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Frauenfeindliche Darstellungen in populären Serien haben konkrete Auswirkungen auf das reale Leben

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Merve Namlı,

Istanbul, 8. März 2012: Femen-Aktivistinnen protestieren gegen Gewalt gegenüber Frauen am Internationalen Frauenkampftag
Istanbul, 8. März 2012: Femen-Aktivistinnen protestieren gegen Gewalt gegenüber Frauen am Internationalen Frauenkampftag, shutterstock

Im Jahr 2018 führte die Rundfunkaufsichtsbehörde der Türkei (RTÜK) eine «Umfrage zu Fernsehtrends» durch. Befragt wurden 2600 Personen ab 15 Jahren in 26 Städten zu ihrem Fernsehkonsum. Das Ergebnis: Hinter Nachrichten, die als am häufigsten genutztes Format durchschnittlich an 24 Tagen im Monat konsumiert werden, liegen Fernsehserien mit durchschnittlich 15 Tagen im Monat.  Eines der auffälligsten Merkmale türkischer Serien sind dabei ihre Gewaltdarstellungen.

«Insbesondere durch Fernsehserien, die alle Arten von Gewalt zeigen, wird Gewalt nach einer Weile vom Publikum internalisiert und sogar gerechtfertigt. Diese Situation wirkt sich nicht nur negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus. Die Serien bieten zu Gewalt neigenden Menschen außerdem eine legitimierende Grundlage für deren (Gewalt-)Handlungen, die sie vorgenommen haben oder noch vornehmen werden.» (RTÜK 2018: 63)

Kommunikationswissenschaftler George Gerbner (1919-2005)  hat über 30 Jahre untersucht, ob und wie Fernsehgewalt von den Zuschauer*innen verinnerlicht und gerechtfertigt wird. Dieser sogenannte Kultivierungsansatz nach Gerbner untersucht den langfristigen und kumulierten Einfluss von medialen Stimuli, d.h. es geht um den Einfluss von durch das Fernsehen verbreitete Sachverhalte auf spezifische Gedächtnisinhalte und damit auf die mentalen Repräsentationen, die wiederum für die Wahrnehmung und Beurteilung der sozialen Realität herangezogen werden (Gerbner et. al. 1986). Ausgehend von der Tatsache, dass die mediale Berichterstattung die soziale Realität verzerrt darstellt, ist die wesentliche Annahme Gerbners, dass Vielseher*innen, sprich Personen mit einem hohen TV-Konsum, eher Aspekte der TV-Realität in ihre mentalen Vorstellungen übernehmen als Wenigseher*innen. So sind die Wenigseher*innen den medialen Stimuli per se weniger ausgesetzt und können diese eher durch andere Erfahrungsquellen ausgleichen (Gerbner/Gross 1976). Der Kultivierungsansatz erklärt damit medial ausgelöste kognitive Phänomene an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Individuum und bindet die Medien in den Konstruktionsprozess sozialer Realität ein[1].

Merve Namlı ist eine Autorin, die intersektional Feminismus-Perspektiven in den Blick nimmt. Als qualifizierte Konferenzdolmetscherin arbeitet sie seit zehn Jahren für diverse öffentliche Institutionen. Sie engagiert sich als Aktivistin in antirassistischen und feministischen Initiativen und Kollektiven in der Türkei und in Europa und kuratiert und veranstaltet Konzerte und Festivals für unterrepräsentierte BiPOC-Künstler*innen.

In diesem Text beschäftige ich mich mit der Darstellung sexualisierter Gewalt in türkischen Fernsehserien. Die zentrale These lautet, dass die regelmäßige Ausstrahlung von unkritischen Narrativen und Darstellungen sexualisierter Gewalt zwangsläufig Auswirkungen auf die Wiederholung derartiger sexualisierter Gewalt im realen Leben der betreffenden Gesellschaft haben. Gerade deswegen ist es von besonderer Relevanz, die sozio-kulturellen Inhalte der Serien, die auf sexualisierten Narrativen und Darstellungen beruhen, um diese sprichwörtlich zu kapitalisieren, zu untersuchen. Ich verfolge, anlehnend an Gerbner, einen feministischen Kultivierungsansatz und verbinde diese Perspektive mit einer  geschlechterkritischen Inhalts- und Diskursanalyse von visuellen, verbalen, akustischen und schriftlichen Darstellungen in türkischen Fernsehserien.

