News | International / Transnational - Asien - Stadt / Kommune / Region - Rosa-Luxemburg-Stiftung Feierlichkeiten anlässlich des fünfjährigen Jubiläums der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi

Ein Bericht von Fabian Kießling und Nadja Charaby.

Am 28. April 2014 fand das fünfjährige Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi statt. Die Feierlichkeiten wurden mit einem Workshop zum Thema „Internationaler politischer Dialog zwischen Vietnam und Deutschland zur Politikgestaltung und Umsetzung von politischen Strategien“ eingeleitet. Der Workshop wurde von der Universität für Sozial- und Geisteswissenschaften in Hanoi (VNU-USSH), einem langjährigem Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi, organisiert. Vertreter_innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus Hanoi und Berlin, das Institut für Politik und Management (IPAM) der VNU-USSH, Abgeordnete der vietnamesischen Nationalversammlung, u.a. vom Komitee für Kultur, Bildung, Jugendliche und Kinder, ein Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie, der Vizedirektor des Instituts für Legislative Studien der vietnamesischen Nationalversammlung, Vertreter_innen der Provinzverwaltungen von Quang Ninh, Dong Nai und Bac Lieu, Lokalpolitikerinnen der Partei DIE LINKE und Kooperationspartner_innen aus Laos, Kambodscha und Myanmar nahmen an der Veranstaltung teil.

In ihrer Willkommensrede betonte Nadja Charaby, dass politische Entscheidungsprozesse in Vietnam meist zentral gesteuert werden, es dann jedoch oft an der Umsetzung mangele. Mit der Verlagerung von Kompetenzen von der zentralen auf die regionale und lokale Ebene könne jedoch die politische, administrative und rechtliche Organisation des Staates optimiert werden. Die Aus- und Weiterbildung lokaler Fachkräfte, zum Beispiel Schulungen in Politikmanagement müsse Priorität haben – dies könne die Entscheidungsprozesse verbessern und auch die Entwicklung kritischer Substanz vorantreiben. Die geladenen vietnamesischen Expert_innen teilten diese Auffassung. Politische Entscheidungsprozesse sind in Vietnam uneinheitlich und intransparent, da Interessengruppen und Lobbyist_innen diese oft maßgeblich bestimmen. Die Regierung erlasse meist Gesetze, die an der Lebensrealität der Bevölkerung vorbeigehen bzw. dieser sogar schaden.  Neue, wirksame Gesetze, die finanzierbar, praktikabel und von der vietnamesischen Gesellschaft getragen werden, seien daher erforderlich. Zudem sollten die Gesetze sich an den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung orientieren, folglich gesundes Wirtschaftswachstum mit ökologischer Verantwortung und sozialer Verträglichkeit verbinden. Die Bürgerbeteiligung habe in den letzten Jahren jedoch spürbar zugenommen, so können Bürger_innen selbst initiativ werden und bestimmte Gesetzesvorschläge im Parlament auf die Agenda setzen oder Einwohnerversammlungen einberufen, wenn ein entsprechender Antrag an das kommunale Parlament eingeht.  Das Parlament muss hier jedoch zustimmen.  Insgesamt sei der Rechtssetzungsprozess jedoch nach wie vor in den Händen der Kommunistischen Partei und des Parlaments. Eine wirkliche Gewaltenteilung gebe es in Vietnam bis heute nicht. 1994 begann Vietnam mit dem Aufbau der Rechtsstaatlichkeit, aber erst 2013 wurde die neue Verfassung verabschiedet, die sich am Begriff des Rechtsstaats orientiert, das Politbüro hinke jedoch noch hinterher.

