News | Jan Peters: Menschen und Möglichkeiten; Stuttgart 2011

Jörg Roesler über die voluminöse Autobiographie von Jan Peters. Peters war einer der wenigen prominenten DDR-HistorikerInnen, der nach 1989 weiterarbeiten konnte.

Jörg Roesler, Leibniz-Sozietät Berlin und u.a. Mitglied der Historischen Kommission der LINKEN rezensiert für H-Soz-u-Kult

Peters, Jan: Menschen und Möglichkeiten. Ein Historikerleben in der DDR
und anderen Traumländern (= Pallas Athene 36) [55 Kunstdrucktafeln mit
134 Abbildungen]. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2011. ISBN
978-3-515-09866-3; 559 S.; EUR 78,00.

Roesler schreibt: "Memoiren über ihr Leben und Wirken zu DDR-Zeiten haben bereits etliche Historiker veröffentlicht.[1] Sie alle sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, "dass das Geschichtsbild der DDR der Legitimation der SED-Diktatur zu dienen hatte und die Geschichtsforschung so instrumentalisiert war".[2] Nicht "Priester der Klio", sondern "Hofchronisten der Partei" seien die DDR-Historiker gewesen.[3] Jan Peters fühlt sich angesprochen und bezichtigt die "Rückblicke der DDR aus Westfedern einseitiger Schieflage". Er will darauf aber nicht, wie einige seiner Kollegen in ihren Memoiren, mit "empörter Einäugigkeit" (S. 457) reagieren. Seine Antwort ist eine Darstellung des Wissenschaftlerlebens, des Wissenschaftsbetriebes und der Wissenschaftspolitik in der DDR, so wie er sie über dreieinhalb
Jahrzehnte erlebt hat. Der Leser soll von ihm erfahren, woran die
DDR-Wissenschaftler, "diese angeblichen Zuträger für die Parteiführung,
speziell also die 'parteinahen' Gesellschaftswissenschaftler zu tragen
hatten." (S. 390)

Um sein Ziel zu erreichen, hat sich Peters "kritische Distanz" verordnet. Diese zu erreichen und ausgerechnet in einem Memoirenband durchzuhalten, ist nicht einfach, dass weiß er: "Wie die Dinge wirklich gewesen, wissen wir schon deshalb nicht, weil wir kaum präzise zwischen damaliger Beobachtung und heutiger Einsicht unterscheiden können." (S. 286) Um ungeachtet dessen das Ziel seines Memoirenbandes - eine wirklichkeitsnahe Darstellung des DDR-Wissenschaftsbetriebes - zu erreichen, hat sich Peters nicht allein auf seine Erinnerungen verlassen, sondern nutzt den zeitgenössischen Briefwechsel mit Kollegen und Vorgesetzten, zitiert aus dienstlichen Anschreiben und Protokollen von Parteileitungssitzungen, hat aufmerksam und kritisch die Erinnerungen seiner Kollegen durchgesehen und manchen ehemaligen Vorgesetzten und Mitstreiter vor der Abfassung seiner Memoiren befragt".

Die komplette Rezension findet sich bei HsozKult.


Anmerkungen:
[1] Jürgen Kuczynski, "Ein linientreuer Dissident", Memoiren 1945-1989,
Berlin 1992; Fritz Klein, Drinnen und Draußen. Ein Historiker in der
DDR. Erinnerungen, Frankfurt am Main 2000; Kurt Pätzold, Die Geschichte
kennt kein Pardon, Berlin 2008.
[2] Hermann Weber, DDR. Grundriss der Geschichte, Hannover 1991, S. 9.
[3] Lothar Mertens, Priester der Klio oder Hofchronisten der Partei?
Göttingen 2006.


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