Fallbeispiele: Iffet, Sen Anlat Karadeniz, Fatmagül’ün Suçu Ne?

In türkischen Fernsehserien sind überwiegend Frauen Opfer von Gewalt. Die Fernsehserien stellen Frauen dar, die von vielen verschiedenen Arten von Gewalt – tödlicher, körperlicher und sexueller (Gruppen-)Gewalt – betroffen sind. Bei der Betrachtung von Szenen, in denen sexualisierte Gewalt gezeigt wird, ist bemerkenswert, dass anstelle der durchgeführten Gewalttaten eher erotische oder sogar humoristische Aspekte im Mittelpunkt stehen und hervorgehoben werden. Der strukturelle Charakter sexualisierter Gewalt wird weder thematisiert noch kritisiert. Es kann angenommen werden, dass diese Serien, sexualisierte Gewalt unkritisch darstellen, damit normalisieren und zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil einsetzen. Um diese Annahme empirisch zu belegen, werden hier exemplarisch drei Vergewaltigungsszenen aus drei türkischen Fernsehserien analysiert.

Die Serie, Iffet (Ehre) wurde zwischen dem 17. September 2011 und dem 24. September 2012 auf Star TV, einem privaten türkischen Fernsehsender ausgestrahlt. Die erste Episode der Serie zeigt eine erotisierte Vergewaltigungsszene: Die Protagonistin Iffet und der Protagonist Cemil küssen sich in Cemils Auto, das mitten im Wald geparkt ist. Im Hintergrund läuft romantische Musik. Als Cemil mehr als den Kuss will, lehnt Iffet ab und steigt aus seinem Auto aus. Ihre Tränen spiegeln Iffet‘s Enttäuschung wider. Durch ihre Äußerungen wird klar, dass Cemil sie bereits vorher schon mal zum Sex gezwungen hatte. Draußen bahnt sich ein Gewitter an. Während Iffet mit dem Rücken zum Auto gewandt zu Cemil spricht, hört dieser ihre Worte nicht, sondern versichert sich, ob es in der Nähe Zeugen*innen geben könnte, die das Geschehene mitbekommen haben. Die Kameraführung suggeriert, dass Cemil Iffet’s Hinterteil beäugt. In seinen Augen ist jetzt ein gieriger Ausdruck. Langsam beginnt es zu regnen. Diese Szene wird von dramatischer Musik und verstärkten Geräuscheffekte des Regens begleitet. Der immer noch im Auto sitzende Cemil sagt zu Iffet, die noch immer vor dem Auto steht, dass sie nass werde. Er hält die Jacke in der Hand und ruft sie zurück zum Auto. Als sie sich durch das Heckfenster des Autos beugt, um ihre Jacke zu holen, beginnt Cemil das Fenster zu schließen. So sperrt er Iffet‘s Oberkörper zwischen Fensterglas und Autodecke ein. Iffet ist eingeklemmt und kann ihren Oberkörper nicht mehr aus dem Autofenster befreien. Da steigt Cemil aus dem Auto aus. Die Szene bricht ab und der Rest bleibt der Fantasie des Publikums überlassen. Am Ende der Szene zeigt die Kamera Gänseblümchen. Diese gelten in der Türkei als Symbol der Unschuld.

