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250 Menschen nehmen an Gründungsveranstaltung von Berliner Plattform der HDP (Halklarin Demokratik Partisi) – Demokratische Partei der Völker – teil.

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Nelli Tügel,

Sie wollen den Wahlkampf der Partei für die anstehenden Parlamentswahlen unterstützen. Im Mittelpunkt der Konferenz aber steht der Krieg des «Islamischen Staates» (IS) gegen Kurd_innen und Jesid_innen in Syrien und Irak.

Im Vorfeld der Wahlen zum türkischen Staatspräsidenten im August 2014 hatte Erdoğan für ausverkaufte Stadien in Berlin und Köln gesorgt. Da seit 2012 im Ausland lebende türkische Staatsbürger_innen stimmberechtigt sind, wurde der Wahlkampf auch in Deutschland geführt. Für die Parlamentswahlen im Juni will die türkische und kurdische Linke gerüstet sein und lud für den 18. Januar 2015 in das IG-Metall Haus in Berlin Kreuzberg ein, um eine Berliner Plattform der HDP aus der Taufe zu heben.

Dem Aufruf von Organisationen und Einzelpersonen aus der türkisch-kurdischen Community waren 250 Menschen gefolgt, unter ihnen auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele sowie Hakan Taş (MdA) von der LINKEN, Vertreter der jesidischen Gemeinde und des Kurdischen Nationalkongresses.

Die HDP war 2012 aus dem HDK (Halklarin Demokratik Kongresi) – Demokratischer Kongress der Völker – hervorgegangen, einer Dachorganisationen, unter der sich neben der kurdischen BDP viele linke Parteien und Organisationen, aber auch Umwelt- und LGBTI-Aktivisten zusammengeschlossen hatten mit dem Ziel, eine vereinte linke und demokratische Kraft in der Türkei zu bilden.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 hatte die HDP mit Selahattin Demirtaş erstmals einen eigenen Kandidaten gestellt. Demirtaş konnte 9,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und damit über das traditionelle linke und kurdische Spektrum hinaus Wähler_innen mobilisieren. Daher wagt die HDP nun den schwierigen Schritt, sich als Partei und nicht über unabhängige Kandidat_innen zur Wahl zu stellen. In der Türkei macht die hohe 10 Prozent-Hürde Kandidaturen für linke und kurdische Parteien zu einem riskanten Manöver. Zwar gilt auch für unabhängige Kandidaten die  10 Prozent-Hürde, allerdings nur in ihrem Wahlkreis.

Hohe Hürden zu überwinden gilt es auch, will man als in Deutschland lebende_r türkische_r Staatsbürger_in bei den Wahlen die Stimme abgeben. Dies wird einer der Gründe dafür gewesen sein, dass die Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen bei unter 10 Prozent lag.

Auf der Gründungskonferenz der Berliner HDP in Kreuzberg bleibt die Stimmung jedoch optimistisch. Er betrachte die Gründung als Beitrag dazu, antidemokratische Bestrebungen in der Türkei zurückzudrängen und die eigenen demokratischen Werte zu verteidigen, sagte Rafer Timur, Mitinitiator der Konferenz, in der Eröffnungsrede.

Die kurdische Politikerin Fatma Kurtulan, Vorstandsmitglied der HDP in der Türkei, schwor die Versammelten auf den anstehenden Wahlkampf ein, verwandte einen Großteil ihrer Rede jedoch darauf, die Solidarität ihrer Partei mit den kämpfenden Kurd_innen in Rojava zu betonen. Sie sei Kobanê, sagte Kurtulan und bedankte sich ausdrücklich bei den USA für das Bombardement der die Stadt bedrohenden IS-Kämpfer um gleichzeitig die Kritik der HDP an der Stillhaltepolitik der türkischen Regierung zu wiederholen.

Hans Christian Ströbele sagte, es könne nicht sein, dass die deutsche Regierung Kurden in Rojava und im Irak feiere und gleichzeitig in Deutschland lebende Kurd_innen durch das Verbot der PKK diskriminiere. Er forderte die Streichung der Arbeiterpartei Kurdistans – PKK von der EU-Terrorliste und die Entlassung der wegen Unterstützung der PKK in deutschen Gefängnissen Inhaftierten. Die jetzige Situation sei «schizophren und nicht nachvollziehbar». Ströbele versprach den Teilnehmer_innen der Konferenz, sich im Deutschen Bundestag für die Aufhebung des PKK-Verbotes einzusetzen.

«Es kann keine demokratische Türkei geben, wenn die Rechte des kurdischen Volkes und der anderen Minderheiten nicht in vollem Umfang gewährt werden» betonte Hakan Taş von der LINKEN in seiner Rede. Das Programm der HDP sei beispielhaft für ein zeitgemäßes, rechtsstaatliches und die Vielfalt der Menschen berücksichtigendes Parteiprogramm. Viele linke und sozialistische Parteien in Europa könnten von der HDP lernen, so Taş. Bezüglich der Gewährleistung kultureller Rechte von Kurd_innen bestünde auch in der Bundesrepublik Deutschland Handlungsbedarf, beispielweise bei der Förderung der Muttersprache. Er erhoffe sich in diesem Bereich Fortschritte durch die Gründung der Berliner Plattform der HDP, sagte Taş und machte damit schon deutlich, dass die HDP Berlin auch über den Wahlkampf zum türkischen Parlament hinaus als politische Kraft in Erscheinung treten möchte.