News | International / Transnational - Afrika EPA-Dämmerung

Das Wirtschaftsabkommen mit der EU war Thema einer Konferenz zu internationalem Handel und regionaler Integration in Ostafrika.

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Arndt Hopfmann,

Seit mehr als einem Jahrzehnt verhandelt die Europäische Kommission im Auftrag der Europäischen Union (EU) mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Mitgliedsstaaten des Cotonou-Vertrages (sogenannte AKP-Länder) in regionalen Gruppen über den Abschluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (engl.: Economic Partnership Agreements – EPA). Wenn es nach der EU geht, nehmen diese Verhandlungen am 1. Oktober 2014 ein abruptes Ende. Denn mit dem Beschluss 1528/2007 des EU-Parlaments werden alle bis dahin nicht abgeschlossenen EPA nicht weiter verfolgt und die bislang erreichten (Teil)Vereinbarungen zurückgenommen. Darüber hinaus wird allen AKP-Ländern, die nicht in die Kategorie der am wenigsten entwickelten Länder (engl.: least developed countries – LDC) fallen, mit der Verhängung von Handelsbeschränkungen beim Zugang zum EU-Markt gedroht.

Dieses Diktat aus Brüssel hat insbesondere die Regierungen und die exportierende Privatwirtschaft, aber auch die Zivilgesellschaft in der Ostafrikanischen Gemeinschaft (engl.: East African Community – EAC) alarmiert, weil ein solches Vorgehen der EU mit großer Wahrscheinlichkeit ernsthafte Auswirkungen auf den regionalen Integrationsprozess hätte. Unter den EAC-Mitgliedern sind zurzeit vier LDC (Burundi, Ruanda, Tansania und Uganda) sowie Kenia als einziges Nicht-LDC. Würde die EU damit ernstmachen, Sanktionen gegen Kenia zu verhängen, wäre es zumindest nicht auszuschließen, dass die kenianische Regierung eine Separatvereinbarung mit der EU abschließt, um den ungehinderten Marktzugang für kenianische Exportprodukte (insbesondere Schnittblumen!) nicht zu verlieren. Die Konsequenzen für den EAC-Integrationsprozess, der ohnehin nur schleppend vorankommt, wären möglicherweise verheerend, wenn Kenia zum Beispiel an Herkunftsklauseln mit Bezug auf die exportierten Waren gebunden würde oder auch die anderen EAC-Länder – quasi durch die Hintertür – zu einer weitgehenden Marktöffnung gegenüber der EU gezwungen wären.

Um die mit dem EU-Beschluss entstandene Lage mit Vertreter_innen unterschiedlicher Interessengruppen zu erörtern und ggf. Gegenstrategien zu entwickeln, hatten die Länderbüros des Southern and Eastern African Trade Information and Negotiations Institute (SEATINI) aus Uganda und Kenia in Kooperation mit dem Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Sitz in Daressalam (Tansania) für den 14. und 15. November 2013 zu einer Konferenz nach Kigali eingeladen. Teilgenommen haben unter anderem Abgeordnete der nationalen Parlamente der EAC-Länder sowie des Handelsausschusses des Parlaments der EAC, Handelsexperten aus der Region und aus der EU sowie Vertreter_innen einer großen Zahl zivilgesellschaftlicher Organisationen; insgesamt ca. 80 Personen.

In den Vorträgen und den Debatten wurde rasch deutlich, dass die EPA-Verhandlungen und das Voranbringen der regionalen Integration auf unterschiedlichen Ebenen schwierige Herausforderungen für die Akteure in Ostafrika darstellen. Angesichts der ohnehin komplizierten und von Problemen durchsetzten Integrationsbemühungen, die für die Bürger der EAC bislang kaum real greifbare Verbesserungen gebracht haben, würde ein Alleingang des wirtschaftlich stärksten Landes (Kenia) bei den EPA-Verhandlungen einen Rückschlag mit unabsehbaren Folgen bedeuteten. Deshalb muss gemeinschaftlich der politische Druck von Zivilgesellschaft und anderen EAC-Regierungen auf die Regierung Kenias erhöht werden, um einen kenianischen Alleingang abzuwenden. Dringend ist zudem ein entschiedenes Zurückdrängen der Abhängigkeit von sogenannter Entwicklungshilfe, über die die „Geber“-Länder mittels Konditionen massiv Einfluss auf das Regierungshandeln ausüben. Hier freilich besteht eine große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht kurzfristig geschlossen werden kann – auch wenn viele Konferenzteilnehmer_innen unablässig für ein radikales Vorgehen in dieser Frage plädierten. Ähnlich schwierig dürfte die Idee umzusetzen sein, das Ultimatum der EU einfach zu ignorieren und darauf zu setzen, dass es sich um einen taktischen Bluff handelt, bei dem die EU ‚mit Sicherheit‘ einlenken wird. Wenn dem so wäre, könnte auch nach 2014 weiter verhandelt werden. In diesem Fall stände dann die Forderung nach einem Developmental EPA im Raum. Dann sollte also der ganze Verhandlungsprozess klar auf die Entwicklungsziele und -bedürfnisse der EAC ausgerichtet werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, selbst wenn es mit den Verhandlungen nach Oktober 2014 weiterginge, inwieweit eine derartige Forderung tatsächlich durchgesetzt werden kann.

Viele Signale aus Brüssel sprechen nämlich eine andere Sprache. Offenbar will die EU aus der EPA-Verhandlungssackgasse unbedingt heraus kommen, ohne das Gesicht zu verlieren bzw. ohne der seit 2004 aktiven Stopp-EPA-Kampagne den „Sieg“ zu überlassen. Und so könnte die inzwischen in Europa weitgehend erlahmte Kampagne im zehnten Jahr ihres Bestehens doch noch einen (Teil)Erfolg verbuchen, wenn sich nämlich nicht alle AKP-Länder dem Ultimatum beugen und die EPA-Verhandlungen tatsächlich radikal beendet werden. Das jedoch muss nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Lage führen, denn dann drohen bilaterale Verhandlungen der EU mit einzelnen Ländern der AKP-Gruppe. In diesem Fall wären die Ungleichgewichte am Verhandlungstisch noch größer und die asymmetrische Durchsetzung der EU-Interessen noch viel wahrscheinlicher.

Gegenwärtig lässt sich allerdings noch wenig bezüglich der Entwicklungen im Laufe des kommenden Jahres vorhersehen. Deshalb haben sich die Teilnehmer_innen mit den Organisatoren der Konferenz darauf verständigt, auch 2014 den Dialog aufrechtzuerhalten und gemeinsam den Kampf für gerechte Handelsbeziehungen fortzuführen.