News | International / Transnational - Europa Von den Schwierigkeiten zwischen Zentrum und Rand

Vom 24.10. bis zum 26.10.2014 fand in Belgrad der Workshop „Core and Periphery in the European Union – a new phenomenon? Challenges for modern left policies in the EU and in Europe” statt.

In Zusammenarbeit des RLS Regionalbüros für Südost Europa in Belgrad mit dem Institut für Gesellschafsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin wurde dieses vierte EU-Experten-Gespräch organisiert.

Das Zentrum-Peripherie-Modell bot den Rahmen für thematisch breit gefächerte Vorträge und Diskussionen, die sich mit der Frage beschäftigten wo man in einer Welt des globalisierten Finanzsystems und transnational agierender Unternehmen die Macht- und Entscheidungszentren verorten kann und wie bzw. wo linke Bewegungen aktiv werden können.

Der Workshop bestand aus vier Teilen. Im ersten Teil „Global context, experience and theoretical basics” wurde das Zentrum-Peripherie-Modell einer kritischen Betrachtung unterzogen. Özge Yaka plädierte dafür, das Modell aus der nationalstaatlichen Perspektive zu befreien und Externalisierungstendenzen auch innerhalb des sogenannten Zentrums sowie Machtunterschiede in der Peripherie in den Blick zu nehmen. Eine multikausale Analyse sei notwendig um die inneren Konflikte und Widersprüche in diesen Regionen offenzulegen und das Konzept somit zu erweitern.

Gleichzeitig wurde jedoch von Johannes Jäger darauf hingewiesen, dass man die Rolle des Nationalstaates nicht unterschätzen solle. Der Diskurs über die „Machtlosigkeit des Staates“ ziele vielmehr darauf ab staatliches Handeln zu delegitimieren und in die Sphäre der Einflusslosigkeit zu verbannen. Das Problem linker Bewegungen sei, dass sie allzu leicht dieses Narrativ übernähmen.

Im zweiten Teil des Workshops ging es um die Transnationalisierung der Produktion und der Kapitalflüsse sowie deren Einfluss auf die Sozial- und Produktionstandards. Stefanie Hürtgen referierte über Produktionssphären in der sogenannten Peripherie. Sie wies darauf hin, dass gerade hier häufig Zentren hochtechnologischer Entwicklung und Produktion anzutreffen seien, quasi „Kathedralen in der Wüste“. Diese Standorte bedienten sich hochqualifizierter Arbeitskräfte und profitierten von einem sehr geringen Lohnniveau und einer Reproduktionssphäre, die nicht in die Kosten miteingerechnet wird. Auf diese Weise zögen sie transnationales Kapital an und würden zu technologischen Innovationszentren, die in einigen Fällen fortschrittlicher und wettbewerbsfähiger als vergleichbare Produktionsstätten im sogenannten Zentrum.

Zur Verdeutlichung des bis dahin thematisierten wurden im dritten Teil verschiedene Fallstudien vorgestellt. Diese setzten sich unter anderem mit dem sogenannten „Land Grabbing“ in der Ukraine, Rumänien und Bulgarien sowie der Finanzialisierung des russischen Wohnungssektors auseinander.

Alexander Kravtchuk schilderte des Weiteren die zu erwartenden Auswirkungen des Assoziierungsabkommens mit der EU für die Ukraine. So sind bereits jetzt die Exporte in die Länder der Zollunion (Russland, Kasachstan und Weißrussland) um 27% und die Importe aus diesen Ländern um 17% zurückgegangen. Hinzu treten die Kosten der Angleichung der ukrainischen Produktion an EU-Standards und die Konkurrenz von ukrainischen mit EU-Produkten. Gleichzeitig muss die ukrainische Regierung Gasschulden gegenüber Russland in Milliardenhöhe begleichen und von Seiten des IWF und der EU werden weitreichende Kürzungen von öffentlichen Geldern als Bedingung zur Erteilung weiterer, dringend benötigter Kredite gefordert.

Im vierten Teil des Workshops und in der anschließenden Diskussion wurde die Frage nach der Möglichkeit und dem Ort linker Intervention gestellt. Hierbei wurde ein Spannungsfeld zwischen regionaler, nationaler und internationaler Verortung sichtbar, in welchem sich linke Bewegungen und Parteien befinden. Zum einen muss der Bezug zu konkreten regionalen bzw. nationalen Problemen gegeben sein um die Menschen direkt ansprechen und Vorschläge unterbreiten zu können. Gleichzeitig dürfen die Bewegungen nicht in einem Nationalismus verhaftet bleiben sondern müssen auf eine transnationale Verknüpfung hinarbeiten.

Die Linke kommt nicht umhin hierzu sich der bereits bestehenden Strukturen auf subranationaler Ebene zu bedienen und zu versuchen in diesen eine alternative Politikkonzeption zu implementieren. Hierfür bieten die Bewegungen in Spanien (Podemos) und Griechenland (Syriza) hoffnungsvolle Partner.

Das bemerkenswert junge TeilnehmerInnenfeld setzte sich aus politischen AktivistInnen und WissenschaftlerInnen vorallem aus den Balkanländern, aber auch aus allen anderen Teilen Europas zusammen. Durch die Konzeption des Workshops, welche genügend Raum zum informellen Austausch ließ sowie durch die Arbeit in Kleingruppen und ein sehr offenes und interessiertes TeilnehmerInnenfeld entstanden rege Diskussionen, nachhaltige Kontakte und das ein oder andere angepeilte Zukunftsprojekt.

Somit bleibt nur noch zu hoffen, dass die Reihe der EU-Experten-Gespräche im nächsten Jahr in eine fünfte Runde gehen kann. Weitere Informationen zum Workshop inklusive aller Beiträge finden Sie unter: Peripherization 

Autor: Phillip Kreutzer ist Masterstudent der Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin und hat ein Praktikum in der Stiftung absolviert.