Die Brutalität dieser Vergewaltigungsszene wird durch die narrative Struktur der Kamerabewegungen erotisiert. Von dem Moment an, in dem klar ist, dass der Protagonist die Protagonistin vergewaltigen wird, werden die Aufnahmen langsamer. Der Blick der Kamera schaut auf den weiblichen Körper; die Frau wird durch die Kamerabewegungen wie tilt-up/down als «gesehen» positioniert. Der Täter beansprucht Rechte auf den weiblichen Körper, welcher Gegenstand seines Blicks ist. Damit macht die Serie eines klar: Nicht nur die fiktive Figur Cemil hat das Recht, eine Frau zu vergewaltigen. Diese Bilder führen zu einem sehr ernsten sozialen Trauma, das männlichen Zuschauer dazu bringen kann, dieses Recht auf sich selbst zu beziehen. Und leider hat diese Serie tatsächlich andere Männer dazu inspiriert, Frauen im wirklichen Leben zu vergewaltigen. Einem Beitrag aus der türkischen Zeitung Cumhuriyet vom 23. März 2012 zufolge, kontaktierten insgesamt sieben Frauen die Föderation der Frauenverbände der Türkei (FWAT) und berichteten, dass sie nach der Ausstrahlung der Vergewaltigungsszene auf dieselbe Art vergewaltigt worden sind.

Die zweite Serie, die sexualisierte Gewalt sowohl erotisiert wie auch humorisiert, ist Sen Anlat Karadeniz (Erzähl du es ihnen, Schwarzes Meer). Die Serie wurde zwischen dem 24. Januar 2018 und dem 13. November 2019 auf dem türkischen Privatsender ausgestrahlt. In der 24. Episode der Serie bereitet sich Vedat, eine männliche Figur der Serie, darauf vor, seine Frau Nazar in der ersten Nacht nach ihrer Hochzeit zu schlagen und zu vergewaltigen. Während Vedat ganz langsam einen Gürtel durch seine Hand gleiten lässt, erklingt klassische Musik im Hintergrund. In dem Moment, als Vedat die Treppe zum Schlafzimmer hinaufsteigt, werden die Kameraaufnahmen langsamer und verschwimmen von Zeit zu Zeit. Beim Öffnen der Tür des Schlafzimmers, in dem Vedat Nazar eingeschlossen hat, werden spezielle Soundeffekte angewendet, um die Spannung noch zu steigern. Nazar sitzt dabei nur in einem von Kerzenlicht beleuchteten Raum. Sie scheint voller Angst zu sein. Danach bricht die Kamera ab und der Rest der Szene bleibt auch in diesem Fall der Vorstellungskraft der Zuschauer*innen überlassen. 

In dieser 90-Sekunden-Szene sehen wir den Täter Vedat, der sich langsam auf einen gewalttätigen Angriff vorbereitet. Die Kamera fokussiert sich wieder nur auf seinen Blick, den male gaze. Die Kamera zeigt die Vorbereitungen Vedats in ziemlich langen und langsamen Einstellungen, während sie die ängstlichen Augen des Opfers Nazar nur wenige Sekunden lang zeigt. Die elektrisierende Musik und die verträumten Kamerabewegungen erzeugen ein beschönigendes Gefühl, und verschleiern, dass bald etwas Schreckliches passieren wird. Dieser märchenhafte Stil der Szene lässt vermuten, dass die Serie Sen Anlat Karadeniz mehr damit beschäftigt ist, Sympathie mit dem Täter zu erzeugen, als Empathie für das Opfer herzustellen.

Die Ankündigungstexte dieser Serie behaupten, sie würde ein Bewusstsein für sexualisierte Gewalt schaffen. Daher ist es erschreckend zu sehen, dass bei Szenen, die sexualisierte Gewalt zeigen, sogar Humor als Mittel der Verharmlosung eingesetzt wird. In der fünften Folge der Serie geht Saniye Hanım zum Haus von Türkan, Mercan und Nazar. Saniye Hanım sagt, dass ihr Sohn Tahir bereit sei, Mercan zu heiraten. Mercan‘s Schwester Nazar weiß jedoch, dass Tahir in Nefes verliebt ist und fragt daher, wo Tahir sei und weshalb er nicht zusammen mit seiner Mutter gekommen ist, wenn er Mercan doch wirklich heiraten wolle. Saniye Hanim schaut Nazar nur böse an, gibt ihr aber keine Antwort, sondern sagt zu Nazar‘s Mutter: «Verstehe mich nicht falsch, Türkan, aber möge Allah dem Mann helfen, der dieses Mädchen heiraten wird. Deshalb habe ich Mercan als Tahirs Braut gewählt.» Damit macht Saniye Hanım deutlich, dass Frauen grundsätzlich keine Fragen stellen sollten, sondern vielmehr – wie Mercan – kaum sprechen und ihrem Mann sowie dessen Familie bedienen sollen. Die anderen Figuren kritisieren diese sexualisierte Rhetorik von Saniye Hanim nicht. Im Gegenteil: Der übertriebene Gesichts- und Körperausdruck dieser Figuren sowie die unterhaltsame Musik, die in der Szene gespielt wird, humorisiert die sexualisierte verbale Gewalt gegen Frauen wie Nazar, die Dinge hinterfragen.

