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Michalczewski, Szulim, Domagalik, Seweryn, Ostaszewska, Warakomska: Polens Prominente als LGBT-Verbündete «Schulter an Schulter für die Gleichberechtigung» von Homosexuellen und Transgender

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Die Intoleranz gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) ist ein unnormaler Zustand, der die Kluft zwischen Polen und anderen EU-Ländern aufrechterhält. Die Gesellschaft müsste von der Normalität angesteckt werden, damit Polen zu einem Land werden könnte, in dem die Bürger ohne Rücksicht auf ihre sexuelle Orientierung sich sicher fühlen können. So die Botschaft einer Diskussionsrunde unter dem Titel «Schulter an Schulter für die Gleichberechtigung – LGBT und ihre Freunde». Das am 11. September 2014 in Warschau von der Kampagne gegen Homophobie mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte Treffen traf auf ein reges Interesse bei den polnischen Medien.

Mit der Diskussionsrunde setzt eine Kampagne ein, deren Ziel es sein wird, massenhafte Unterstützung für LGBT aufzubauen. Die Veranstalter halten es für günstig, wenn populäre und in der Öffentlichkeit bekannte Personen sich diesem Ziel widmen. Deshalb wurden für die Auftaktveranstaltung Dariusz Michalczewski, ehemaliger Profiboxer, Dorota Warakomska, Vorsitzende der Frauenpartei, Maria Seweryn und Maja Ostaszewska, beides Schauspielerinnen, und die Fernsehjournalistin Agnieszka Szulim gewonnen. Sie nahmen nicht nur an der Diskussion teil, sie demonstrierten auch ihre Solidarität mit LGBT-Personen, indem sie sich fotografieren ließen mit Tafeln, auf denen geschrieben stand: «Ich erkläre mich solidarisch mit LGBT-Personen, denn ich bin nicht einverstanden mit Gewalt und Diskriminierung».

Agata Chaber, Vorsitzende der Kampagne gegen Homophobie, gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die LGBT-Personen, ihre Familien, Bekannten, Lehrer, Ärzte und Vertreter anderer Berufsgruppen, ebenso bekannte Persönlichkeiten und Menschen, die sich in vielen Sphären einer großen Popularität erfreuen, gemeinsam eine Kraft hervorbringen, die Polen ändern werde, die hier ein Land entstehen lassen, das für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle freundlich und angenehm ist.

Auch wenn die Toleranz gegenüber LGBT in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat, ist deren Situation auch weiterhin schwierig. Eine Mehrheit unter ihnen verbirgt die eigene Orientierung aus Angst vor Eltern, Bekannten, auch Freunden, wobei auch Verfolgung durchaus zu befürchten steht. Diese Befürchtungen sind begründet, wie eine Untersuchung der Kampagne gegen Homophobie zeigt, denn in unterschiedlicher Form sind 44 Prozent der LGBT-Personen von ausgeübter Gewalt betroffen. In sehr vielen Fällen kommen die Täter aus der nächsten Umgebung. Homosexuelle Minderjährige tragen sich sehr viel mehr als heterosexuelle Gleichaltrige mit Selbstmordgedanken. Deshalb müsse Freiheit die Freiheit auch für diejenigen sein, die anders sind und anders sein möchten, unterstrich Joanna Gwiazdecka, die Leiterin des Warschauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Diskussionsrunde wurde eingeleitet mit dem Auftritt von Yves Aerts und Gerban Horst, die über Erfahrungen im Kampf für Toleranz und beim Schaffen von öffentlichen Solidaritätsräumen in Belgien und den Niederlanden sprachen. Dieser Ausgangspunkt regte die Teilnehmer an, darüber zu streiten und zu debattieren, wie in Polen ein solches Niveau der Akzeptanz, der Toleranz und der Gleichberechtigung von LGBT zu erreichen ist. Vor uns liege noch ein langer Weg, bekannte Dorota Warakomska. Ihr pflichtete der Fernsehjournalist Grzegorz Nawrocki bei: In Polen sei das Coming out auch weiterhin ein Vorgang, der sehr viel Mut brauche, während in anderen europäischen Ländern selbst Konservative tolerant gegenüber LGBT seien.

