News | Parteien- / Bewegungsgeschichte - Deutsche / Europäische Geschichte Boesch (Hrsg.): Wie Frauen Dada prägten, Zürich 2015

... bisher wenig bekanntes Kapitel der westeuropäischen Kunstgeschichte ans Licht gebracht

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Bernd Hüttner,

Am 5. Februar 1916 findet in der Spiegelgasse 1 in Zürich der erste Abend der Bewegung statt, die unter dem Namen Dada bekannt werden sollte. Dieser Tag jährt sich demnächst zum hundertsten Mal und die Jubiläumsaktivitäten (Publikationen und Ausstellungen) beginnen bereits in diesen Monaten.

Dada war eine Revolte gegen künstlerische und gesellschaftliche Traditionen, es beruhte auf Ironie, Satire und Lachen. Dada als Kabarett, Theater oder bildende Kunst zu beschreiben, greift jeweils zu kurz. "dada ist mehr als dada" meinte Raoul Hausmann 1921. Dada ging es um eine subversive Übertragung von Kunst ins alltägliche Leben, um einen sozialen, gesellschaftskritischen Auftrag. Die Verzweiflung und der Innerlichkeitskult des Expressionismus sind den Dadaist_innen fremd, wenige spotteten sogar über ihn.

Ina Boesch schreibt im Vorwort ihrer neuen Publikation trocken: „Die Deutungsmacht über Dada war jedoch vorwiegend männlich“, und viele der Dadaisten seien, trotz ihrer Rebellion gegen künstlerische und gesellschaftliche Konventionen, Patriarchen geblieben, etwa indem sie die Rolle und Bedeutung von Frauen in Dada verschwiegen oder kleiner machten, als sie war.

Boesch kann jedenfalls zeigen, dass Frauen in Dada sehr wohl präsent waren, auch wenn bislang nur Hannah Höch (1889-1978), Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) und Sonia Delaunay-Terk (1885-1979) als eigenständige Künstlerinnen bekannter sind. Sie porträtiert Malerinnen, Literatinnen, Tänzerinnen, Musikerinnen, Verlegerinnen und Mäzeninnen, die in Dada aktiv waren oder die Bewegung gefördert haben. Der geografische Raum umfasst dabei Zürich, Berlin, die Niederlande, Paris und New York. Die meisten dieser Frauen lebten – als Lesben, Jüdinnen, Emigrantinnen – am Rand der Gesellschaft. Diese Position, wie auch Dada insgesamt, boten ihnen aber vergleichsweise mehr Möglichkeiten sich und ihre Werke zu zeigen, als der klassische Kunstbetrieb jener Periode. In Deutschland z.B. wurden Frauen an Kunstakademien erst in der Weimarer Zeit als Studentinnen zugelassen.

Im letzten Drittel des Buches stellen dann fünf weitere Expert_innen neben Höch und Taeuber-Arp die Malerin Angelika Hoerle (1899-1923), die Schriftstellerin Celine Arnauld (1895-1952) und die Performerin Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927) in eigenen Artikeln vor.

Ina Boesch hat in ihrem spannenden Buch ein bisher wenig bekanntes Kapitel der westeuropäischen Kunstgeschichte ans Licht gebracht. Es liefert viele, teilweise kleinteilige Informationen – und Einblicke in interessante Biographien. Biographien, die die ganze Widersprüchlichkeit dieser Jahre aufzeigen, einer Widersprüchlichkeit, der sich auch die Dada-Frauen nur schwer entziehen konnten.

Ina Boesch (Hrsg.): DIE DADA. Wie Frauen Dada prägten, Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2015, 164 Seiten, 29 EUR