Die Veranstaltungsreihe bestand aus den folgenden Einzelveranstaltungen. Durch einen Klick auf den jeweilgen Termin gibt es weitere Informationen zum Vernanstaltungsinhalt und den Referent*innen.
04.12.2023
Standortbestimmung. Autoritärer Kommunismus als Ausweg aus der (linken) Krise?
Mit Anne Seeck (Autorin) und Wladislaw Hedeler (Historiker)
In den letzten Monaten traten auf Veranstaltungen, Demonstrationen und mit Verlautbarungen in den sozialen Medien politische Gruppen und Initiativen auf, deren Auftreten wie Äußerungen sich kommunistisch, klassenkämpferisch, proletarisch geben und sich dabei positiv auf historische Personen, Organisationen und Systeme beziehen. Wir wollten nachvollziehen, warum es 1989 einen “Bruch mit dem Stalinismus” als System gab und wie dieser vollzogen wurde. Warum brauchen wir heute eine antiautoritäre, nicht orthodoxe Linke, die sich nicht verklärend und unkritisch auf die DDR oder die Sowjetunion bezieht? Wir wollten ins Gespräch kommen über historische Vorbilder und Fehlentscheidungen, eine Abkehr vom Personenkult und der Auseinandersetzung mit der Geschichte der kommunistischen Bewegung aber auch der DDR.
11.12.2023
KO,KA,KJ... - Wer sieht da noch durch?
Kommunistische Gruppe hier – proletarische, revolutionäre und klassenkämpferische Organisation dort – in Leipzig sind in den vergangenen Jahren einige politische Gruppen und Initiativen entstanden, die vielen unbekannt sind. Von einigen wurde vielleicht mal irgendwas gehört, wenn Veranstaltungen und Demonstrationen in Berlin, Hamburg oder NRW besucht wurden, aber in Leipzig und Sachsen gibt es diese Vielzahl scheinbar noch gar nicht so lange. Aktuell sind es jedenfalls so viele Gruppen und Initiativen, dass nicht wenige den Überblick verloren haben über die Vielzahl an K-Gruppen, die in den letzten Jahren entstanden sind.
Die Veranstaltung versucht einen Überblick zu geben über die unterschiedlichen Gruppen und wird sich auch darauf beschränken. Es wird nicht um die inhaltlichen Streitpunkte zwischen den Gruppen gehen und auch nicht, um die Frage, wieso es scheinbar immer “mehr” K-Gruppen gibt. Diese und weitere Punkte werden in folgenden Veranstaltungen thematisiert werden.
Diese Veranstaltung wurde leider nicht aufgezeichnet.
29.01.2024
Return of the K-Gruppen
Mit Volkmar Wölk (Autor) und Jennifer Stange (Journalistin, Moderation)
Volkmar Wölk sprach über die "K-Gruppen": Entstehung, Blüte und Zerfall sowie ihre heutigen Wiedergänger. Genaue Zahlen sind unbekannt, an die 100.000 Menschen dürften es gewesen sein, die im "Roten Jahrzehnt", den 1970er-Jahren, diverse Gruppen der "ML-Bewegung“ in Westdeutschland durchliefen. Und doch wurden sie nie eine relevante politische Kraft. Vor dem Aufstieg dieser "K-Gruppen" lag das Scheitern der antiautoritären Bewegung und der Hoffnungen, die in die 1968er-Revolte gesetzt worden waren. Das neuerliche Auftreten ähnlicher Gruppen zeugt von Fantasielosigkeit, von Lernunfähigkeit.
06.02.2024
Antiautoritärer Kommunismus in der Weimarer Republik
Mit Rhena Stürmer (Historikerin) und Steven Hummel (RLS Sachsen, Moderation)
Der Linkskommunismus entstand zu Beginn der 1920er Jahre als eine weitere politische Strömung innerhalb der linken Arbeiterbewegung. In Deutschland vereinte er in Gestalt einer eigenen Partei – der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) – 1920 knapp 40.000 Menschen, deren Forderungen sich aus dem revolutionären Elan der frühen 1920er speisten und die sich explizit von der KPD und der zunehmend autoritären Entwicklung in der Sowjetunion absetzten.
Zentral waren für die Linkskommunisten die Rolle der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben – dort sollte die Willensbildung und der kämpferische Zusammenschluss erfolgen. Bis Mitte der 1920er Jahre war die KAPD aktiver Teil der politischen Landschaft Weimars; sie lieferte sich einen theoretischen Schlagabtausch mit den linken Intellektuellen dieser Zeit und beteiligte sich an den damaligen Streiks, Enteignungskämpfen und Räterepubliken.
Ab 1923 erfolgte der rapide Niedergang der Partei. Allerdings hat diese Bewegung bei ihren Anhängerinnen und Anhängern Spuren hinterlassen, die über die Zeit der KAPD hinausreichen.
