
Wir leben in extrem politisierten Zeiten. Die Diskussionen ändern sich schnell und sind oft hitzig. Manchmal werden absichtlich falsche Behauptungen aufgestellt, und es ist nicht immer leicht, Fake News von Fakten zu unterscheiden. In unserer Serie «Was ist eigentlich …?» erklären wir wichtige Begriffe aus der politischen Diskussion und zeigen, welche Interessen und Konflikte dahinterstecken.
Die Vermögenssteuer ist eine Steuer auf das Nettovermögen von Privatpersonen – also auf das Vermögen, das nach Abzug aller Schulden tatsächlich einer Person gehört. Sie soll vor allem große Vermögen betreffen. Deutschland gehört zu den ungleichsten Demokratien der Welt. Das superreiche oberste Prozent besitzt mehr als ein Drittel des gesamten Privatvermögens, die reichsten zehn Prozent mehr als zwei Drittel. Die ärmere Hälfte teilt sich den kleinen Rest. Jede fünfte Person hat gar keine Ersparnisse oder ist verschuldet.
Die Umverteilung von unten nach oben umkehren
Die Vermögensteuer gab es lange in Deutschland, wurde aber 1997 ausgesetzt. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahrzehnten die Steuern auf hohe Einkommen und Unternehmensgewinne immer weiter gesenkt worden. Auch die Erbschaftsteuer wurde so ausgeschwächt, dass superreiche Eigentümer*innen ihre Betriebe oft fast steuerfrei vererben können.
Inzwischen wird der Ruf nach einer Vermögenssteuer wieder lauter – für Milliardär*innen aber auch für (Multi-)Millionär*innen. Vorgeschlagen werden Steuersätze zwischen ein und drei Prozent, die bei höherem Vermögen steigen können. Meist soll die Steuer erst oberhalb eines bestimmten Freibetrags gelten, zum Beispiel ab dem ersten Euro über einer Million Euro Privatvermögen. Für Betriebsvermögen sind zusätzliche Freibeträge von zwei und fünf Millionen Euro im Gespräch. Außerdem fordern viele, Ausnahmen und Bevorzugungen für große Vermögen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer abzuschaffen oder eine Übergewinnsteuer auf außergewöhnlich hohe Unternehmensgewinne einzuführen.
Breite Mehrheiten für die Vermögenssteuer
Die Einführung einer Vermögens- oder «Reichensteuer» für Millionär*innen und Milliardär*innen ist politisch umstritten. Gegner*innen warnen, sie könnte Unternehmen belasten, Arbeitsplätze gefährden und Investitionen oder ganze Betriebe ins Ausland vertreiben. Solche Argumente werden vor allem von wirtschaftsnahen Lobbyverbänden und konservativen Parteien und Medien verbreitet – sie sind jedoch wenig stichhaltig.
Befürworter*innen betonen dagegen die soziale Gerechtigkeit. Sie sehen in der Besteuerung hoher Vermögen auch einen Ausweg aus der aktuellen Sparpolitik («Austerität»): Während die öffentliche Daseinsvorsorge seit Jahren kaputtgespart wird, sind private Gewinne von Unternehmen und aus Kapitalanlagen stetig gestiegen. Die Vermögenssteuer könnte hier die Einnahmeseite des Staates verbessern.
Darum sprechen sich große Mehrheiten in der Bevölkerung laut Umfragen immer wieder für eine Vermögenssteuer aus – auch Wähler*innen von CDU oder CSU, obwohl die Unionsparteien sich konsequent dagegen positionieren.
Ausweg aus der Sparpolitik
Progressive Parteien wie Die Linke, aber auch Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern eine Vermögenssteuer. Denn die Reichsten profitieren vom Gemeinwesen und sollen deshalb stärker zu seiner Finanzierung beitragen. Eine solche Steuer könnte die extreme Vermögenskonzentration verringern und mehr soziale Gerechtigkeit schaffen. Die Einnahmen fließen an die Länder und Kommunen, die so dringend nötige Investitionen etwa in bezahlbares Wohnen, Gesundheit, Bildung oder Klimaschutz finanzieren könnten.
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Redaktionelle Betreuung: Henning Obens