Nawrocki erinnerte auch daran, dass die Unterstützerbewegung für LGBT, die einst in den USA begonnen habe, bereits auf eine mehr als 40 Jahre bestehende Tradition zurückblicken könne. Dariusz Michalczewski, der als junger Mann in die Bundesrepublik auswanderte, sei stolz darauf, sein Erwachsenenleben im Hamburger Stadtteil St. Pauli begonnen zu haben. Dort habe er viele phantastische Menschen kennengelernt, ihre sexuelle Orientierung war ihm gleichgültig. Nach der Rückkehr nach Polen habe er mit Erschrecken festgestellt, welch großes Problem hier bestehe in der Akzeptanz von und Toleranz gegenüber LGBT-Personen. Er schäme sich, weshalb er sich so aktiv einbringe.

Maja Ostaszewska unterstrich die herausragende Rolle von Künstlern im Kampf gegen die Homophobie. Es sein beschämend, dass wir für etwas kämpfen müssen, was ganz natürlich sei. Sie erinnerte daran, dass auf dem Berliner Filmfestival 2013 die Auszeichnung des Bären für den besten Film, der die Lesben- und Schwulenthematik berührt, an Małgorzata Szumowska ging für die Bilder in «W imiȩ» [Im Namen]. Maria Seweryn, die in dem Theaterstück «Darkroom» spielte und das Stück «Alicja Alicja» aufführte, beides Stücke mit dem Thema homosexueller Liebe, erklärte: Nach wie vor benutzten wir die Sprache, mit der LGBT-Personen stigmatisiert würden, mit der Homophobie verfestigt werde, stattdessen sollten wir die anderen mit Normalität anstecken, mit dem richtigen Herangehen an die Frage. Ich spreche mit den Menschen durch meine Theaterstücke, führe das Publikum an schwierige Themen heran, auch diejenigen, die die verschiedenen sexuellen Orientierungen berühren.

Die Fernsehjournalistin Agnieszka Szulim bemerkte, dass die Boulevardpresse zu einer Radikalisierung bei den öffentlichen Urteilen über LGBT geführt habe. Ihrer Meinung nach gehört es zu den Pflichten von bekannten Persönlichkeiten, in der Öffentlichkeit sofort auf Fälle von Diskriminierung, Feindlichkeit und Hass zu reagieren.

Sie schäme sich, dass in Polen weiterhin Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert würden, dass in Sachen der Toleranz gegenüber LGBT-Personen weiterhin eine tiefe Kluft Polen von anderen europäischen Ländern trenne. Sie möchte in einer Welt leben, in der alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, sich gleichermaßen wohl fühlen, so Monika Płatek, eine bekannte Juristin und Feministin.

Die Diskussionsrunde in Warschau wurde in den polnischen Medien breit diskutiert und kommentiert, rief auch heftige Reaktionen bei den LGBT-Gegnern hervor. Dariusz Michalczewski wurde äußerst heftig attackiert durch einen Brauereibesitzer einer bekannten Biermarke. Das nun wieder rief heftige Empörung in vielen Milieus hervor, wo auch zum Boykott der Biermarke aufgerufen wurde. Schließlich lenkte der Brauereibesitzer ein und entschuldigte sich öffentlich für seine Worte.

Übersetzung aus dem Polnischen: Holger Politt

Darüber, wie Dariusz Michalczewski zu einem Champion für Homosexuellen-Rechte wurde, schrieb Sławomir Sierakowski von der Krytyka Polityczna (Political Critique) jüngst in einem Op-ed From Pugilist to Activist  in der NYT.