen der autonomen Frauenbewegung als Kritik an der etablierten herrschenden Wissenschaft und Forschung, die Frauen – bevor die Frauen- und Geschlechterforschung entstand – sowohl als Subjekt als auch als Objekt – weitestgehend ausschloss und nur reduziert und verzerrt wahrnahm. Das FFBIZ vertrat seit der Gründung 1978 eine historisch-kritische Geschlechterforschung, die durch den Einfluss der autonomen Forscherinnen auch die universitäre Forschung und Lehre verändert hat. An der FFBIZ-Gründung beteiligten sich Frauen verschiedener Kontinente und etliche Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichen damals sogenannten «Entwicklungshilfe-Einrichtungen»; jahrelang gab es eine aktive Arbeitsgruppe internationaler Frauen im FFBIZ. Daher wurden außer Materialien aus und über Berlin und die Bundesrepublik auch Frauenbewegungsdokumente aus nahezu allen Teilen der Welt gesammelt, erschlossen und zur öffentlichen Nutzung bereitgestellt. Die Bestände des Archivs sind seit der Gründung des FFBIZ kontinuierlich gewachsen. Die Erfahrungen des FFBIZ wurden von ähnlichen Einrichtungen in anderen Orten aufgenommen.
Wie viele Frauenprojekte litt das FFBIZ unter ständigem Geldmangel und war nur durch viel Gratisarbeit zu retten. Dass das Archiv daran nicht zugrunde ging, sondern eine der größten Sammlungen zur Frauenbewegung seit Anfang der 1970er Jahre wurde, ist Ursula zu verdanken. Schließlich musste die autonome Staatsknete-Abneigung überwunden werden, das war kein leichter Prozess, rettete jedoch das Projekt. Dass sie am 10. Dezember 2014 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland genommen hat, verwunderte mich. Schließlich hätte dieser Staat ihrem Herzensprojekt lieber den Geldhahn zugedreht. Als das FFBIZ im Jahr 2018 sein 40 jähriges Bestehen feiern konnte, wurde auch Ursula von ihren fitten jungen Nachfolgerinnen im Rahmen des FFBIZ Oral-History-Projekts interviewt So können wir sie noch einmal erzählen lassen, wie das alles damals wirklich war. Vermissen werden wir sie dennoch, denn eine wie sie vergisst man nicht.