News | Asien - International / Transnational - Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen Myanmar – Herausforderungen für Jugend-, Arbeiter_innen- und Sozialorganisationen im aktuellen Transformationsprozess

Ein Veranstaltungsbericht von Nadja Charaby und Manuel Palz.

Vom 29.-31. Januar 2013 veranstaltete das Regionalbüro Südostasien der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zusammen mit dem Tampadipa Institut, einer lokalen Nicht-Regierungsorganisation, die sich v. a. für Trainings zum Kompetenzaufbau von Parlamentarier_innen und lokalen Organisationen sowie politischen Dialogveranstaltungen engagiert, einen dreitägigen Workshop zu „Youth, Labour and Social Organisations‘‘ in Mandalay, Myanmar. Diese Veranstaltung bedeutete für das Regionalbüro der RLS in Hanoi erste Schritte im Transformationsland Myanmar. Seit November 2012 ist die RLS bestrebt ihren Arbeitsbereich auszuweiten, um auch in der jungen Demokratie Myanmars einen sozialverträglichen und fairen Transformationsprozess zu unterstützen. Derzeit rangiert Myanmar auf Platz 149 von 185 Ländern im Human Development Index (HDI) und bildet somit das „Armenhaus der Region“, noch hinter Laos, Kambodscha, Vietnam und sogar Bangladesch. Schätzungsweise über 30 % der Gesamtbevölkerung Myanmars leben unterhalb der Armutsgrenze von US$ 1.

Mit dem überraschenden Öffnungsprozess der Militärjunta hin zu einer pluralistischen Demokratie, eingeleitet durch das Verfassungsreferendum 2008 und die ersten freien Wahlen seit knapp 25 Jahren in 2010, mit Nachwahlen 2012, vollzieht sich in dem über 50 Millionen Einwohner_innen zählenden Land, zwischen Indien und China, ein bemerkenswerter und rasanter Wandel hin zu einem der liberalsten politischen Systeme der gesamten Region. Eine besondere Herausforderung besteht gegenwärtig darin, inbesondere die 70% Landbevölkerung und die Arbeiterklasse an der neugewonnen Freiheit teilhaben zu lassen und ihre Interessen vor neoliberalen Reformprozessen zu verteidigen. Im März 2012 verabschiedete Präsident Thein Sein deshalb einige Gesetze zur Regelung der Arbeitsbeziehungen in Myanmar. Damit griff er die Gesetzesvorlagen des Parlaments aus dem Jahr 2011 auf und schuf erstmals seit 1962, exakt 50 Jahre nach dem coup d'état durch General Ne Win, neue verbindliche Regelungen im Bereich der Arbeitsbeziehungen, um den Transformationsprozess auch sozialverträglich und mit Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen zu fördern. Myanmar gilt als eines der rohstoffreichsten, aber bisher weitestgehend „unerschlossenen“ Länder weltweit und besitzt demnach ein enormes Entwicklungspotential. Gleichzeitig läuft das Land Gefahr, zunehmend in den Sog des globalen Land- und Ressourcen-Grabbings zu geraten. Gerade deshalb ist es jetzt so wichtig, vor allem sozialbenachteiligte und marginalisierte Gruppen darin zu unterstützen, dass sie sich vor einem „Ausverkauf“ ihrer Ressourcen und Interessen schützen können. 

