News | Parteien- / Bewegungsgeschichte - Deutsche / Europäische Geschichte - Geschichte - Demokratischer Sozialismus Die Revolution entlässt ihre Kinder

Zum Tod des Historikers und Zeitzeugen Wolfgang Leonhard

Wolfgang Leonhard, Sowjetunion- und Kommunismusexperte ist im Alter von 93 Jahren in Daun in der Eifel gestorben. Leonhard war der letzte noch lebende Zeitzeuge aus dem Führungskreis der deutschen Kommunisten, der nach 1945 die Gründung der DDR vorbereitete. Als sein bekanntestes Werk gilt sein autobiografisches Buch „Die Revolution entlässt ihre Kinder“, in dem er seine Wandlung vom begeisterten Kommunisten zum Sowjetkritiker beschreibt.

Leonhard wurde am 16. April 1921 in Wien geboren. Seine Mutter, die Publizistin und Lyrikerin Susanne Leonhard, war eine Freundin von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Berlin, bis seine Mutter und er 1935 in die Sowjetunion emigrierten. 

Susanne Leonhard - bereits 1925 aus der KPD ausgetreten - wurde 1936 verhaftet. Leonhard lebte damals in Moskau, in einer „Art Emigrantenheim für Jugendliche“. In seinem Zeitzeugenbericht „Der Hitler-Stalin-Pakt“, erschienen in „Der Verräter, Stalin, bist Du!“: Vom Ende der linken Solidarität 1939 -1941 von Bernhard H. Bayerlein (Aufbau Verl., 2008) schreibt Leonhard:

„Allerdings waren wir im Heim Nr. 6 von der großen Säuberung von 1936 bis 1938 nicht verschont geblieben. Immer häufiger wurde der Vater oder die Mutter eines Mitschülers verhaftet. Auch meine Mutter war am 26. Oktober verhaftet und in das Lager Workuta verbannt worden. Schritt für Schritt wurden auch unsere Lehrer der Karl-Liebknecht-Schule verhaftet, und wir wurden 1937 in eine russische Schule eingewiesen.“ 

Seine Mutter überlebte das Arbeitslager. Erst 1948 konnte sie es verlassen.

Wolfgang Leonhard  wurde 1941 nach Kasachstan zwangsumgesiedelt. Nach der Ausbildung  an der Kominternschule wirkte Leonhard seit 1943 im Nationalkomitee „Freies Deutschland“ mit und traf im Frühjahr 1945 mit der „Gruppe Ulbricht“ in Berlin ein. Er war politisch tätig und lehrte unter anderem an der SED-Parteihochschule. 

Seine Kritik am Stalinismus veranlasste Leonhard 1949 zur Flucht nach Jugoslawien und wenig später in die Bundesrepublik.  

Leonhard lehrte 21 Jahre lang - bis 1987 - als Professor an der US-Eliteuniversität Yale über die Sowjetunion und den Kommunismus. 

Wolfgang Leonhard hat die Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit großer Sympathie verfolgt und äußerte sich bis zu seiner Krankheit als Zeitzeuge. Besonders große Aufmerksamkeit erfuhren seine beiden Veranstaltungen in Berlin in den 90er Jahren: „Meine Biografie in dieser Zeit“ in der Berliner Stadtbibliothek und eine Gesprächsrunde mit Markus Wolf, Hans Mahle, Stefan Dörnberg und Hans Modrow (Moderator) über die Emigration in die Sowjetunion und die Rückkehr nach Deutschland in der „Gruppe Ulbricht“.

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