News | Bericht zur Konferenz «Macht.Europa.Anders. Für ein Europa von unten»

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Einen anderen, alternativen Blick auf Europa-relevante Themen entwickeln – das war das Ziel der Organisatoren/innen der Konferenz «Macht.Europa.Anders. Für ein Europa von unten» am 10. Mai 2014 in Stuttgart. Beteiligt waren die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden Württemberg, der Ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg, der Ver.di Bezirk Stuttgart und das Stuttgarter Krisenbündnis «Wir zahlen nicht für Eure Krise».

Der Titel spiegelt die doppelte Zielsetzung der Konferenz: zum einen sollten spezifische Machtverhältnisse in Bezug auf die EU, deren Institutionen, die jeweilige Europapolitik und dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien kritisch analysiert werden und zum anderen wurde die Frage aufgeworfen, wie man sich aus gewerkschaftlicher Sicht bzw. aus Sicht von sozialen Bewegungen zu diesen Themen positioniert und wie man gemeinsam eventuell auch an einem «anderen Europa» bauen kann.

In der Auftaktveranstaltung am Vormittag sprach zunächst der norwegische Gewerkschafter Asbjørn Wahl. Er sieht in der momentanen europäischen Krisenpolitik einen weiteren Angriff auf das Modell des Wohlfahrtsstaates, wie er sich im vergangenen Jahrhundert in den meisten europäischen Staaten entwickelt hat. Dieses Wohlfahrtsstaatsmodell ist seiner Ansicht nach unter anderem deshalb entstanden, weil die damalige Arbeiterbewegung und deren Kämpfe einen wichtigen Impuls gesetzt haben. Sein Fazit ist, dass es zum momentanen Zeitpunkt wieder eine starke Arbeiterbewegung braucht, dass die Gewerkschaften ein wichtiger Akteur gegen die momentane Ausrichtung der EU-Politik werden könnten und sich viel stärker auf europäischer Ebene untereinander und mit anderen sozialen Bewegungen vernetzen müssten.

Im zweiten Beitrag berichtete die Wissenschaftlerin Dalilah Reuben-Shemia über die aktuelle gesellschaftliche Situation in Griechenland: vor allem über die Auswirkungen der Krisenpolitik auf die Lohnabhängigen. Sie hat dort zu neuen Gewerkschaftsinitiativen geforscht, die im Moment in Alternative zu den etablierten, aber oftmals mit den herrschenden Parteien sehr verwobenen Gewerkschaften entstehen. Als ein Beispiel von gewerkschaftlicher Selbstorganisation nannte sie die selbstverwaltete Fabrik Vio.Me in Thessaloniki, wo seit 2011 Beschäftigte die Fabrik besetzt halten und versuchen die Produktion aufrecht zu erhalten.

Im abschließenden Kommentar von Dr. Sabine Reiner aus dem Ver.di Bundesvorstand ging diese vor allem auf den Vortrag von Asbjørn Wahl ein. Sie spezifizierte Asbjørn Wahls Analyse im Hinblick auf die Rolle der Arbeiterbewegung im historischen Kontext, auf die Rolle Deutschlands in der momentanen Krisenpolitik und schließlich auf hiesige gewerkschaftliche Diskussionen. Am Ende ihres Vortrags sprach sie von den Schwierigkeiten eine Gegenöffentlichkeit zu dieser Austeritätspolitik aufzubauen. Die neoliberalen Forderungen haben eine enorme Strahlkraft entwickelt. Die Parolen, dass gespart werden muss, dass die Schulden reduziert werden müssen, dass man sich mit Lohnforderungen zurückhalten muss etc. haben sich in vielen Köpfen festgesetzt. Letztlich ginge es um die Frage, wie man den «Kampf um die Köpfe» angeht und es schafft insgesamt die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verrücken.

Im ersten Workshop am Nachmittag wurde die Frage nach einer Möglichkeit gewerkschaftlicher Aktivierung auf europäischer Ebene gestellt. Hier präsentierte Sabine Reiner unter anderem die Initiative «A new path for Europe/ Ein neuer Weg für Europa» des Europäischen Gewerkschaftsbundes.

In einem zweiten Workshop sprach Werner Rätz über «Rechtspopulismus in Europa» und worin die Attraktivität des Rechtspopulismus für viele liegt. Zusammen mit Aktiven des Antifaschistischen Aktionsbündnisses in Stuttgart wurde darüber diskutiert, wie man beispielsweise gegen rechtspopulistische Äußerungen von Kollegen/innen am Arbeitsplatz aber auch allgemein gegen diese Strömungen vorgehen kann.

Siegfried Heim von Ver.di referierte im dritten Workshop zum TTIP-Abkommen und welche Folgen ein solches Abkommen auf die Beschäftigten zum einen und auf Tarifverhandlungen bzw. Gewerkschaften zum anderen hätte.

Im vierten Workshop debattierten Vertreter/innen des Stuttgarter Krisenbündnisses, Aktivisten/innen der iL Tübingen (interventionistische Linke) und Gewerkschafter/innen von Ver.di über die bisherigen verschiedenen Krisenproteste, welche Proteste anstehen und wie Vernetzung und Kooperation in Zukunft aussehen könnte.

Nachdem im Plenum die Ergebnisse aus den Diskussionen in den Workshops zusammengetragen wurden, fasste Günter Busch vom Ver.di Landesbezirk wesentliche Erkenntnisse zusammen: er sprach von den zum Teil kontrovers geführten Diskussionen, dass trotz allem jedoch mehr Gemeinsames als Trennendes da sei. Er betonte, dass eine Europäisierung der Gewerkschaften dringend notwendig sei – zum Beispiel könnte ein europäischer Tarifvertrag eine gemeinsame Forderung sein. Dazu braucht es eine politische Öffentlichkeit, die letztlich vermutlich nur über das politische Streikrecht hergestellt werden könne.

Hier finden Sie eine Dokumentation der Hauptreden auf der Konferenz:

Asbjørn Wahl: «Die Politische Krise in Europa und die Rolle der Gewerkschaften»

Dalilah Reuben-Shemia: «Generalangriff auf Rechte der Lohnabhängigen von Oben - Widerstand und gewerkschaftliche Erneurung von Unten! Eine Berichterstattung zu Griechenland»

Dr. Sabine Reiner: « Ein Kommentar aus Sicht der deutschen Gewerkschaften»

Interviews mit Asbjørn Wahl und Dalilah Reuben-Shemia


Grußworte des Stuttgarter Bündnis «Wir zahlen nicht für eure Krise»(Christa Hourani) und des ver.di-Bezirks Stuttgart (Uwe Theilen)