Stefan Bollinger, Mitarbeiter des Gesprächskreises Geschichte der RLS hat ein neues Buch veröffentlicht.
LINKE UND NATION. Klassische Texte zu einer brisanten Frage; 176 S., 12,90 Euro, 23,50 sFr.. Edition Linke Klassiker im Promdia-Verlag, Wien
Mit Texten von Karl Marx, August Bebel, Rosa Luxemburg, Josef W. Stalin, Wladimir I. Lenin, Antonio Gramsci, Mao Zedong, Otto Bauer, Karl Radek und anderen.
Die Linke war und ist stolz darauf, internationalistisch zu sein. Ihr Leitspruch war immer “Proletarier aller Ländern, vereinigt Euch!” Und doch stritten Linke auch darum, ob und wie nationale Befreiungskämpfe zu unterstützen seien, ob die Einheit der Nation auch ihr Anliegen sein dürfe. Mehr als einmal wurden sie überrascht, wenn nationale, ja chauvinistische Parolen Arbeiter und Unterdrücker im Kampf gegen andere Chauvinisten vereinten.
Die Erfahrung von 1989/91 mit dem Untergang des Realsozialismus zwischen Elbe und Kamtschatka hat gezeigt, dass die nationale Karte stärker stechen kann als die soziale. Dabei geht es einerseits um die Erbmasse des Sowjetimperiums, andererseits um ethnisch argumentierte Fliehkräfte in asiatischen Staaten, angefangen bei China. Hier, noch mehr in Afrika und teilweise in Amerika, vermengen sich nationale und vornational-tribalistische Konflikte. Aber selbst in den entwickelteren europäischen Regionen funktionieren alte Feindbilder aus einstigen nationalen Unterwerfungen.
Die Furcht vor der Vereinnahmung von Nation, Vaterland und Heimat durch
die Rechte ist ebenso begründet wie entwaffnend. Als Teil eines Kategoriensystems zur wissenschaftlichen Durchdringung des modernen Kapitalismus bleibt die Nation unerlässlich. Als wesentliches Kampffeld im antikapitalistischen und antiimperialistischen Kampf wird sie trotz anderer Angebote, die von der „Region“ über die „Europaidee“ bis zum „Weltbürgertum“ reichen, wichtig bleiben. Jede linke nationale Politik wird sich zwangsläufig gegen Ausgrenzung und Privilegierung wenden, so wie jeder rechter Nationalismus auf genau diese Ausgrenzung und die Privilegierung der eigenen Nation, ihre Vor- und im Extremfall Weltmachtstellung orientiert.
Der vorliegende Band der „Edition linke Klassiker“ bietet eine auch aktuell wichtige Durchsicht linker theoretischer Texte, die sich mit der nationalen Frage beschäftigt haben. Erläuterungen des Herausgebers, Quellenangaben und weiterführende Literaturhinweise machen das Buch zu einer Fundgrube für alle, die in Zeiten von Ethnisierung und nationalen Wahnvorstellungen einen analytisch kühlen Kopf bewahren wollen.
Stefan Bollinger, Jahrgang 1954, studierte Philosophie und Geschichte an
der Humboldt-Universität in Berlin/DDR. 1986 habilitierte er sich zum Thema der Neuen Sozialen Bewegungen. Nach dem Anschluß an die Bundesrepublik ist er einer der Mitorganisatoren einer Zweiten Wissenschaftskultur in Ostdeutschland und arbeitet zu linken Alternativen in Geschichte und Zukunft. Er lebt in Berlin.
Zuletzt gab er in der Reihe „Edition Linke Klassiker“ im Promedia Verlag heraus: „Imperialismustheorien. Historische Grundlagen für eine aktuelle Kritik“ und „Lenin. Träumer und Realist“.