Mit welcher Dynamik der Reformprozess in Myanmar vollzogen wird und welch breite Akteurslandschaft innerhalb von nur wenigen Monaten entstanden ist, zeigte sich bereits bei der Konzeption des RLS-Workshops. Seit der Verabschiedung des neuen Labour Association Law im März 2012 entstanden in Kürze fast 400 Organisationen zur Vertretung der Arbeiter_inneninteressen. Diese teilweise auf gewerkschaftlicher Basis, teilweise lose organisierten Gruppierungen befinden sich zur Zeit in einer ersten Organisationsphase, so dass es für das Team der RLS schwer ist, dieses fragmentierte und sehr weit gefasste System unterschiedlichster Akteur_innen zu greifen. Da es in Myanmar bisher keinen umfassenden Arbeitnehmer_innenschutz gab – die meisten ILO-Ratifikationen unterzeichnete Myanmar in den 1920er Jahren – besteht gerade in diesem Bereich eine erhöhte Gefahr neuer Konflikte, die den sozialen Frieden und den Transformationsprozess in Myanmar zusätzlich zu belasten drohen. Derzeit lässt sich die Landschaft von Gruppierungen, darunter auch Frauenorganisationen, Jugend- und Studierendenvertretungen, und Gewerkschaften, die sich für die Rechte von Arbeiter_innen engagieren als sehr divers beschreiben. Während einige Gruppen eher um einen Dialog z. B. mit der Regierung oder auch anderen Organisationen bemüht sind, lehnen andere diese Art der Kooperation gänzlich ab.

Ziel des RLS-Workshops sollte es sein, diese unterschiedlichen Gruppierungen zusammenzubringen, Ideen auszutauschen, Netzwerke zu formen und mit Vertreter_innen lokaler und regionaler Administrationen mögliche Konzepte zur Stärkung und Respektierung von Arbeitnehmer_inneninteressen zu erarbeiten. Die jahrzehntelangen Repressalien der Militärjunta sind jedoch auch ein Grund dafür, dass ein verständliches Misstrauen gegenüber den neuen Autoritäten, allen voran gegenüber der regierenden, pro-militärischen Union Solidarity and Development Party (USDP) in Myanmar omnipräsent ist. Im Vorfeld der Veranstaltung entschloss sich der Partner der RLS deshalb überraschend dazu, die Veranstaltung von Yangon nach Mandalay zu verlegen, um die angespannte Interessenslage der verschiedenen Akteur_innen in Yangon nicht weiter anzuheizen. Die Verlegung des Workshops von Yangon nach Mandalay sollte sich jedoch letztlich für das Team der RLS als Glücksfall darstellen, denn so war es den Mitarbeiter_innen möglich auch außerhalb des ökonomischen Zentrums Yangon und des politischen Herzens Naypidaw, viele neue Kontakte zu knüpfen und Kooperationen für die Zukunft zu eruieren.

An der dreitägigen Veranstaltung im Industriegebiet Mandalays nahmen knapp 250 Teilnehmer_Innen, vornehmlich aus den nördlichen Provinzen Myanmars teil. Darunter waren neben Jugend- und Frauenorganisationen, Gewerkschaftler_innen unterschiedlichster Branchen, Studierendenvertretungen, Rechtsberater_innen, Vertreter_innen der 88er Generation und viele mehr. Während der drei Veranstaltungstage gab es angeregte und interessante Diskussionen über bessere Maßnahmen zum Schutz von Arbeiter_inneninteressen, zivilgesellschaftliches Engagement und politische Partizipation. Neben den intensiven Diskussionen der Teilnehmer_innen wurden zusätzlich Vorträge zum Thema Kinder- und Zwangsarbeit, Wanderarbeiter_innen, Gewerkschaftsgesetz und Verfassungsreform von lokalen Expert_Innen auf diesen Gebieten eingebracht.

Für die RLS kann die erste durchgeführte Maßnahme in Myanmar, trotz der erschwerten Operationsbedinungen von Hanoi aus, als voller Erfolg gewertet werden. Für die Zukunft sind weitere Kooperationen u. a. mit dem Tampadipa Institut geplant. Es wird derzeit eruiert, inwiefern das noch geringe Engagement der RLS in Myanmar in das Stammprogram des Regionalbüros integriert und ausgebaut werden kann. Bereits für April ist eine Informationstour von Parlamentarier_innen aus Myanmar nach Vietnam geplant, die neben zahlreichen bilateralen Gesprächen mit ihren vietnamesischen Kolleg_innen auch die Teilnahme an einem internationalen RLS-Workshop zum Thema „Stärkung von Abgeordneten in der Einbringung eigener Gesetzesinitiativen“ vorsieht.