12.02.2024
Zum Verhältnis von Kommunismus und Anarchismus
Mit Lou Marin (Verlag Graswurzelrevolution) und Jonathan Eibisch (Autor, freier Dozent)
Nach den vergangenen Veranstaltungen, in denen auf verschiedenste Aspekte kommunistischer Gruppen und Bewegungen eingegangen wurde, ist das Ziel an diesem Abend, die anarchistische Perspektive auf den Kommunismus herauszuarbeiten.
Bekanntermaßen gab es sowohl enge Zusammenarbeit als auch erhebliche Auseinandersetzungen zwischen den sozialistischen Lagern. Diese Differenzen ergaben und ergeben sich aus ihrer Konkurrenz in sozialen Bewegungen, unterschiedlichen Methoden und Organisationsformen, wie auch aus verschiedenen theoretischen Auffassungen in den Verständnissen von Staat, Herrschaft, Geschichte, revolutionäre Subjekte und Utopie.
Während Lou Marin uns Einblicke in die anarchistische Geschichte gibt, legt Jonathan Eibisch den Schwerpunkt auf die Betrachtung der politischen Theorie des Anarchismus. Erst vor diesem Hintergrund werden sowohl die Kritik am autoritären Kommunismus als auch die Bezugnahme auf kommunistische Zielvorstellungen im Anarchismus verständlich. Was wir daraus für unser Handeln vor Ort ableiten können, wird Bestandteil der gemeinsamen Diskussion sein.
18.03.2024
"Und der Zukunft zugewandt" - Das große Schweigen über den Stalinismus in der DDR
Mit Renate Hürtgen (Historikerin) und Daniela Schmohl (RLS Sachsen, Moderation)
Gezeigt wurde der Film von Bernd Böhlich aus dem Jahr 2019. Im Anschluss folgte ein Gespräch mit der Historikerin Renate Hürtgen zur (Nicht-)Aufarbeitung des Stalinismus in der DDR.
Renate Hürtgen (*1947) war Teil der DDR-Opposition, u.a. Mitbegründerin der Initiative für eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung. Als Historikerin interessierte sie sich u.a. für Gewerkschaften, Frauen in der DDR, DDR-Alltagsgeschichte, Geschichte der „Wende“, Betriebsalltag in der DDR, Diktaturgeschichte und Geschichte sozialer Bewegungen. Sie ist Autorin des Vorwortes zur Neuauflage von Wolfgang Ruge, Stalinismus – eine Sackgasse im Labyrinth der Geschichte, Die Buchmacherei 2020.
Diese Veranstaltung wurde leider nicht aufgezeichnet.
29.04.2024
Transitionserfahrungen in postsozialistischen Ländern
Mit Laura Loew (Historikerin), Anastasia Tikhomirova (Journalistin), Johannes Spohr (Historiker) und Pawel Matusz (Soziologe, Moderation)
Nach dem Scheitern des sozialistischen Versuches im Osten waren die Länder Mittelost- und Osteuropas von heftigen Umwälzungsprozessen betroffen. Die Auswirkungen der kapitalistischen Landnahme hinterließen tiefe Spuren und Risse in den Gesellschaften der betroffenen Länder. Andererseits ist ein starker Abgrenzungsdrang zur ehemaligen Sowjetunion prägend, der in vielen Ländern vor allem Mittelosteuropas zur schnellen Hinwendung zum "Westen" aka Europäische Union/NATO führte. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in den Entwicklungen in der Ukraine.
Die Wege der postsozialistischen Linken in den Ländern Mittelost- und Osteuropas sind verschieden: Während manche den Weg der Reformierung hin zur Sozialdemokratie einschlugen, formierten sich andere unter dem Versuch der Bewahrung der eigenen Identität als national-kommunistische Akteure. Eine progressive emanzipatorische Linke stand vor allem vor dem Problem eines gesellschaftlich stark verbreiteten Antikommunismus. Alternativen zum Kapitalismus wurden und werden schnell mit der Angst einer erneuten Landnahme durch Russland eng geführt.
06.05.2024
Collagen vom kommunistischen Begehren
In Zeiten jahrelanger Krise ist die Linke mit der eigenen Utopieentwicklung erheblich in die Defensive geraten. Sich vom angepassten Denken, man könne an den aktuellen gesellschaftlichen Zuständen sowieso nichts ändern, zu lösen und stattdessen neue Perspektiven und Anstöße zu entwickeln, ist Zielsetzung der heutigen Veranstaltung.
Ein Abend zum Unterhalten – für den Text-, Video- und Musikschnipsel zu einer Collage zusammengefügt werden. Vier Bilder lassen wir hier sprechen durch Performen, Lesen und Singen(lassen): Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben; Hoffnung entsteht durch Revolte; Absurd ist, was ist, und nicht zu glauben, dass es anders sein könnte und – wo ist die Utopie?
Diese Veranstaltung wurde leider nicht aufgezeichnet.
