News | Antisemitismus (Bibliographie) - Linke und jüdische Geschichte Thilo Scholle: Paul Levi. Linkssozialist – Rechtsanwalt – Reichstagsmitglied, Berlin 2017.

Biographie über eine der interessantesten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik.

Information

Paul Levi gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Als Rechtsanwalt vertrat er Rosa Luxemburg 1914 zweimal vor Gericht, davon u. a. im Prozess wegen Beleidigung des Offiziers- und Unteroffizierskorps, der vom preußischen Kriegsminister v. Falkenhayn angestrengt wurde. 1918/19 gründete er die Kommunistische Partei mit, der er zum Jahreswechsel 1920/21 drei Monate vorstehen sollte. Nach seiner öffentlichen Kritik an der erfolglosen, aber opferreichen «Märzaktion» wurde er im April 1921 wegen Parteischädigung aus der KPD ausgeschlossen. Ein Jahr später kehrte er mit der Mehrheit der USPD-Mitglieder zu jener Partei zurück, die er aus Protest gegen ihre Zustimmung zum Krieg einst verlassen hatte: der Sozialdemokratie.

In den letzten Jahren ist das Interesse an Levi gewachsen. Neben der von Charlotte Beradt vorgelegten Biographie (1969) und der Studie von Sibylle Quarck (1983) erschienen 2016 die ersten zwei von Jörn Schütrumpf herausgegebenen Bände der Gesammelten Schriften. Geläufig ist er heute dennoch einer eher fachspezifischen Öffentlichkeit, und so vermutet auch Verfasser, dass Levi «den meisten politisch aktiven Menschen [...] völlig unbekannt sein [dürfte]» (10). Der Titel will dies ändern.

In ihrem Aufbau ist die chronologisch gegliederte Miniatur von den Ausführungen Beradts inspiriert. Zudem schöpft der Verfasser aus dem im «Archiv der sozialen Demokratie» der Friedrich-Ebert-Stiftung magazinierten Nachlass sowie aus den unzähligen Artikeln Levis, die zwischen 1923 und 1928 in der von ihm selbst herausgegebenen Zeitschrift «Sozialistische Politik und Wirtschaft» erschienen. Anders als in den frühen 2000er Jahren, in denen um das Erbe Levis mit Blick auf die aktuelle Parteienlandschaft gestritten wurde, hält sich der Autor mit einer parteilichen Zuweisung zurück: «Löst man sich vom Anspruch der einfachen Zuordnung als <Kommunist> oder <Sozialdemokrat>, so lässt sich nicht nur ein <roter Faden> in Levis Denken entdecken, sondern auch eine faszinierende politische Persönlichkeit.» (12)

Dieser Faden führt von der Vorkriegssozialdemokratie, in der sich Levi gegen den preußischen Militarismus engagierte, über die USPD und KPD bis in die sozialdemokratische Reichstagsfraktion, in der er für einen härteren Kurs gegen die «schwarze Reichswehr» stritt und sich für die Abschaffung der Todesstrafe aussprach. Würde man Levi politisch einordnen wollen, kommt dem Verfasser «am ehesten der Begriff <Linkssozialist> in den Sinn» (73). Der weitgehend offene Begriff bewege sich zwischen <Sozialdemokratie und kommunistischer Bewegung> (ebd.) und damit zwischen Reform und Revolution. Ihn so verstanden auf Paul Levi anzuwenden, in dessen Nachlass sich fünf Parteibücher finden lassen, erscheint unmittelbar plausibel. Die Biographie, die neben Levis parteipolitischer Tätigkeit noch stärker die Arbeit als politischer Rechtsanwalt hätte beleuchten können, macht dies deutlich.
 


Thilo Scholle: Paul Levi. Linkssozialist – Rechtsanwalt – Reichstagsmitglied, Berlin 2017: Hentrich & Hentrich (82 S., 8,90 €).