Einige Provinzen wie Bac Lieu haben bereits ihre Wissenschafts- und Technologiepolitik reformiert. Herr Huyn Minh Hoang unterstrich besonders den Aufbau internationaler Beziehungen und die Stärkung des wissenschaftlichen und technologischen Potentials.
Auch deutsche Kommunalpolitikerinnen und Vertreter der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin kamen zu Wort und erläuterten Besonderheiten politischer Entscheidungsprozesse ihrer Zuständigkeitsbereiche. Dagmar Pohle, Kommunalpolitikern der Partei DIE LINKE und stellvertretende Bezirksbürgermeisterin von Berlin Marzahn-Hellersdorf, zeigte Felder und Spielräume kommunaler Gesundheits- und Sozialpolitik am Beispiel Berlins auf. Barbara Höll, ehemalige Abgeordnete der Partei DIE LINKE im deutschen Bundestag skizzierte einen interessanten Einblick in das täglichen Leben einer kommunalen Abgeordneten. Ronald Höhner von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin gab eine kurze Einführung zu Akteur_innen  kommunalpolitischer Bildung in Deutschland und erklärte die Rolle der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Fort- und Weiterbildungen für linke kommunale Politiker_innen anbietet.

Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Ausgewiesene Expert_innen aus Vietnam und Deutschland mit langjähriger Erfahrung im politischen Bereich hielten informative Vorträge, die im Anschluss eine breite Diskussion ermöglichten. Das Projekt wird in diesem Jahr in Vietnam fortgesetzt um die festgestellte Diskrepanz zwischen der zentralistischen Struktur der Regierungspolitik und politischer Entscheidungsprozesse auf der kommunalen Ebene näher zu beleuchten. Auf deutscher und vietnamesischer Seite herrschte Einigkeit darüber, dass Kommunalpolitik die wichtigste politische Entscheidungsebene ist, da sie am nächsten am Menschen dran ist und jeder Einzelne einen direkten Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse haben kann. Wilfried Telkämper, Direktor des Zentrums für internationalen Dialog und Kooperation (ZID) von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, verwies in einer abschließenden Rede auf die Fortschritte Vietnams im Transformationsprozess hin zu einer Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit. Politische Bildung sollte seiner Ansicht nach der entscheidende Motor des Demokratisierungsprozesses sein. Beide Länder, Deutschland und Vietnam, können durch ihre Erfahrungen in diesem Bereich voneinander lernen und sollten ihren politischen Dialog weiter vertiefen.

Am späteren Abend lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung Hanoi alle Teilnehmenden und weitere geladene Gäste zu einem Empfang mit Livemusik ein. Der stellvertretende Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Hans-Jörg Brunner, gratulierte Nadja Charaby herzlich zum Jubiläum und dankte ihr und ihrem Team für die gute Zusammenarbeit in den letzten fünf Jahren. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hanoi leiste einen wichtigen Beitrag zur Verständigung der beiden Länder. Als besonderen Schwerpunkt der Stiftung unterstrich Herr Brunner die Vermittlerfunktion zwischen staatlichen, wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur_innen. Der Rosa-Luxemburg-Stiftung sei es hier gelungen, Synergien zu erzeugen, die für den Transformations- und Demokratisierungsprozess von erheblicher Bedeutung sind.  Wilfried Telkämper hob  ebenfalls die besondere Bedeutung des Regionalbüros in Hanoi hervor.  Hier werden brisante Fragen wie die Herausforderungen einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft, friedliches Zusammenleben der Völker und der Schutz der ökologischen Ressourcen aufgegriffen.  Die Universität für Sozial- und Geisteswissenschaften Hanoi und das Institut für Legislative Studien dankten der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hanoi für ihre  Kompetenz im Bereich der politischen Verständigung und Analyse und das breite Netzwerk mit anderen Staaten, welches die Rosa-Luxemburg-Stiftung in den letzten Jahren kontinuierlich aufbauen konnte. Zum Abschluss überreichten Vertreter_innen des People´s Aid Coordinating Committee (PACCOM) Nadja Charaby die Medaille für Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern für ihren persönlichen Beitrag zu Vietnams Entwicklung in den letzten fünf Jahren.  Der offizielle Teil des Abends ging schließlich mit tanzbaren Rhythmen einer international zusammengestellten Musikcombo aus Hanoi seinem Ende entgegen.