News | Rosa-Luxemburg-Stiftung «Vorwärts, aber das nicht vergessen! Zwei Aufträge für die Linke»

Grußwort von Hans-Ulrich Jörges zum 25. Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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Journalist Hans-Ulrich Jörges beim Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung 2015
Journalist Hans-Ulrich Jörges beim Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Gratulation zunächst zum Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Es gibt nicht viele unbefleckte Namen in der jüngeren deutschen Geschichte. Rosa Luxemburg ist ein solcher großer Name. Er schmückt und verpflichtet Sie. Sie können ihn mit Stolz tragen.

Ich war schon zweimal in der Bundestagsfraktion zu Kritik der Linken eingeladen. Das war sehr lebendig und hat großen Spaß gemacht. Aber diese Gespräche haben sich eher auf der tagespolitischen und taktischen Ebene bewegt. Bei Ihnen, der Denkfabrik der Linken, möchte ich eher grundsätzlich reden, strategisch.

 Die Linke als Partei und politische Bewegung hat ihren festen Platz gefunden im politischen System der Bundesrepublik. Sie hat streckenweise sogar aus der Opposition mitregiert, so großen Druck erzeugt, dass sie die Politik insgesamt ein Stück nach links gerückt hat. Den Mindestlohn, die Sozialdemokraten im Saal mögen mir verzeihen, gäbe es nicht ohne die Linke.

Aber die Linke hat sich damit eher als linkssozialdemokratische denn als sozialistische Partei profiliert. Ihre Zukunft kann nicht darin liegen, wie linke Sozialdemokraten höheren Mindestlohn, auskömmlichere Renten oder eine Vermögensteuer zu fordern. Bliebe es dabei, stellte sich historisch die Frage nach der Vereinigung der beiden Parteien. Die Linke wäre dann nur Produkt der strategischen Dummheit der SPD nach der Wiedervereinigung. Das kann man so sehen, auch ich habe wiederholt für eine Vereinigung mit der SPD geschrieben; aber zwangsläufig ist das keineswegs.

 In der Präambel des Programms der Partei, die Ihnen nahe steht, heißt es: «Die Linke als sozialistische Partei steht für Alternativen.» Und weiter: «Wir brauchen ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.» Da wären wir – verzeihen Sie bitte die anmaßende Formulierung – bei meinem ersten Auftrag. Ich finde, die Linke – in diesem Fall vor allem ihre Denkfabrik, die Rosa-Luxemburg-Stiftung – hat die Aufgabe, auf Basis der Erfahrungen mit dem gescheiterten Experiment der DDR, ein Modell für einen solchen demokratischen Sozialismus zu diskutieren und zu entwickeln. In der SPD ist «demokratischer Sozialismus» eine Traditionsformel. Bei Ihnen sollte er mit Leben, mit Zukunft gefüllt werden. Nicht wenige in der Gesellschaft erwarten das von Ihnen. Und zwar mit beiden Schwerpunkten: Demokratie und Sozialismus. Wie verstehen Sie das eine, wie das andere? Das heißt, Vorstellungen zu entwickeln über die Vervollkommnung der Demokratie. Nur parlamentarisch, repräsentativ – oder auch direkt, und wenn ja, wann und wo? Ohne dass direkte Demokratie zur Diktatur der Minderheiten wird.

Noch wichtiger erscheint mir aber, wenn von Sozialismus die Rede ist, die Eigentumsfrage zu stellen. Staatseigentum kann es nicht sein – und falls doch, dann nicht pauschal und im Einzelfall sehr gut begründet. Der Ruf nach Verstaatlichung der Banken ist keine Antwort. Ebenso wenig die Beschwörung von Ludwig Erhard. Taktisch mag das witzig sein, als aufrichtig empfinde ich es nicht. Nein, die Eigentumsfrage zu stellen, heißt neue Formen des gelebten, des funktionsfähigen, des ökonomisch effizienten Masseneigentums zu entwickeln. Wenn der Begriff nicht so schrecklich missbraucht und entwertet worden wäre, würde ich sagen: des Volkseigentums. Da bietet das untergegangene jugoslawische Modell Ansatzpunkte, aber auch die heute schon vorhandenen, allerdings unterentwickelten, vielfältigen Modelle der Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern. Warum gibt es die nicht in allen Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung, gesetzlich vorgeschrieben oder gar im Grundgesetz verankert und mit Folgen für die demokratische Organisation von Unternehmen? Kluge Mittelständler haben das längst erkannt – und praktizieren es so phantasievoll wie weitsichtig. Wo Direktbeteiligungen nicht möglich sind, etwa in sehr kleinen Unternehmen oder im Öffentlichen Dienst, sind gesellschaftliche Fonds denkbar, die Unternehmertum nicht ersticken lassen. Über all das ist auch in den Gewerkschaften jahrzehntelang diskutiert worden, aber am Ende hat man es immer wieder aufgegeben. Sie müssen sich entscheiden. Entweder Sie sagen: Die Reichen werden immer reicher, weil sie Kapital besitzen. Oder Sie sagen: Kapital ist zu riskant für Arbeitnehmer. Beides zusammen geht aber nicht.