News | GK Geschichte Die Jugendbewegung und ihre Wirkung in Politik, Gesellschaft und Kunst 1913-2013 (Tagungsbericht)

Konstantin von Freytag-Loringhoven, Institut für Pädagogik und Sozialpädagogik, Universität Rostock, berichtet über die von Barbara Stambolis (Universität Paderborn) und Jürgen Reulecke (Universität Gießen) ausgerichtete Tagung (7. - 8. März 2013, Marbach).

"Wer je die flamme umschritt, bleibe der flamme trabant!"[1] Das von ULRICH RAULFF (Marbach) einführend zitierte George-Gedicht beschreibt die lebenslange Prägung durch ein Jugenderlebnis. Die von BARBARA STAMBOLIS (Paderborn) und JÜRGEN REULECKE (Gießen) konzipierte Tagung widmete sich der Wirkung der deutschen Jugendbewegung vor, während und nach den Weltkriegen. Auf circa 100.000 vorwiegend männliche Jugendliche schätzte EBERHARD KOLB (Köln) die Zahl derer, die "zwischen dem 10. und circa 20. Lebensjahr Fahrten, Lagerfeuer und Lieder in einer der Gruppen der  bündischen Jugend" erlebten. Der selbstbestimmte Anspruch und die romantische Vereinnahmung von Mythen aus dem bildungsbürgerlichen Kanon grenzte die von Gymnasiasten dominierte Jugend zu ähnlichen Gruppen der organisierten Arbeiterjugend oder den internationalen Pfadfindern ab.
Das heterogene Spektrum der verschiedenen Lebensbünde oder lockeren Freundeskreise lässt allerdings eher von einer Pluralität "der Jugendbewegungen" sprechen. In ihrer Einführung fragte Stambolis nach
der Wirkung auf die Menschen, deren Menschenbild und auf gesellschaftliche Vorstellungen. Als Zugangsproblem bezeichnete CLAUS-DIETER KROHN (Hamburg) die Unterschiedlichkeit der Altersgruppen, sowie die unterschiedlichen Selbstäußerungen. FRIEDHELM BOLL (Bonn) fragte, ob die Jugendbewegung nicht eher Objekt als Reaktion auf ein Symptom gesellschaftlicher Transformation gewesen sei. Die kategorische Zuordnung der Geisteswelt dieser "Erfahrungsgeneration" blieb dabei in weiten Teilen unscharf, so dass LUTZ NIETHAMMER (Jena) zu Ende der Tagung an die von Sonderfällen geprägte Generationendefinition Karl Mannheims erinnerte, in welcher sich die Bildungsprozesse aus Kommunikationsprozessen herleiten. Niethammer verwies anknüpfend an C. G. Jung auf die lange Latenzzeit der Adoleszenz der "bewegten" Jugend, während andere Jahrgänge insbesondere nach 1945 sehr früh eine Erwachsenheit für sich einforderten.

Der komplette Bericht ist über den Link unten einsehbar.


Konferenzübersicht

Marcel Lepper (Marbach): Begrüßung

Barbara Stambolis (Paderborn), Jürgen Reulecke (Gießen): Vorstellung des
Bandes: "Jugendbewegt geprägt. Essays zu autobiographischen Texten von
Werner Heisenberg, Robert Jungk und vielen anderen" (Göttingen, 2013).

Ulrich Raulff (Marbach): Begrüßung

Barbara Stambolis (Paderborn): Einleitung: Stichworte und Fragestellungen

Sektion 1: Zwischenkriegszeit: folgenreiche Prägungen und Orientierungen - Thesen und Diskussion
Moderation: Hans-Ulrich Thamer (Münster)

Rüdiger Ahrens (Essen): "Privatleben ist Fahnenflucht!" Zur Geschichte der bündischen Jugend

Justus Ulbricht (Dresden): Verlegerische Volksmission im "Geiste der Jugend"

Meike Werner (Nashville): Jugendbewegte Freundschaften: der Serakreis

Hermann Korte (Münster): Biographisches Beispiel 1: Norbert Elias

Ulrich Herrmann (Tübingen): Biographisches Beispiel 2: Paul Böckmann

Sektion 2: 1933-1945: Menschenbilder und Selbstverpflichtungen - Thesen und Diskussion
Moderation: Sebastian Böhmer (Marbach)

Alfons Kenkmann (Leipzig): Jugendbewegter Eigensinn unter den Bedingungen der NS-Volksgemeinschaft

Friedhelm Boll (Bonn): Willy Brandt - Netzwerker im Exil

Sektion 3: Bilanzen angesichts der 'Katastrophe' - gesellschaftliche Einflussnahmen nach 1945 - Thesen und Diskussion
Moderation: Dorothee Wierling (Hamburg)

Jürgen Reulecke (Gießen): Jugendbewegte Generationalität

Hans-Ulrich Thamer (Münster): Politische Zirkel im 'Einflussbereich' der Jugendbewegung: der Nauheimer und Grünwälder Kreis

Micha Brumlik (Frankfurt): Walter Laqueur - ein jüdischer Chronist der Jugendbewegung

Günter C. Behrmann (Potsdam): Jugendbewegung und politische Bildung: Tutzing, der Ausschuss für Erziehungs- und Bildungssoziologie und das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

Hartmut Alphei (Lindau): Kultur- und Bildungspolitik in Niedersachsen nach 1945

Sektion 4: 'Restgeschichte' und Ende einer ,selbst'-bewussten Bewegung?


Podium und Diskussion mit Eberhard Kolb (Köln), Lutz Niethammer (Jena), Claus-Dieter Krohn (Hamburg), Dieter Langewiesche, (Tübingen), Erdmann Linde (Bochum), Dorothee Wierling (Hamburg), Moderation: Axel Schildt (Hamburg).

Jürgen Reulecke (Gießen): Schlussworte, offene Fragen