News | Rosa-Luxemburg-Stiftung - Studienwerk Stipendiat wird Gemeinderabbiner

Lior Henry Bar-Ami wird im Dezember 2016 zum Rabbiner in Toulouse ordiniert

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Lior Henry Bar-Ami ist seit Dezember 2016 Gemeinderabbiner einer Synagoge in Toulouse

Während seines Studiums der Jüdischen Theologie am Abraham Geiger Kolleg der Universität Potsdam wurde er von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit einem Stipendium gefördert.

Das Interview führte Jannine Hamilton, Pressesprecherin der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Was verändert sich in deinem Leben – oder hat sich bereits verändert – dadurch, dass Du im Dezember zum Rabbiner ordiniert wirst?

Das ist eine sehr wichtige und große Frage. Ich habe bereits während meines Studiums am Abraham Geiger Kolleg Praktika in unterschiedlichen Gemeinden absolviert. Ich war unter anderem in Göteborg, Göttingen, Stettin, Konstanz, Rom, Beit HaKerem (Jerusalem), Toulouse und dem Jüdischen Krankenhaus in Berlin als Rabbinatsstudent unterwegs und habe Gottesdienste zum Schabbat und den Feiertagen geleitet, unterrichtet und Menschen seelsorglich betreut. Das war ein besonderer Teil meiner Ausbildung, der mir am meisten Spaß gemacht hat. Ich habe das Rabbinat gewählt, um mit Menschen zu arbeiten und sie in ihrem Leben ein Stück weit zu begleiten: als Rabbiner, Lehrer, Seelsorger und Freund. Aber bisher geschah dies stets als Praktikant. Nun bin ich Gemeinderabbiner der liberalen Synagoge Roua'h Kidmah (hebr. für „fortschrittlicher Geist“) in Toulouse und stehe sozusagen auf eigenen Beinen. Ich habe weiterhin Rückhalt meiner Mentoren in den USA, Israel und Deutschland, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, bin aber nun verantwortlich für die Entscheidungen, die ich als religiöse Autorität, Gemeinderabbiner und Seelsorger treffe. Dieses ist ein großer und wichtiger Schritt, der zunächst noch ungewohnt, manchmal unbehaglich, und gleichzeitig wichtig und schön ist. Ich freue mich sehr über das herzliche Willkommen, das man mir in Toulouse bereitet hat, und ich bin dankbar, dass ich in dieser Gemeinde arbeiten darf. Die Belohnung für diesen Schritt sehe ich in den Menschen, die sich darüber freuen und stolz darauf sind, nun einen eigenen Gemeinderabbiner zu haben, der auch in Toulouse lebt. Zuvor hatte die Gemeinde "Flying Rabbis", damit meine ich Rabbinerinnen und Rabbiner, die für einige Tage in die Stadt kommen und Gottesdienste leiten, unterrichten und für die Menschen da sind. Ich bin der erste liberale Rabbiner, der auch in Toulouse lebt.

Du bist Mitglied im Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Wie reagieren Gemeindemitglieder darauf?

Das liberale Judentum steht für die Offenheit und für ein Judentum in allen seinen Facetten. Dazu gehört die Gleichheit von Mann und Frau und auch die Vielfalt der menschlichen Sexualitäten. In liberalen Gemeinden sind alle Jüdinnen und Juden willkommen, egal welcher Sexualität oder Gender-Identiät sie sind. Dieses ist ein wichtiger und entscheidender Punkt für mich. Die Gemeindemitglieder reagieren positiv darauf und sehen sich auch darin bestätigt. Viele wählen das liberale Judentum gerade deswegen, weil hier das 21. Jahrhundert nicht vor den Türen der Synagoge zurückbleibt, sondern weil wir das 21. Jahrhundert mit in die Synagoge bringen. Ich bin Mitglied im LSVD und vertrete dieses als Rabbiner auch, da ich für den Respekt und die Akzeptanz für LGBTI- Jüdinnen und -Juden einstehe. Gerade deshalb habe ich mich über die Einladung gefreut, am 11. September 2016 erstmals die jüdische Hochzeit eines schwulen Paares in Rom und Italien feiern zu dürfen und ein Paar, das schon 10 Jahre zusammen lebt, unter der Chuppa, dem Hochzeitsbaldachin, zu trauen.

Schon während Deines Studiums bist du viel herumgekommen und hast Gemeinden in Jerusalem, aber auch in den USA in Virginia und Denver kennengelernt. Welche dieser Reisen hat Dich am meisten geprägt?

Jede der Gemeinden, in denen ich tätig war, hat mich und mein zukünftiges Rabbinat geprägt. Jede Gemeinde ist besonders, da unterschiedliche Menschen in ihr zusammenkommen, die sie ausmachen. Jerusalem und die USA haben mich in dem Sinne besonders geprägt, da hier meine Mentoren und Angehörige meiner Familie leben, die einen entscheidenden Teil zu meiner Ausbildung beigetragen haben. Diese Rabbinerinnen und Rabbiner waren es, die mich zum Rabbinat gebracht und auf dem Weg ins Rabbinat begleitet haben.