News | International / Transnational - Europa - Südosteuropa Rama festigt seine Macht

Albanien hat gewählt. Opposition weiter unterlegen. Keine Mandate für neue progressive Linke.

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Arlind Qori,

Foto: Alessandro Giangiulio via flickr CC BY 2.0, Alessandro Giangiulio

Die Ergebnisse der vergangenen Parlamentswahlen in Albanien sind mehr als klar, wenn nicht sogar verhängnisvoll: die absoluten Sieger sind Edi Rama und seine Sozialistische Partei. Mit 48,69% der errungenen Stimmen halten sie nun 74 von 140 Parlamentssitzen. Die Hauptkonkurrenten, die Demokratische Partei (PD) und die Sozialistische Bewegung der Integration (LSI) kommen auf 59 bzw. 4 Mandate. Die Sozialisten Edi Ramas können nun befreit von jedweder technischen Arithmetik regieren. Die restlichen drei Mandate wurden von der Sozialdemokratischen Partei Albaniens gewonnen, einer ehemals kleinen Partei des linken Zentrums, heute aber der verlängerte politische Arm des notorischen Geschäftsmanns Toma Dashi, dem Kontakte zum organisierten Verbrechen nachgesagt werden.

Die ererbte Parteistruktur aus der Zeit des stalinistischen Bürokratismus bringt es mit sich, dass die Sozialistische Partei organisierter und disziplinierter als ihre politischen Rivalen ist. Während ihrer nun achtjährigen Regierungszeit bildete sie zudem eine organische Verbindung zu albanischen Oligarchen heraus, in erster Linie durch neoliberale Reformen wie die ausufernden öffentlich-privaten Partnerschaften und die Intensivierung der Kapitalakkumulation mittels Enteignungen. Die immer engere Beziehung von Parteifunktionären mit der herrschenden ökonomischen Klasse garantierte den Sozialisten eine bessere Startposition schon vor Beginn der Wahlkampagne – ablesbar vor allem am privilegierten Zugang zu den wichtigsten Medienanstalten. Diese Beziehungen garantierten zudem einen ununterbrochenen Geldzufluss.

Arlind Qori ist Aktivist der linken Organisation «Organizata Politike» in Albanien. Er lehrt Politische Philosophie und Ideologiekritik an der Universität von Tirana. Der Artikel ist zuerst erschienen in Bilten, einem Nachrichtenportal in serbokroatischer Sprache, mit dem das Büro Belgrad der Rosa-Luxemburg-Stiftung kooperiert.

Im Rahmen ihrer Kampagne haben sich die Sozialisten als unvermeidliche Sieger präsentiert. Aus dieser Haltung heraus resultierten politische Drohungen und Stimmenkauf. In den vergangenen zwei Jahren, auch weil die PD und die LSI die Kommunalwahlen boykottiert hatten, übernahmen die Sozialisten die volle Kontrolle über die staatliche Administration was es ihnen ermöglichte, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst unter Druck zu setzen. Nicht nur mussten diese selbst den Sozialisten ihre Stimme geben, vielmehr mussten sie ihre Verwandtschaft davon «überzeugen», es ihnen gleichzutun. Abgesehen davon wurden auch Fälle des Stimmenkaufs in den ärmsten Regionen und unter der ärmsten Bevölkerung beobachtet. Doch nicht nur die Sozialisten haben sich dieses Mittels bedient, sondern auch die Opposition, weshalb der Preis pro Stimme in diesem Jahr über den traditionellen 40 Euro lag. Der Opposition fehlen jedoch die Ressourcen, um für Ramas Partei eine ernsthafte Konkurrenz bei diesen «Investitionen» darzustellen.

Für einen politischen Wahlerfolg ist es unerlässlich, dass die Konkurrez schwächer ist. Im Gegensatz zur Sozialistischen Partei, fehlte es der Demokratischen Partei an Disziplin und organisatorischer Stärke. Hinzu kommt, dass es den führenden Parteifunktionären an politischer Vision mangelt und sie zusammengesetzt ist aus einem Konglomerat von Kleinstinteressen, die nur schwer befriedigt werden können. Der aktuelle Parteivorsitzende Lulzim Basha wird als Laufbursche des Parteigründers und ehemaligen Premierministers und Staatspräsidenten Salija Berisha angesehen. Nach den verlorenen Wahlen 2013 setzte Berisha nach innerparteilichen Unstimmigkeiten Basha an die Parteispitze, seitdem genießt er ein Vetorecht auf alle Parteientscheidungen. Die LSI, ihr Oppositionspartner, der formal durch Monika Kryemadhi, in Wirklichkeit aber durch ihren Ehemann, den Staatspräsidenten Ilir Meta geführt wird, versucht wiederum die oppositionelle Übermacht der demokratischen Partei anzufechten. Manchmal scheint es so, dass der wahre politische Konflikt nicht zwischen Regierung und Opposition, sondern innerhalb der Opposition geführt wird. 

