News | Gesellschaftliche Alternativen - Sozialökologischer Umbau - COP 21 COP21: Neue Verkleidung für ein altes Abkommen

Pablo Solon | Das Pariser Abkommen wiederholt alte Fehler und wird deshalb scheitern. Was wir brauchen, ist der Wandel von unten. In all den unterschiedlichen Initiativen weltweit liegt die Saat für ein anderes Morgen.

Das Pariser Klima-Abkommen trägt die Fehler des Abkommens vom UN-Klimagipfel in Cancún 2010 in sich und wird, wie auch dieses Abkommen, scheitern. Beide Abkommen basieren auf freiwilligen Versprechen, die den Interessen der Verschmutzer-Industrien und der Regierungen Vorrang geben vor den Bedürfnissen der Menschen und dem Leben auf der Erde.

Um den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, hätte das Cancún-Abkommen sicherstellen müssen, dass der jährliche globale Treibhausgasausstoß bis 2020 auf 44 Gigatonnen Kohlendioxid-Äquivalente reduziert wird. Mit dem Versprechen von Cancún werden wir nun stattdessen 2020 bei 56 Gigatonnen liegen. Eigentlich müsste das Pariser Abkommen sicherstellen, dass wir die globalen Emissionen bis 2030 auf 35 Gigatonnen jährlich verringern. Mit den freiwilligen Selbstverpflichtungen der Staaten, den Intended Nationally Determined Contributions (INDC), werden wir allerdings bei 60 Gigatonnen liegen und die Grenze damit um fast das Doppelte überschreiten.

Paris setzt der Förderung der Fossilen kein Limit

Beide Abkommen verhindern ganz bewusst das, was wir am meisten brauchen: der Förderung fossiler Energien (d.h. Öl, Kohle und Gas), die für 60 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, ein Limit zu setzen. Wenn nicht 80 Prozent der bekannten fossilen Reserven in der Erde bleiben, wird es unmöglich sein, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Ebenso wenig verhindert das Pariser Abkommen in seiner jetzigen Form, dass die Entwaldung auf der Erde bis 2020 auf Null heruntergefahren wird, ein Ziel, auf das sich die UN-Staaten - in dem Bewusstsein, dass die Entwaldung für 17 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist - kürzlich im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (Sustainable Development Goals) verständigt haben. Ganz im Gegensatz zu diesem Ziel setzen die Staaten aber auch weiterhin auf Kohlenstoffmärkte und CO2-Kompenstationsmechanismen (Carbon-Offsets), die es ihnen erlauben, die natürlichen Wälder durch Baum-Monokulturen zu ersetzen.

Schließlich legen weder das Cancún-Abkommen noch das Pariser Abkommen Mechanismen fest, die die Inhalte der Abkommen verbindlich machen. Die unzureichende Finanzierung für Anpassung und Klimaschutz ist unsicher; in Wahrheit ist "der Kaiser völlig unbekleidet".

Ein anderes Morgen ist möglich!

Die Zukunft ist nicht festgeschrieben. Sie hängt von dem ab, was wir heute tun. Was auf dem UN-Klimagipfel COP21 geschieht, ist das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem große Konzerne die Regierungen und die Klimaverhandlungen gekapert haben. Das Pariser Abkommen ist ein guter Deal für Politiker, die nach Anerkennung und Wiederwahl streben, denn es zwingt sie in keiner Weise, irgendetwas zu tun. Auch für die fossilen Industrien ist es ein guter Deal, denn sie können genauso weiter machen wie bisher und von Kohlenstoffmärkten wie REDD+, der klima-smarten Landwirtschaft, CDM+, Zertifikaten für Landnutzungsänderungen und falschen technologischen Lösungen wie CCS, Bioenergie und Geoengineering profitieren.

Um ein anderes Morgen zu schaffen, müssen wir unsere Fähigkeit zu träumen zurückgewinnen und den Weg heraus aus dem "Katastrophismus" finden, an den wir durch die Massenmedien gewöhnt sind.

Ein schneller und zeitnaher Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien ist machbar. Die Technologien, die das möglich machen, sind vorhanden. Die Kosten für Wind- und Sonnenenergie sind bereits drastisch gesunken und sie werden noch weiter sinken. Es ist überhaupt kein Ding der Unmöglichkeit, dass ein Land mit einer so hohen Sonneneinstrahlung wie Bolivien im Jahr 2020 ein Viertel seiner Energie aus Solarzellen bezieht. Jetzt noch auf Nuklearenergie und Megadämme für Wasserkraftwerke zu setzen, ist weder aus Umweltsicht noch in ökonomischer Hinsicht gerechtfertigt. Heute ist es möglich, sich eine Welt vorzustellen, die auf Sonnenenergie, Windenergie, Mikro-Wasserkraft und anderen nachhaltigen Energieformen basiert.

