News | International / Transnational - Israel - Rosa-Luxemburg-Stiftung Auf der «Straße des Volkes» zu mehr Demokratie

Stiftung weiht neue Israel-Dependance im Stadtzentrum von Tel Aviv ein / Symposium lockt 200 Teilnehmende an

Zu den Gästen gehörten zivilgesellschaftliche Akteure, VertreterInnen von Partnerorganisationen sowie PolitikerInnen, Kulturschaffende, WissenschaftlerInnen und FriedensaktivistInnen.

Auf einem Empfang am 12. Juni 2014 ergriffen der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Andreas Michaelis, und der Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, das Wort. Die Grüße des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung überbrachte Bodo Ramelow, seit 2009 Oppositionsführer im Thüringer Landtag.

Die Leiterin des Tel Aviver Stiftungsbüros, Angelika Timm,  wies in ihrer Eröffnungsrede darauf hin, dass der heutige Rothschild Boulevard bei Gründung Tel Avivs zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Namen Rechov Ha-Am  trug - „Straße des Volkes“. Seinem ursprünglichen Namen machte der Boulevard im Sommer 2011 alle Ehre, als junge Aktivisten die luxuriöse Meile in ihren Besitz nahmen und auf ihr unter der Losung „Das Volk fordert soziale Gerechtigkeit“ unzählige Protestzelte aufschlugen. Eine in der Geschichte Israels einmalige Protestbewegung nahm ihren Lauf. Der Boulevard wurde über Nacht zum Fanal und gleichermaßen zur Metapher für soziale Gerechtigkeit.

Gegenüber dem neuen Büro befindet sich das Haus des ersten Bürgermeisters von Tel Aviv, Meir Dizengoff. Hier wurde am 14. Mai 1948 die israelische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, die ein großes, derzeit freilich immer mehr in Widerspruch zur Realität geratendes Versprechen enthielt: „Der Staat Israel […] wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten.“

Das Büro befindet sich somit an einem geschichts- und symbolträchtigen Ort, an dem in den letzten Jahren immer wieder progressive Kräfte Demokratie und Gerechtigkeit einklagten. Im März und September 2011 wurde von hier aus die israelische Regierung aufgerufen, der Bildung eines palästinensischen Staates und dessen Aufnahme in die UNO zuzustimmen. Im Dezember 2013 demonstrierten vor der Independence Hall mehr als tausend afrikanische Flüchtlingen gegen Diskriminierung und Rassismus. Der Rothschild Boulevard gilt vielen Israelis in diesem Sinne heute nicht mehr nur als „bourgeoise Flaniermeile“ oder als Bauhaus-Museum. Er widerspiegelt vielmehr die soziale und politische Komplexität israelischer Geschichte und Gegenwart.

Das Symposium „Krise der Demokratie – Linke Antworten in Europa und Israel“ zur Büroeröffnung fand starke Beachtung. Keynote Speaker vor rund 200 Teilnehmenden im Journalistenklub Tel Avivs war Gregor Gysi. Er sprach über das wechselseitige Verhältnis von rechtlicher, politischer und sozialer Gleichheit sowie über den Widerspruch von Demokratie und Kapitalismus. Die Wortmeldungen der Knessetabgeordneten Dov Khenin (Chadasch) und Tamar Zandberg (Meretz) richteten sich insbesondere auf den Einsatz der linken Parlamentarier auf Landes- und kommunaler Ebene, die Demokratie zu verteidigen und zu stärken.

Die palästinensische Ko-Direktorin der jüdisch-arabischen Organisation Mahapach-Taghir, Fidaa Nara Abu Dbai, sprach sich ebenfalls für das zielgerichtete Engagement der Zivilgesellschaft für den Erhalt und den Ausbau der Demokratie aus. Das Plenum diskutierte couragiert über das Leistungsvermögen politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements in Europa und Israel. Dabei fehlte es nicht an Selbstkritik. „Wir dürfen nicht nur mit uns selber reden, sondern müssen Bündnispartner gewinnen, um dem Abbau der Demokratie in Israel entgegenzuwirken“, forderte beispielsweise Fidaa.

„Das Israel-Büro der Stiftung wird bestrebt bleiben, israelischen Demokraten – Juden wie Arabern – weiterhin eine Plattform für kritische Analyse und Meinungsaustausch sowie für den politischen Dialog mit progressiven Akteuren aus Europa zu bieten“, sagte Büroleiterin Timm. Die Themen Demokratie und selbst bestimmte Partizipation blieben – neben der Suche nach tragfähigen Regelungen im israelisch-palästinensischen Konflikt und nach Wegen zur Beseitigung sozialer Disparitäten – zentrale Felder alternativer politischer Bildung.