News | Kultur / Medien - Bildungspolitik - Kommunikation / Öffentlichkeit Der NDR und die Lügenpresse

Stellungnahme zur Berichterstattung über eine Veranstaltung der RLS NRW in Panorama und dem Medienmagazin ZAPP. Von Karl-Heinz Heinmann, Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW.

Lügenpresse? Der NDR-Journalist Wolfgang Berbner macht es uns schwer zu belegen, dass diese rechte Pauschalkritik falsch, ja sogar gefährlich ist. Beispielhaft führt er vor, wie ein öffentlich-rechtlicher Sender sich gegen Kritik immunisiert und dafür auch Fakten verdreht.  
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW fand unerwartete Aufmerksamkeit: Panorama und das NDR-Medienmagazin „Zapp“ berichteten, der Online-Dienst „Huffington Post“ hängte sich an. Thema der Veranstaltung im Kölner DGB-Haus: „War es eine gute Wahl, den Begriff „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres zu erklären – oder beschreibt er nicht zutreffend die Ursache für das wachsende Unbehagen gegenüber den Medien?“
Die Rosa-Luxemburg Stiftung habe sich auf der Veranstaltung an rechte Verschwörungstheorien gegenüber den Medien angehängt, behauptet Berbner.
Mit dieser als Streitgespräch angelegten Veranstaltung  wollten wir eine Kontroverse in der gesellschaftlichen Linken aufgreifen, ein breites Meinungsspektrum zu Wort kommen lassen und zur autonomen Meinungsbildung der Teilnehmerinnen beitragen.  Zu einer solchen Veranstaltung gehört es, dass die Diskutanten auch Positionen äußern können, die in der Öffentlichkeit kontrovers sind, ohne dass sie dafür öffentlich an den Pranger gestellt werden.
Zum Inhalt der Veranstaltung, und wie sie durch Berbner dargestellt wurde: Immerhin misstrauen mittlerweile 60 Prozent der Zuschauer den Fernsehnachrichten. Die Tagesschauredaktion muss sich täglich mit einer Flut von Beschwerden auseinandersetzen. Grund genug also, dass sich öffentlich-rechtliche Medienmacher fragen, warum sie an Glaubwürdigkeit verloren haben und wie sie die zurück gewinnen könnten. Das war unser Thema. Doch Berbner sieht keinen Glaubwürdigkeitsverlust, sondern Hetze durch Verschwörungstheoretiker.
In dem ZAPP-Bericht kommt der Medienkritiker Walter van Rossum zu Wort. Er kritisiert, dass „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres erklärt wurde, denn damit hätten es die Medien leicht, ihre Kritiker pauschal als Pegida-Leute abzuqualifizieren. Genau wegen dieser Position war van Rossum eingeladen worden – zu einem Streitgespräch mit Stephan Hebel, Journalist und Juror für das Unwort des Jahres, der diese Wahl begründete: Mit der Abqualifizierung als „Lügenpresse“ könnten sich die angesprochenen  Medien um eine Auseinandersetzung mit differenzierter Kritik drücken.
Ziel des Streitgesprächs war eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Qualität der Medien, insbesondere mit der Frage, wie weit die öffentlich-rechtlichen noch ihrem Informationsauftrag gerecht werden. Und weil sie das nicht ausreichend tun, werden sie kritisiert, zu recht, wie Stephan Hebel hervorhob.  Doch der Zapp-Beitrag suggeriert genau das Gegenteil: hier würde einer abstrusen Auffassung gehuldigt, dass die Medien gleichgeschaltet und durch Zuruf gesteuert würden. Es wird verschwiegen, dass es sich bei der Veranstaltung um ein Streitgespräch handelte, verschwiegen wird auch, dass es sich um eine gemeinsame Veranstaltung mit der verdi-Betriebsgruppe beim WDR, den „Freischreibern“ und den Nachdenkseiten handelte.
Journalisten überlegten am Morgen: Was soll, was darf ich schreiben, sagt van Rossum. Das wird dann auch in der Sendung zitiert. Und als Verschwörungstheorie ausgelegt. Nein, sagt Stephan Hebel: Journalisten denken gar nicht mehr „was soll ich schreiben“. Sondern sie „hören sich sprechen und wissen nicht, woher der Text stammt“. Er zitiert Erich Fromm: die gesellschaftlichen Verhältnisse bringen uns dazu, dass wir das tun wollen, was wir tun sollen. Der willfährige Bericht des Zapp-Journalisten Berbner  ist ein treffender Beleg dafür.
In der Politik gibt es seit 30 Jahren keine Alternativen mehr zum neoliberalen Mainstream. Umso mehr wäre es doch die Verantwortung der Journalisten, kritische Distanz zu wahren, Alternativen aufzuspüren und zu Wort kommen zu lassen. Professioneller, aufklärender Journalismus wird gebraucht, auch die Internet-Blogger beziehen ihre Informationen von ihnen. Doch stattdessen: Mittelmäßigkeit, Anpassung und vor allem Selbstgerechtigkeit. Darüber waren sich die beiden Journalisten einig. Und NDR-Journalist Thomas Berbner liefert noch einmal den Beweis.
Wer sich selbst ein Bild machen will, hier ein Podcast des Streitgesprächs.

Und hier der Zapp-Beitrag.