News | Kultur / Medien - Kunst / Performance - Rosa-Luxemburg-Stiftung Weg mit dem Barbie-Spuk

JugendtheaterBüro Berlin begeistert beim Fest der Linken.

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Axel Krumrey,

Man nehme sechs Freundinnen, ein bisschen Langeweile und zielgruppenspezifische Werbung und schon findet man sich im Barbie-Dreamhouse unweit des Alexanderplatzes wieder. Das ungefähr waren die Ausgangsbedingungen für einen zunächst enorm humorvollen, später dann jedoch fast dramatischen Abend mit dem JugendtheaterBüro Berlin. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Ensemble junger Selfmade-Theatermacher/innen seit geraumer Zeit eng verbunden, hatte zum Theaterstück «90/60/90 – Rollenscheiß» in den Rosa-Luxemburg-Saal in die Kleine Alexanderstraße nach Berlin eingeladen. Im Rahmen des alljährlich stattfindenden Festes der Linken bildete die Aufführung einen imposanten Abschluss des vielseitig gestalteten Tages.

Der Zuschauerandrang war enorm, denn bereits lange vor Beginn der Veranstaltung bildeten sich am Einlass lange Schlangen. Etwa 90 Gäste fanden sich schließlich im Saal ein und durchlebten mit den Darsteller/innen einen zur Odyssee anwachsenden Besuch des Puppenhauses für Große, das seine Zelte 2013 auch in Berlins Mitte aufschlug. Kochen mit Barbie, sich kleiden und modeln wie Barbie und Familie spielen mit Ken, all das natürlich jeweils separat und zusätzlich zum ohnehin stattlichen Eintrittspreis zu finanzieren. Gekonnt führten die Darsteller/innen die durch die Barbie-Scheinwelt suggerierten Werte ad absurdum. Das klassische Rollenbild des arbeitenden Mannes und der treusorgenden Familienmutter hält den Anforderungen der modernen Welt natürlich nicht Stand. Bei Barbie und Ken wird es jedoch als selbstverständlich verbreitet. Das Theaterstück greift dieses Weltbild gern auf. Doch nach der Geburt des sechsten Kindes setzt sich schließlich der Drang nach Selbstbestimmung durch und die Darstellerin beginnt langsam den Barbie-Traum zu hinterfragen. Interessant auch die kurzen Exkurse in die reale Welt nach der jeweiligen Erfahrung in den Abteilungen des Barbie-Hauses. Warum verdienen denn Frauen für die gleiche Arbeit noch immer etwa 20 Prozent weniger als Männer? Eine Frage, die das Stück nicht lösen kann. Soll es aber auch gar nicht. Vielmehr soll es für tatsächliche Zustände sensibilisieren. Mit den «Traummaßen» 90-60-90 stehen dir alle Türen offen, auch in die Model-Welt. Ein parodistisches Meisterstück ist den Darstellerinnen und Darstellern gerade in diesem Kontext gelungen. Über das Barbie-Dreamhouse stellten sie einen Bogen zu gängigen Fernsehformaten und Modelwettbewerben her, verfremdeten die bekannten Protagonist/innen leicht, und schafften es damit auf die gruseligen, fast abscheulichen Folgen, die der psychische und physische Druck solcher Ausstrahlungen auf die Teilnehmerinnen haben kann, hinzuweisen. Hier werden minderjährige Mädchen gezwungen, sich nackt vor der Kamera zu rekeln, dort müssen sie sich auf die gewünschten Maße hungern. Selbstverständlich sind das keine neuen Erkenntnisse im Kampf um Emanzipation. Sie jedoch in einer Story eingebettet und so ungeschminkt veranschaulicht zu erleben, ist eine besondere Qualität.

Am Ende der teils bis zur Qual gewordenen Erfahrungen im Barbie-Dreamhouse haben sich die sechs Freundinnen verändert. Zunächst noch indoktriniert vom Barbie-Schein lösen sie sich schließlich von diesem «Rollenscheiß» und emanzipieren sich in Form eines gemeinsamen Raps von jeglichen Klischees. Die Zuschauer sind ergriffen und erleichtert gleichermaßen. Eine wirklich moderne Form politischer Aufklärung.