Das dritte Fallbeispiel, in denen Vergewaltigung nicht nur erotisiert, sondern auch normalisiert wird, ist Fatmagülün Suçu Ne? (Was ist Fatmagüls Schuld?). Die Serie wurde zwischen dem 16. September 2010 und dem 21. Juni 2012 auf Kanal D, ebenfalls ein privater Fernsehsender, ausgestrahlt. Wie bei Iffet wird in der ersten Folge bereits eine Vergewaltigungsszene gezeigt:  Die Protagonistin Fatmagül – sie trägt ein rotes, knielanges Kleid – kehrt nach Hause zurück, als vier betrunkene Männer – alle tragen helle Kleidung – ihr den Weg abschneiden und anfangen, sie zu belästigen. Sie drücken sie zu Boden und knebeln sie, damit sie nicht fliehen oder um Hilfe schreien kann. Einer der Männer schüttet Alkohol über ihren Körper und beginnt sie zu begrabschen. Schließlich wird Fatmagül von den drei Männern vergewaltigt.

Als Mustafa, Fatmagüls Verlobter, von der Vergewaltigung erfährt, besucht er sie im Krankenhaus, um ihr «seine Liebe und Solidarität» zu zeigen, indem er ihren Oberkörper im Krankenhausbett schüttelt, und Fatmagül, die aufgrund der Vergewaltigungstrauma kurzzeitige Sprachstörung hat, dazu drängt, die Namen der Täter zu nennen. Ihr Familie und die Gesellschaft, die sie kennt, denken auch, dass sie jetzt «befleckt ist» und unterstellen ihr, dass sie die Schuld an der Vergewaltigung trägt, da sie allein im Dunklen draußen unterwegs war. Den Tätern wird keine Schuld zugesprochen. Da Fatmagül nun keine Jungfrau mehr ist, ist eine «reine» Ehe für sie keine Option mehr. Aus diesem Grund ist sie gezwungen, Kerim zu heiraten, der bei der Vergewaltigung anwesend war, sich jedoch nicht «aktiv» beteiligte.  Er schien aber, wie die anderen drei Männer in der Szene, viel Spaß daran zu haben und lachte, während seine Freunde Alkohol über Fatmagül‘s Körper schütteten. Damit stellt die Serie die Ehe mit dem Täter, der zum Zeitpunkt der Vergewaltigung anwesend war, als einzige Überlebens- und Lebensmöglichkeit für Fatmagül dar. Von ihr wird erwartet, dass sie seine Gewalt normalisiert und ihn heiratet. Es werden keine unabhängigen Lebensmöglichkeiten oder andere Optionen, die die Frau nicht dazu drängt, ihren Täter zu heiraten, um ihre «Ehre» zu retten, gezeigt. Sobald sich die Gewalt normalisiert hat, «verlieben» sich Fatmagül und Kerim irgendwann.

