
Ich sitze im Zug – mit dem ICE von Berlin bis Leipzig, dann weiter mit dem RE Richtung Chemnitz. Draußen ziehen endlose Felder, verfallene Bahnhofshallen und Industriegebäude vorbei. Und immer wieder: Garagen. Oft in Reihen als Teil eines großen Komplexes, manche vereinzelt neben Q3A-Bauten[1]. Einige frisch gestrichen, akribisch gepflegt, andere mit Efeu überwachsen.
Die Garage prägt den ländlichen und urbanen Raum in Ostdeutschland bis heute. Diese zumeist wellblechernen Zeitzeugen scheinen schon allein wegen ihrer Größe aus der Zeit gefallen, der Standardtyp «Crottendorf» misst 5,3 x 2,95 x 2,5 m. Dennoch oder auch deshalb lösen sie nach wie vor hitzige Debatten um ihren Abriss oder Erhalt aus. Noch immer werden Kämpfe um dieses alltagskulturelle Erbe der DDR geführt – um Anerkennung, Identität, die Frage von kollektiv genutzten und selbstorganisierten (Frei)räumen in Städten und auch auf dem Land.
Schon in der DDR ging es bei den Garagen um weit mehr als nur einen Schutzraum für Trabant oder Wartburg.
In den Garagenzeilen lernten Kinder Radfahren, es wurde geschraubt, Ersatzteile wurden getauscht, handwerkliches Wissen weitergegeben und so «von unten» zu einer funktionierenden Mobilität beigetragen. Nach Arbeitseinsätzen waren sie ein Treffpunkt, wo gern gemeinsam gegrillt oder ein Feierabendbier getrunken wurde. Aus den zumeist funktionalen Orten produzierten Garagenbesitzer*innen und Nachbarschaft «eigen-sinnige»[2] Alltagsräume im Dazwischen, zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Kollektive Räume, die dennoch Platz für (männlichen) Rückzug und Individualität boten.