Warum brauchten wir 2023/2024 eine Veranstaltungsreihe, die sich mit dem autoritären Kommunismus, mit dem „Stalinismus als System“, beschäftigt?
Auch 34 Jahre nach dem Ende der SED-Herrschaft bestehen in vielen Teilen der Linken (Partei wie Bewegung) immer noch Vorbehalte den repressiven Charakter der DDR zur Kenntnis zu nehmen und - leider auch - sich damit auseinanderzusetzen.
Wir können uns gut vorstellen, dass auch heute hier bei diesen Worten – die wir allzu oft auch von politischen Gegner*innen einer Linken zu hören bekommen – sofort Abwehrmechanismen aktiviert werden, sich Menschen getriggert fühlen. Aber eine schonungslose, kritische Aufarbeitung kann die Linke nur stärken. Wir brauchen eine historische Analyse, um den Zusammenhang zwischen Unterdrückung linker Opposition und alternativer, emanzipatorischer Bewegung einerseits und dem Untergang der DDR und des sowjetischen Blocks andererseits zu verstehen.
Die Rekonstruktion der Geschichte von Verfolgung und Unterdrückung, der inneren Logik der Repression und ihrer Techniken, kann man nicht einfach ausblenden, in der politischen Debatte relativieren oder als unvermeidlich darstellen. Dazu gehört auch, dass Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte – auch diejenigen von linken Historiker*innen, Politikwissenschaftler*innen oder Soziolog*innen – zur Kenntnis genommen werden und man diese nicht ignoriert oder leugnet. Und das meint auch, dass man positive Bezüge auf Personen, Ereignisse, Symbole etc. aus DDR- oder Sowjetzeiten mindestens in Frage stellt. Wenn man den DDR-Forschungsstand von 1960 in einem Reel auf Instagram postet, dann bleibt es der Wissensstand von 1960. Und der ist dann bestenfalls lückenhaft, schlimmstenfalls leugnet er historische Tatsachen oder stellt sie bewusst falsch dar.
Wir als Vorbereitungsgruppe sind uns durchaus bewusst, dass die Darstellung und Fokussierung auf stalinistische Exzesse (Schauprozesse, GULAG, Massenverhaftungen, … = „terroristische Exzesse der Regime des Sowjetblocks während ihrer hochstalinistischen Phase“) zu den bevorzugten Themen antisozialistischer/antikommunistischer Wissenschaftler*innen gehören. Schließlich dienen sie dazu den heutigen gesellschaftlichen Status Quo zu verteidigen und die bundesdeutsche Demokratie als das „Ende der Geschichte“ zu definieren. Aber umso wichtiger ist es, ihnen die Geschichte des Stalinismus und antistalinistischer Opposition nicht allein zu überlassen. Solange wir zum repressiven Charakter der DDR schweigen, bieten wir antikommunistischer Geschichtsschreibung und der geschichtspolitischen Rechtfertigung des real existierenden Kapitalismus keine ernstzunehmende Gegenwehr.
Sich mit der unkritischen Identifizierung mit der DDR und der Verharmlosung ihres repressiven Charakters zu beschäftigen, heißt aber auch sich mit dem „modernen“ bürgerlichen Antikommunismus auseinanderzusetzen. Und dann zusätzlich auch noch Neuauflagen stalinistischer Geschichtsfälschungen und der Rehabilitierung, Rechtfertigung und Verharmlosung des Massenterrors der Stalin-Zeit, der repressiven Niederhaltung jeder autonomen Linken Bewegung außerhalb der Partei, der eigenständigen Bewegung von Arbeiter*innen wie anderer emanzipatorischer Bewegungen in den Blick zu nehmen.
Wer damit gerade erst anfängt, dem empfehlen wir an dieser Stelle die Broschüre der Rosa Luxemburg Stiftung „feindlich-negative Elemente". Repression gegen linke und emanzipatorische Bewegungen in der DDR, die 2019 u.a. mit einem Beitrag von Anne Seeck erschien und einen ersten Überblick auf die Repressionen in der DDR liefert.
Ein weiteres Beispiel dafür, wie viel noch aufzuarbeiten ist – gerade für eine linke Bewegung – war die harte Auseinandersetzung um die Rote Hilfe Zeitung und deren zwei Ausgaben von 2016 („Siegerjustiz – Verfolgung und Delegitimierung eines sozialistischen Versuchs seit 1990“) und 2019 („‘Wenn wir brüderlich uns einen ...‘ Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR“).
Es geht schließlich um nichts Geringeres als das Ziel linker Politik: eine wirkliche Alternative zum heutigen Kapitalismus aber eben auch zum untergegangenen „real existierenden Sozialismus“.
Wie wir genau dahin kommen und wie wir das dann nennen, darüber streiten wir heute nicht. Das eine oder andere Thema wird in den folgenden Veranstaltungen der Reihe angesprochen werden.