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Vom Soma-Massaker zur unabhängigen Gewerkschaft

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Tag des Massakers in Soma
13.5.2014, der Tag des Massakers in Soma, Bergarbeiter warten auf die Rettung ihrer eingeschlossenen Kollegen. Foto: Sultan Eylem Keleş

Am 13. Mai 2014 fand das größte Massaker an Arbeitern in der Geschichte der Republik Türkei statt. Während des Schichtwechsels im Braunkohlebergwerk der Soma Holding befanden sich 787 Arbeiter 400 Meter unter Tage, als ein Feuer ausbrach und giftiges Gas das Bergwerk füllte. Drei Tage brauchte das Rettungsteam, um alle Arbeiter aus der Mine zu holen. 301 von starben, 90 wurden verletzt.

Als der Gewerkschafter Başaran Aksu an jenem Tag durch die Nachrichten von dem Vorfall erfuhr, machte er sich sofort auf den Weg nach Soma. «Als ich dort ankam, herrschte in der Stadt eine chaotische Atmosphäre. Alle möglichen Amtsträger*innen, Journalist*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Anwält*innen strömten dorthin. Vor der Mine warteten die Angehörigen der eingeschlossenen Arbeiter. Die Menschen weinten und schrien gleichzeitig. Ich habe mich mit den Überlebenden unterhalten, drei Tage lang waren wir dort. Wir sahen, dass das Ausmaß der Ausbeutung weit über den Tod der 301 Arbeiter hinausging. Bereits zuvor hatten Tausende sich am Arbeitsplatz verletzt, Finger, Augen und Beine verloren.» [1]

Die Bergbauindustrie ist einer der gefährlichsten Arbeitssektoren in der Türkei, das Land ist der drittgrößte Kohleproduzent weltweit. Von der Neoliberalisierung, die ab den 1980er Jahren einsetzte, war auch der Kohlebergbau betroffen. Das staatliche Kohle-Unternehmen Türkiye Kömür İşletmeleri Kurumu begann, einen Großteil der Minen an private Unternehmer zu vermieten. Durch diese Form der Privatisierung wurde der Staat als einstiger Kohleproduzent zum größten Kunden bei den privaten Firmen. Hinzu kamen die Einführung eines informellen Leiharbeitersystems und die Zahlung von Prämien – je mehr Kohle abgebaut wird, desto höher ist der Lohn. Vor dem Massaker in Soma wurden in einer 8-Stunden-Schicht 3.100 Tonnen Kohle abgebaut. Um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, sparen die Minenbetreiber an den Standards für die Sicherheit am Arbeitsplatz und die Gesundheit der Arbeiter. Für die Soma Holding lohnt sich dieses System. Wie der Firmenchef Alp Gürkan selbst sagte, liegen die Betriebskosten für den Abbau einer Tonne Kohle bei rund 20 Dollar, während sie unter der Leitung des staatlichen Unternehmens über 100 Dollar mehr betrugen.