Niedergang der Opposition

Das Hauptproblem der Demokratischen Partei besteht in ihrer Beziehung zu den Oligarchen. Aus opportunistischen oder populistischen Gründen werden einige von ihnen, die Edi Rama besonders nahestehend, öffentlich benannt, doch das war es dann auch schon. Der Grund liegt darin, dass auch sie von Oligarchen finanziert werden, die somit das gesamte politische Spektrum abzudecken gedenken. Als zu Jahresbeginn ein Foto von einem Abendessen in Dubai veröffentlicht wurde, auf dem neben dem bekanntesten albanischen Oligarchen Samir Mane auch albanische Politiker zu sehen waren, schnitt sich Lulzim Besha aus dem Foto heraus und bestreitete daraufhin, bei dem Abendessen dabei gewesen zu sein. Während des Wahlkampfes widersetzte er sich den Fragen von Journalisten, er möge die albanischen Oligarchen aufzählen und behauptete stattdessen, es handele sich um ehrenwerte Wirtschaftsleute, die durch Edi Rama in illegale Geschäfte hineingezogen worden seien. Um die ganze Sache noch schlimmer zu machen, beinhaltete das Programm von Berishas Partei sogar noch schärfere Wirtschaftsmaßnahmen, einschließlich eines Einheitssteuersatzes („Flat-Tax“) von 9% und der Einführung von Gutscheinen im Gesundheitssektor, womit private Kliniken begünstigt werden sollten.

Diese Wahlen sind indes nicht nur vom historischen Misserfolg von PD und LSI gekennzeichnet, sondern auch vomMisserfolg neuer Parteien und unabhängiger KandidatInnen, die für sich in Anspruch nahmen, eine antisystemische Option darzustellen oder die sich tatsächlich ehrlich für die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern einsetzten. Eine dieser Parteien, Nisma Thurje (Hashtag Initiative), die der liberalen Mittelklasse nahesteht und von Influencern sowie der amerikanischen Botschaft unterstützt wurde, errang gerade einmal 0,65% der Stimmen. Was gar nicht weiter verwundert, betrachtet man die oberflächliche Rhetorik, mit der sie die gutsituierte Mittelklasse in Tirana und anderen Städten gewinnen wollte. Der andere Prätendent auf die gleiche Gruppe waren drei Kandidaten, die von Vetëvendosje! unterstützt wurden, einer Partei die im Kosovo die Regierung stellt. Vetëvendosje! hatte gehofft, dass die Zustimmung, die sie im Kosovo genießen, sich auch über die Grenze ausbreiten würde, insbesondere nachdem der kosovarische Premier Albin Kurti den Wahlkampf unterstützte. Doch dies half nichts. Die in Tirana errungenen schlappen 0,64% stellten ihr bestes Ergebnis dar.

Eine wirkliche und historische Alternative bei dieser Wahl stellte Elton Debreshi dar. Debreshi ist ein Bergarbeiter aus der Region Diber. Als Bergarbeiter konnte er seinen Wahlkampf immer erst nach Ende seiner Schicht im Bergwerk führen. Er ist auch ein Gewerkschafter, der vor zwei Jahren aus dem Unternehmen des schon erwähnten Samir Manea entlassen worden ist nachdem er zum Gewerkschaftsvorsitzenden gewählt worden war. Er besaß eine gewisse öffentliche Popularität und wurde von der linken Organisation Organizata Politike, sowie auch international unterstützt – von Gewerkschaftern bis hin zu Janis Varufakis. Auch wenn Debrishi, seine Bergarbeiterkollegen und die AktivistInnen von Organizata Politike eine intensive Kampagne in hunderten Dörfern und vier Städten der Region Diber geführt haben, erreichte Debreshi nicht mehr als 0,9% der Stimmen. Da es sich um eine der ärmsten und zurückgebliebensten Regionen in Albanien handelt, schaffte es insbesondere die Sozialistische Partei, Wählerinnen und Wähler einzuschüchtern und potentielle Wählende von Debreshi zu kaufen.

Die Situation in Albanien stellt sich hoffnungslos dar. Edi Rama hat seine Macht verfestigt und die herrschende Klasse scheint mit dem Wahlausgang zufrieden. Dennoch, mit der immer schwierigeren wirtschaftlichen Situation aufgrund der Pandemie ist eine Intensivierung gesellschaftlicher Widersprüche zu erwarten.