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Am 11. September 2012 starben bei einem Brand in einer Textilfabrik in Karachi 258 Menschen. Ein Film arbeitet auf.

Im November 2018 reiste Saeeda nach Deutschland
Im November 2018 reiste Saeeda, Vorsitzende der Betroffenenorganisation AEFFAA und Mutter eines der Opfer, nach Deutschland, um an der Verhandlung gegen KiK vor dem deutschen Gericht teilzunehmen.

Am 11. September 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi, Pakistan 258 Menschen. Ali Enterprises ist ein Zulieferer der deutschen Marke KiK (Kunde ist König). KiK hatte nicht dafür gesorgt, dass sein Zulieferer Brandschutzvorkehrungen trifft.

Die Fenster waren vergittert und es gab keine Fluchtwege, viele der Arbeiter*innen verbrannten, andere sprangen, um sich zu retten vom Dach oder aus den oberen Stockwerken, erlitten schwere Verletzungen und bleibende Behinderungen.

Eine Reaktion von KiK blieb zunächst aus. Im Dezember 2012 sagte KiK die Zahlung von 1 Millionen US-Dollar in einen Entschädigungsfonds zu, ohne sich jedoch vorher an die Familien der Opfer und an die Überlebenden des Fabrikbrandes zu wenden. Hinterbliebene der Opfer und überlebende Geschädigte organisierten sich als Betroffenenorganisation Ali Enterprises Factory Fire Affectees Association (AEFFAA), um gemeinsam mit der National Trade-Union Federation Pakistan (NTUF) Beweismaterial zu sammeln und eine Klage gegen KiK anzustreben. Der Dokumentarfilm «Discount Workers» begleitet Saeeda, die Vorsitzende von AEFFAA und Mutter eines der Opfer, bei ihrem langjährigen Kampf für Gerechtigkeit. Dieser beginnt mit Besuchen der Hinterbliebenen und Geschädigten bis hin zu ihren Reisen nach Deutschland zu den Gerichtsverhandlungen gegen KiK und zu ihrer Rede vor der UN in Genf.

Vier Betroffene (Hinterbliebene und ein Überlebender) brachten den Fall gegen KiK im März 2015 als Vertreter*innen für AEFFAA unterstützt durch das European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) vor das Landgericht Dortmund. Das Verfahren wurde jedoch im Januar 2019 wegen Verjährung eingestellt. Den Kläger*innen wurde damit nicht nur die Zahlung von Schmerzensgeld, sondern auch die rechtliche Anerkennung der Mitverantwortung von KiK für den Brandschutz bei Ali Enterprises verweigert.

KiK hatte sich zuvor (2016) dem zunehmenden Druck durch Proteste gebeugt und sich mit der International Labour Organisation (ILO), der Clean Clothes Campaign- Kampagne für saubere Kleidung (CCC) und der NTUF auf die Zahlung von 5,15 Millionen Dollar Schadensersatz an die Opfer verpflichtet, um sie für Lohnausfälle und Kosten für gesundheitliche Versorgung zu entschädigen.

Die Entschädigung ist ein historisch beispielloser Erfolg, der am Ende eines langen zivilgesellschaftlichen Protest- und Aushandlungsprozess steht. Mit dem Scheitern des Gerichtsprozesses bleiben jedoch die wichtigsten Fragen nach der Verantwortung von internationalen Unternehmen für die Einhaltung umwelt-, arbeits- und menschenrechtlicher Standards entlang globaler Lieferketten unbeantwortet. Der Fall Ali Enterprises/KiK macht deutlich, dass es ein Lieferkettengesetz braucht, damit Betroffene bei ausbleibenden Maßnahmen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ein rechtliches Instrument haben, um direkt gegen die Unternehmen vorzugehen.

Nur wenige Wochen vor dem Brand erhielt die Fabrik ein SA 8000 Zertifikat des privaten Zertifizierungsunternehmens Social Accountability International durch die Audit-Firma RINA, mit welchem vermeintlich die Einhaltung internationaler Sicherheitsstandards bestätigt wurde. Dies zeigt, dass andere Mechanismen, hier private und intransparente Zertifizierungsmechanismen, wirkungslos bleiben. Die Einhaltung umwelt-, arbeits- und menschenrechtlicher Standards entlang der Lieferkette kann nur durch einen strengen gesetzlichen Rahmen wirksam hergestellt werden.

Sowohl Deutschland, als auch die EU haben sich bisher nicht am UN-Treaty on Business und Human Rights beteiligt, der eine solche globale Verantwortung herstellen soll. In Deutschland kämpft die Initiative Lieferkettengesetz für die Herstellung von Rechtssicherheit für Opfer und Hinterbliebene von Verletzungen der Sorgfaltspflicht durch deutsche Unternehmen.