Eine der zentralen Fragen hierbei ist nicht nur, auf welche Arten von Energie wir setzen, sondern auch, wer die Anlagen kontrolliert, welche Größe sie haben und wem sie letztlich nützen. Der Wandel, den wir brauchen, ist deshalb nicht nur ein Wandel weg von den fossilen Energien, sondern auch ein Wandel weg von einem zentralistischen Staat und weg von einer Privatwirtschaft, die der Logik des Geldes und der Macht gehorcht. Die Solarenergie, die wir voranbringen sollten, besteht nicht aus riesigen Solaranlagen, die Indigene und Landbevölkerung vertreiben. Stattdessen sollten wir Familien, Dörfer und Städte dabei unterstützen, ihre eigenen Anlagen aufzustellen, denn diese Anlagen stärken die Zivilgesellschaft und machen aus bloßen Konsumenten Energieproduzenten.

Die Zukunft, die wir wollen, wird weder durch den Staat noch durch die Privatwirtschaft geschaffen

Heute besteht der Kampf gegen den Klimawandel außerdem in der Verteidigung unserer Wälder gegen die Zerstörung durch die Agrarindustrie. Die natürlichen Wälder sind eine wesentliche Nahrungsgrundlage, wenn man weiß, wie man mit den verschiedenen Methoden der ökologischen Forstwirtschaft mit ihnen leben muss. Ganz davon abgesehen, dass jeder gerodete Hektar Wald 300 bis 500 Tonnen Kohlendioxid freisetzt, ist die Rodung immer ein Angriff auf die Artenvielfalt, auf die Quelle unserer Sauerstoffversorgung, auf die natürlichen Wasserkreisläufe und auf die indigenen Völker, die in den Wäldern leben. Um den Verlust eines einzigen Hektars Wald als Kohlendioxidspeicher zu kompensieren, müssen 8 bis 16 Hektar Wald neu gepflanzt werden und man muss 10 bis 15 Jahre warten, bis die Bäume die entsprechende Größe erreicht haben. In jeder Hinsicht ist es deshalb viel sinnvoller, die Abholzung der natürlichen Wälder zu stoppen.

Eine bäuerliche Landwirtschaft in der Hand von Familien, Kleinbauern und kleine Gemeinschaften trägt nicht zur Erderwärmung bei. Die kleinbäuerliche ökologische Landwirtschaft ist außerdem eine echte Alternative zur Vergiftung, die uns die Agrarindustrie mit ihren toxischen Substanzen und genveränderten Organismen beschert.

Die Zukunft, die wir wollen, wird weder durch den Staat noch durch die Privatwirtschaft geschaffen. Beide dürfen nicht länger im Zentrum unserer Politik und unserer Ökonomie stehen. Damit endlich die Menschen selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen. Was wir brauchen, sind Initiativen, die die Wirtschaft und die Politik, die jetzt dem Willen von Banken, transnationalen Konzernen, der staatlichen Bürokratie und dem Militarismus gehorchen, dezentraler und demokratischer machen. Die Alternative zum Klimawandel ist die Schaffung einer echten Demokratie. Die Antwort liegt in einer selbst-organisierten, selbst-bewussten und sich selbst stärkenden Menschlichkeit, die stärker auf sich selbst und auf die Kräfte der Natur vertraut als auf Technologie und die Kräfte des Marktes. Die Lösungen werden nicht von oben kommen, sie müssen von unten entwickelt werden.

In den verschiedenen Initiativen liegt die Saat für ein anderes Morgen

Die COP21 ist ein feiger Zeuge all der Klimaverbrechen, die weltweit passieren. Deshalb liegt die Antwort in den lokalen und konkreten Erfolgen, die wir von unten bewirken - in der Veränderung unseres Konsumverhaltens, in der Veränderung unserer Art zu produzieren und der Veränderung unseres Lebensstils insgesamt. Wir müssen tagtäglich am Systemwechsel arbeiten: durch Aktionen wie "Ende Gelände", die es auf die deutsche Kohlewirtschaft abgesehen haben, durch die indischen Protesten gegen Atomkraftwerke, durch die Solarinitiativen in Bolivien, durch die Ausbreitung der kleinbäuerlichen ökologischen Landwirtschaft, die klimafreundlich ist und unsere Wälder bewahrt, und durch viele Aktionen mehr.

Wir sollten die Mobilisierung zum Pariser Klimagipfel nutzen, um all diese Initiativen zu koordinieren und zu stärken, denn in ihnen liegt die Saat für ein anderes Morgen.