News | Rosa-Luxemburg-Stiftung Ein aufrichtiger Kämpfer für eine bessere Welt

Nachruf auf Axel Troost (1. September 1954 – 6. Januar 2023)

Mit Bestürzung und großer Trauer haben wir erfahren, dass Axel Troost am 6. Januar 2023 gestorben ist. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung verliert damit einen exzellenten Ökonomen, vor allem aber einen engagierten, aufrichtigen und sympathischen Mitstreiter für eine bessere Welt.

Axel hat diese Stiftung jahrelang durch seine Arbeit bereichert. Er war seit 2017 Senior Fellow für Wirtschafts- und Europapolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS. Die Liste seiner Publikationen, die unter dem Dach der Stiftung erschienen sind, ist lang. Dabei verharrte er nicht am Schreibtisch: Egal ob er über eine verfehlte Steuer- und Finanzpolitik und konkrete Alternativen, über Austerität, Finanzmarktkrisen, Bankenregulierung oder Transformationsprozesse, die Entwicklung in Ostdeutschland oder Fragen des Strukturwandels schrieb, Axel wollte mit den Menschen ins Gespräch kommen, diskutieren, erklären und aufklären. Diese ökonomische Aufklärungsarbeit hat sein Leben geprägt, vor seinem Engagement in der Stiftung bereits jahrzehntelang in der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik («Memorandum-Gruppe»), der er seit 1982 angehörte und deren Arbeit er bis zuletzt koordinierte. Eine Arbeit, die er selbst als Bundestagsabgeordneter nicht unterbrach und die ihm so wichtig war, dass er sich in öffentlichen Runden zunächst stets in dieser Funktion vorstellte und erst im zweiten Satz erwähnte, dass er auch Bundestagsabgeordneter sei. Von dieser Leidenschaft für ein fundiertes ökonomisches Denken zwischen Marx und Keynes zeugen auch die zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen der RLS, bei denen er mit auf dem Podium saß oder die er mit anstieß und für die er auch durch die Republik fuhr. 2010 wurde er in den  Wissenschaftlichen Beirat der RLS gewählt. Er war Mitbegründer und unterstützte den von Attac, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, der EuroMemo Group und der RLS getragenen Jörg-Huffschmid-Preis. Sein von ihm mit Leidenschaft betreuter Wirtschaftspolitischer Gesprächskreis bei der RLS, mit dem es ihm gelang, auch hochkarätige Ökonom*innen und Politiker*innen zu versammeln, die sich in einer vertrauten Gesprächsatmosphäre über Parteigrenzen hinweg offen miteinander austauschten und voneinander lernten, war von großer Bedeutung. Der Gesprächskreis war, wie auch seine Arbeit am Institut für Solidarische Moderne (ISM) und sein Wirken in der Partei DIE LINKE, Ausdruck seines nicht nachlassenden Engagements für eine progressive Perspektive und ein besseres Leben für die Vielen in diesem Land – das er stets mit konkreten ökonomischen Konzepten untersetzt wissen wollte und genau dafür begeistern konnte.

Als überzeugter Kämpfer für ein sozialeres Europa und als international solidarisch denkender Mensch stritt er nicht nur allgemein für eine international gerechtere Finanzmarktregulierung und Steuerpolitik, etwa durch eine Finanztransaktionssteuer, sondern begleitete auch dann noch kritisch-solidarisch die Arbeit der linken Syriza-Regierung in Griechenland, als die kurze Hoffnung auf ein erfolgreiches Aufbegehren gegen die europäischen Austeritätsdiktate bitter verflogen war. Zahlreiche Reisen führten ihn nach Griechenland. Dort wurde er zu einem geschätzten Gesprächspartner der Syriza-Regierung. Hier vermittelte er für die RLS in Publikationen oder auf Veranstaltungen Einblicke in die wirtschafts- und finanzpolitischen, sozialen aber eben auch politischen Realitäten und Kämpfe des Landes.

In den letzten Jahren hat er sich für die Stiftung verstärkt den Möglichkeiten und Bedingungen eines sinnvollen Strukturwandels und der sozial-ökologischen Transformation gewidmet, etwa am Beispiel der Lausitz oder mit einer großangelegten Industriestudie, die er für die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik in Kooperation mit der RLS initiierte. Er dachte solche Prozesse immer auch aus der Perspektive derjenigen, die zu wenig Gehör finden. Im Sinne der Beschäftigten und ihrer Familien, im Sinne von klimapolitischen Akteur*innen und mit Blick auf das kommunale Leben vor Ort ging es ihm um eine Erweiterung des demokratischen Raums und mehr Möglichkeiten von Mitsprache und Mitbestimmung, die diesen Namen wirklich verdienen.

Axel hatte im besten Sinne Marx im Herzen und Keynes im Kopf. So empfand er manche linke Debatte als zu abgehoben und stritt oft für die konkretere, pragmatischere politische Intervention. Die Stiftung  und die linke Familie verdanken ihm in diesem Sinne zahlreiche Analysen, Zahlen oder Argumente, mit denen sich im politischen Tagesgeschäft öffentlichkeitswirksam und gut intervenieren ließ, etwa mit Blick auf die Beschäftigungslücken und Potenziale in den sozialen Infrastrukturen, den möglichen Erträgen aus einer Vermögensteuer oder wenn er mit anderen für einen sinnvollen Umgang mit der Berliner Schuldenbremse warb. Dabei war er Teamplayer, er schrieb und forschte oft zusammen mit politischen Weggefährt*innen, mit vielen verband ihn eine jahrelange Zusammenarbeit und Freundschaft.  

Am Herzen lag ihm bei allem die Weitergabe von Wissen und die Befähigung von mehr Menschen in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. Sein exzellenter, jahrelang gepflegter Newsletter zählt mehrere Tausend Abonnent*innen, in der Stiftung hat er sich zuletzt etwa engagiert im Beirat des digitalen Projekts ökonomische Grundlagenbildung oder – als offizieller Vertreter des ISM – gemeinsam mit der RLS im breiten Trägerkreis der großen Vergesellschaftungskonferenz mitgewirkt. Auch für das neue Jahr hatte er sich voller Schaffensdrang etliches vorgenommen, etwa eine Aufklärungs- und Streitschrift zum Thema Inflation, die er gemeinsam mit dem VSA-Verlag für die Stiftung herausgeben wollte. Wir halten daran zu seinen Ehren fest.

Axel konnte direkt und unverblümt streiten, aber er tat dies mit offenem Visier und mit der ehrlichen Wertschätzung für die Pluralität einer gesellschaftlichen Linken. Er war ein herzlicher Mensch, neugierig und offen für politische Ansichten auch sehr viel jüngerer Generationen und trotz seiner jahrelangen Arbeit als Abgeordneter im deutschen Bundestag nicht abgehoben oder eitel. Der Tod von Axel reißt für alle an einer linken Ökonomie Interessierten eine große Lücke, die kaum zu schließen sein wird. Er wird uns fehlen als geschätzter Experte, vor allem aber als aufrichtiger Genosse und Freund. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.

Heinz Bierbaum, Vorsitzender

Daniela Trochowski, Geschäftsführerin