News | International / Transnational - Globalisierung - Afrika - Westafrika Organisierte Kriminalität, Staat und Terrorismus in Afrika

Ein Seminar mit internationalen WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und AktivistInnen in Dakar stellt schwierige Fragen.

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Armin Osmanovic,

Knapp 20 WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und AktivistInnen aus Afrika, Europa und Nordamerika kamen am 19. und 20. April 2016 in Dakar auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Westafrika und der Global Initiative Against Transnational Organised Crime zusammen, um über die Verbindungen von Organisierter Kriminalität, staatlichem Handeln und Terrorismus in Afrika zu diskutieren.

 Vor dem Hintergrund der gewachsenen Terrorgefahr in weiten Teilen des Kontinents war die Diskussion von großer Aktualität. Emmanuel Mayah, investigativer Journalist aus Nigeria, berichtete in seinem Vortrag von Verbindungen der Terrorgruppe Boko Haram und der Organisierten Kriminalität in seinem Land. Dabei liefern Kriminelle den Terrorgruppen nicht nur Waffen, sondern verfügen auch über sehr gute Verbindungen zur die Politik, so dass die Grenzen zwischen Staat, Organisierter Kriminalität, Korruption und Terror sich auflösen. Stattdessen hat man es mit einem Geflecht von Beziehungen zu tun, welche die Frage aufwerfen, ob es den «Staat» in diesem Sinne in Nigeria überhaupt noch gibt.

Die Frage nach der Staatlichkeit und der Beziehung zwischen Staat und Kriminalität in Afrika bestimmte denn auch die Diskussion des Seminars. Auch Gladwell Otieno von der NRO Global Initiative against Transnational Organised Crime ging in ihrem Beitrag der Frage nach, inwieweit sich in Kenia staatliche Institutionen, in diesem Falle vor allem das Militär, im Kampf gegen die Terrorgruppe Al Shabab nicht nur Verletzungen der Menschenrechte schuldig machen, sondern selbst «terroristisch» handeln, wenn sie im Namen des Anti-Terrorkampfes ZivilistInnen misshandeln.

William Reno von der Northwestern University in den Vereinigten Staaten ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob die Verbindung von Terrorismus, Kriminalität und Staat in Afrika besondere Formen annimmt. Nach seiner Einschätzung ist die Lage in Westafrika keineswegs anders als in Afghanistan oder im Irak, wo er ebenfalls geforscht hat. In Westafrika, wie woanders auch, geht es für die externen Akteure, also etwa die EU, die USA oder die NATO, vor allem um die Beschaffung von Informationen über mögliche terroristische oder kriminelle Entwicklungen, die die Sicherheit bedrohen könnten. Bei der Beschaffung der Informationen ist man nicht zimperlich. Man ist von den PolitikerInnen in den Krisenregionen, den «Gatekeepern», abhängig, die ihre Position nutzen und dies auch manipulativ, so dass externe Akteure, häufig wissentlich oder auch nicht, zweifelhafte Deals mit diesen PolitikerInnen im Kampf gegen den Terror eingehen.

Eine weitere zentrale Frage des Seminars war, ob externe Akteure überhaupt Interesse an der Organisierten Kriminalität und Korruption und dem Stand der Staatsentwicklung bzw. der Regierungsführung in Afrika haben. Manche der TeilnehmerInnen waren der festen Überzeugung, dass lediglich Fragen wie Terrorismusbekämpfung und Migration für die EU und die USA von Interesse sind und dass in diesem Lichte mehr noch als heute die Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft geprägt sein wird.

Neben diesen «großen» Fragen beschäftigte sich das Seminar auch mit einzelnen Fällen, so etwa mit der Verflechtung der einflussreichen Industriellenfamilie Gupta in Südafrika mit dem dortigen Präsidenten Jacob Zuma und dem ehemaligen Boss der Johannesburger Unterwelt Radovan Krejcir. Mark Shaw von der Universität in Kapstadt sprach in diesem Zusammenhang von Johannesburg als «Frontier»-Stadt, in der nicht alles aber vieles möglich ist, das woanders vom Staat und seinen Autoritäten nicht geduldet würde. Denn Teile der staatlich-institutionellen Landschaft seien auch in Südafrika nur wenig gefestigt, so dass Kriminelle sich in vielen Bereichen der Gesellschaft leichten Zugang verschaffen könnten.

Das Seminar in Dakar bildet den Abschluss einer Serie von Seminaren, die 2014 zunächst in Kapstadt und dann in Johannesburg auf Einladung der RLS, der Initiative Against Transnational Organised Crime und dem Afrikahistoriker Stephen Ellis, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist, begonnen wurde.

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