Resümee und Ausblick

Die überaus erfolgreiche und damit einflussreiche Fernsehserien Iffet, Sen Anlat Karadeniz und Fatmagül’ün Suçu Ne erotisieren, humorisieren und/oder normalisieren sexualisierte Gewalt, ohne jemals ernsthaft sexualisierte Gewalt strukturell zu kritisieren. Mit den sexualisierten Gewaltdarstellungen in diesen Serien wird ein «unsichere Welt Syndrom» für Frauen erzeugt. Frauenfiguren, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, haben in den Fernsehserien generell nur zwei Möglichkeiten. Zum einen wird die Gewalt zum «Schicksal» und «Unglück» einer Frau erklärt. Ein Beispiel hierfür sind die religiösen Ratschläge der männlichen Figur Osman Hoca in der ersten Episode der Serie Sen Anlat Karadeniz. Osman Hoca zufolge würden die Betroffenen sexualisierter Gewalt in der anderen Welt, sprich nach dem Tod, belohnt werden. Frauen, so die Botschaft, sollen also nicht nur mit Gewalt umgehen lernen, sondern sie darüber hinaus als göttliche Aufgabe oder Bürde interpretieren. Zum anderen werden von Gewalt betroffene Frauen von «guten Männer» «gerettet», was z.B. die Ehe zwischen Fatmagül und Kerim zeigen soll. Beide Optionen sprechen von Gewalt betroffenen Frauenfiguren, ja Frauen allgemein, weder Handlungsvollmacht noch einen tatsächlichen Ausweg aus der Gewaltspirale zu. Diese Perspektiven sind sehr gefährlich, weil sie die Tatsache ignorieren, dass sexualisierte Gewalt ein strukturelles und kein individuelles Problem ist.

Türkische Fernsehserien sind nicht nur in der Türkei, sondern auch international ein großer Erfolg. Laut der Forschung von Deloitte[2] «Die buntesten Bildschirme der Welt: Der Fernsehserien-Sektor in der Türkei» von 2014 erreichen türkische Fernsehserien 400 Millionen Zuschauer*innen in 75 Ländern. Sogar der Streaming-Dienst Netflix produzierte seit 2018 fünf eigene türkischsprachige Fernsehserien. Damit sind Fernsehserien in der Türkei ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Serien-Industrie in der Türkei produziert spannende, aber leicht verständliche Geschichten, die auf eine schnelle und unkomplizierte Art hergestellt werden können und gleichzeitig kompatibel für den internationalen Export sind. Dabei werden die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen dieser «unkomplizierten» Geschichten zu Gunsten kurzfristiger Gewinne ökonomischer Natur ignoriert.

Um die sogenannte ökonomische Nachfrage zu erfüllen, kapitalisieren türkische Fernsehserien die weiblichen Körper und die Identität als Frau. Sie verbreiten erotisierte, humorisierte und normalisierte sexualisierte Gewalt, statt sexualisierte Darstellungen zu kritisieren und andere Bilder zu entwickeln. Die regelmäßige Ausstrahlung sexualisierter Gewaltdarstellungen haben zwangsläufig Auswirkungen auf die Wahrnehmung sexualisierter Gewalt im non-fiktiven Leben der betreffenden Gesellschaft. Denn diese Darstellungen wecken Sympathie für die Vergewaltiger und «inspirieren» – wie im Fall Iffet geschehen – Nachahmer.

Bis heute hat die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde keine Vorschriften gegen die sexualisierten Gewaltdarstellungen in Fernsehserien, die die Sicht der Gesellschaft auf Frauen so toxisch prägen, erlassen. Der wirtschaftliche Gewinn scheint wichtiger zu sein, als die schrecklichen und manchmal sogar tödlichen Auswirkungen dieser Szenen auf Frauen und die Gesellschaft im Allgemeinen. Unabhängige und zivilgesellschaftliche feministische Organisationen in der Türkei, u.a. Uçan Süpürge (Fliegender Besen), Mor Çatı (Lila Dach) oder Bianet, kritisieren immer wieder die sexualisierten Gewaltdarstellungen in türkischen Fernsehserien. Dennoch nehmen die Einschaltquoten sowie die Anzahl solcher Serien kontinuierlich zu.

 
Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen der Masterarbeit von Merve Namlı, die an der Universität Istanbul eingereicht wurde (Mai, 2019)


[1] Gerth, Sebastian «Visuelle Kultivierung: Eine empirische Studie am Beispiel der Ägyptischen Revolution 2011»

[2] Deloitte ist ein weltweit führender Anbieter von Dienstleistungen in den Bereichen Prüfung und Bestätigung, Finanzberatung, Risikoberatung, Steuern und ähnlichen Bereichen.