Dank des Stausees von Tacagua ist der Landkreis Challapata der wichtigste Milchproduktionsstandort im bolivianischen Altiplano. Doch die fast 4000 hoch gelegene Ebene hat mit der zunehmenden Dürre zu kämpfen. Und sie ist bedroht von den kapitalistischen Interessen großer Bergbauunternehmen. Neben ihren alltäglichen Aufgaben wie dem Ackerbau, der Viehzucht und dem Verkauf ihrer Produkte auf dem Markt engagieren sich die Frauen der Region gegen diese Bergbauprojekte, die ihre Lebensgrundlage bedrohen. Sie haben ein Lokalgesetz erkämpft, das die Region zur bergwerksfreien Zone erklärt.
Von Mabel Franco Ortega / Medienkollektiv La Brava
Gold oder Wasser? «Wasser», antworten Venancia, Ángela, Teodora, Isidora und Delma ohne Zögern. Sie sind Mitglieder des Nationalen Frauennetzwerks zur Verteidigung der Mutter Erde (RENAMAT) und haben das Team des Medienkollektivs La Brava zum Staudamm von Tacagua begleitet.
La Brava ist ein unabhängiges, digitales Magazin aus Bolivien. Es publiziert Investigativrecherchen rund um die Themen Umweltpolitik und Menschenrechte insbesondere zum Berg- und Rohstoffabbau in Bolivien, sowie dessen Einfluss auf die Lebensverhältnisse von Frauen und Indigenen in den Bergbaugebieten.
«Unsere Quelle des Lebens» nennt ihn die über 80-jährige Ángela Ayala. Alle vermeiden den Blick auf den Achachucani-Berg, der sich in nur vier Kilometer Entfernung erhebt:78 Quadratkilometer goldhaltiges Gestein, die in der Region für Konflikt sorgen.
In Challapata haben Milchbäuerinnen dem Bergbau Einhalt geboten
Der Stausee liegt in Challapata, einem Zentrum des Ackerbaus, der Viehzucht und der Milchverarbeitungsbetriebe im Westen Boliviens. Die zweitgrößte Gemeinde in Oruro liegt 120 Kilometer von der gleichnamigen Bezirkshauptstadt entfernt. Um das Wasser und die landwirtschaftliche Produktion zu schützen, hat sich der Landkreis jüngst per Verordnung (Ley 403/2024), als frei von Bergwerksaktivitäten und -verschmutzung erklärt. Es ist das Ergebnis von mehr als 30 Protestaktionen der lokalen Bevölkerung gegen nationale und transnationale Bergwerksunternehmen, die an dem Abbau des Goldes im Tagebau interessiert sind.
Colectivo CASA (Coordinación de Acciones Socioambientales) ist ein Dachverband verschiedener feministischer sowie umwelt- und sozialpolitischer Organisationen. Das Kollektiv vernetzt und fördert lokale Initiativen finanziell. Zudem prüft es die Rechtsgültigkeit von Bergbauaktivitäten in Bolivien und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen sowie die Kriminalisierung von politischen Protesten.
Colectivo CASA ist eine Partnerorganisation der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Bei den Aktionen dabei war auch Prudencia Copa Chaca aus dem Dorf San Pedro de Puni Ilave. Die Kühe, um die sie sich kümmert, haben alle eigene Namen. «Dank ihnen habe ich meine Kinder zum Studieren schicken können. Heute haben sie alle einen Beruf».
In diesen Septembertagen geben 12 der 35 Kühe von Prudencia und ihrem Ehemann David Chungara Milch. Das reicht für die 60 Liter pro Tag, zu deren Lieferung sie sich gegenüber dem staatlichen Milchverarbeitungsbetrieb in Challapata (EBA) verpflichtet haben. «Seit 45 Jahren mache ich das», erklärt Prudencia. Heute erleichtert ihr eine Melkanlage die Arbeit. In der Jahreszeit ohne Regen, wenn das Vieh nur Trockenfutter frisst, produziert die Familie bis zu 70 Liter Milch pro Tag. «Im Frühling komme ich mit dem Wasser des Stausees auf 100 bis 120 Liter täglich», schätzt sie.
Der Stausee Tacagua: Quelle des Lebens im Hochland
In der erdfarbenen Landschaft wächst unter anderem Futtergerste und Hafer, hervor sticht jedoch vor allem das Grün des Schneckenklees. Ob die Ernte gedeiht, hängt vom Wasserstand des Tacagua-Stausees ab. Mit seinen 45 Millionen Kubikmetern Speicherkapazität ist er der zweitgrößte Stausee Boliviens. Er wird von drei Flüssen und durch Regenfälle mit Wasser versorgt.
Die Schleusen werden einmal im Jahr geöffnet, um dann zwei Monate lang über ein Kanalsystem die Felder der 44 Dörfer von Challapata zu bewässern. Der Stausee wurde 1961 fertiggestellt und half, die Produktion von Kartoffeln, Erbsen, Saubohnen sowie Tierfutter zu erhöhen. Heute sind 1.200 Personen registrierte Mitglieder der Vereinigung zur Nutzung des Bewässerungssystems «Tacagua 2».