News | Afrika Ein Referendum spaltet den Senegal

Am Sonntag den 20. März 2016 sind die WählerInnen im Senegal aufgerufen, über die vom Präsidenten des Landes, Macky Sall, vorgeschlagene Verfassungsreform abzustimmen. Im Gespräch kommentiert Ndongo Samba Sylla, Programm-Manager für den Bereich „Jugend und Politik“ im Büro der Rosa Luxemburg Stiftung Westafrika in Dakar die vorgelegten Verfassungsänderungen.

Was sind die wichtigsten Punkte der zur Abstimmung stehenden Verfassungsreform?

Es geht in der Volksabstimmung um 15 Veränderungen der bestehenden Verfassung. Vor allem die Dauer der Amtszeit des Präsidenten der Republik ist Gegenstand der teils hitzigen Diskussion im Land. Daneben geht es um Fragen, welche den Status der Opposition, neue Rechte für die BürgerInnen, die Etablierung eines neuen Rats für die Bezirksebene und Regelungen zum Grundbesitz betreffen.

Was denken Sie, sind die vorgeschlagenen Verfassungszusätze ein Gewinn an Demokratisierung?

Ich denke die Vorschläge sind zu vage. Es geht um Absichtserklärungen und es ist nicht klar, wie diese Veränderungen eigentlich in die Tat umgesetzt werden. Macky Sall hat eigentlich nur einige Vorschläge aus seiner Wahlkampagne im Jahr 2012 wieder aufgegriffen. Damals waren diese Vorschläge breit diskutiert worden. Seine Mitstreiter von damals setzen sich heute gegen die Verfassungsänderung ein.

Warum wird über die Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten von gegenwärtig 7 auf zukünftig 5 Jahre so heftig diskutiert?

Die Amtszeitverkürzung hat meiner Meinung nach eigentlich keinen Einfluss auf das Leben der Senegalesen. Diese Frage beschäftigt vor allem die politischen Parteien im Land. Dennoch geht es auch hierbei um mehr und zwar um die Moral in der Politik. Macky Sall hat einen Rückzieher gemacht. Sein Wahlversprechen 2012 lautete Amtszeitverkürzung. Und er hat gewonnen, gerade auch mit diesem Versprechen, auch seine erste Amtszeit schon zu verkürzen. Die Senegalesen haben sich viel von ihm erhofft. Einen Wahren Wechsel, vom ersten Präsidenten geboren nach der Unabhängigkeit des Landes.

Wer sind die Unterstützer des NEIN am Sonntag?

Die Kampagne gegen die Verfassungsreformen vereint viele unterschiedliche gesellschaftliche Lager. Man findet dort VertreterInnen der Zivilgesellschaft, wie etwa die Gruppe « Y’en a marre » (Wir haben genug), die 2012 Macky Sall unterstützt hatten, und ihn an sein gegebenes Versprechen erinnern. Aber auch Oppositionsparteien gehören zum Bündnis, da sie sich für die Parlamentswahlen im Jahr 2017 Aufmerksamkeit und Rückenwind von der Kampagne gegen die Verfassungsänderungen erhoffen. Sie erhoffen sich im Jahr 2017 gewinnen zu können und Macky Sall in eine Kohabitation zu zwingen. Das wäre neu für das Land.

Und dann gibt es auch politische Parteien, die angesichts der Reformen gespalten sind. Zum Beispiel die Sozialistische Partei. Die alte Garde unterstützt die Reformen und die neuen Kräfte in der Sozialistischen Partei lehnen sie ab. Khalifa Sall, der Bürgermeister von Dakar, gehört zu jenen, die das Neinlager in der Sozialistischen Partei unterstützen. Er will damit an Profil gewinnen und könnte dann auch bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2019 aussichtsreich gegen Macky Sall antreten.

Und dann gibt es noch jene Neinsager, die das Prozedere der Volksabstimmung ablehnen. Für diesen Teil sind Fragen der Verfassungsänderung Sache des Parlaments und nicht der Bevölkerung. Insgesamt ist die Bevölkerung nur schlecht über die Reformen informiert allein die Frage der Amtszeit bestimmt die Debatte.

Nur wenige Tage vor dem Referendum, wer wird das Rennen machen, das Ja oder das Nein?

Das ist wirklich schwierig zu sagen. In Westafrika werden Referenden eigentlich immer vom Lager des Präsidenten gewonnen. Aber der Senegal überrascht manchmal. Jetzt am Ende der Kampagne geht es eigentlich nur noch um für oder gegen Macky Sall. Es ist das erste umstrittene Referendum in der Geschichte des Landes.

Welche Reformen hätten Sie denn gerne zur Abstimmung gestellt?

Ich bin Anhänger einer partizipativen Demokratie. Wichtig wäre eine Beschränkung der Machtfülle des Präsidenten der Republik. So sollte es dem Präsidenten nicht mehr erlaubt sein die Spitzenmanager in den staatlichen Unternehmen zu bestellen. Um wirkliche saubere Wahlen zu ermöglichen, müsste man auch Klarheit über die finanziellen Verhältnisse der KandidatInnen erhalten. Auch müsste die Parteienfinanzierung neu geregelt werden, damit man auch hier mehr Transparenz erhält. Der Zugang zu öffentlichen Informationen für die BürgerInnen sollte auch neu geordnet werden. Hier im Senegal haben wir es mit einer Verwaltung zu tun, die das Tageslicht scheut. Und schließlich würde ich gerne in der Verfassung eine Möglichkeit vorsehen, dass Volksentscheide in Zukunft auch von den BürgerInnen ausgehen können, das heißt die Menschen haben ein Initiativrecht. Das wäre ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung des Landes.

Interview von Odile Jolys, freie Journalistin.