Die Wohnsituation und die Belastung durch die Energiekosten in Mehrfamilienhäusern sind stark vom Einkommen abhängig, zeigt eine aktuelle Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mietende mit geringem Einkommen haben eine deutlich kleinere Pro-Kopf-Wohnfläche und zahlen dennoch prozentual deutlich mehr für ihre Heizkosten. Hinzu kommt, dass die unteren Einkommensklassen überwiegend in älteren Gebäuden wohnen. Haushalte in neueren Gebäuden ab Baujahr 2001 haben durchschnittlich zwanzig Prozent weniger Heizenergieausgaben. Nur fünf Prozent der Haushalte des unteren Einkommensdrittels wohnen jedoch in solchen Häusern.
Die Streuung innerhalb der Einkommensgruppen kann hoch sein, so dass einige Haushalte deutlich stärker durch ihren Energieverbrauch belastet sind als der Durchschnitt. Das gilt insbesondere für Rentner*innen, wo eine vergleichsweise große Wohnfläche besonders ins Gewicht fällt, da sie oftmals in den früheren Familienwohnungen leben. Am höchsten ist die durchschnittliche Energiekostenbelastung für Arbeitslose. Schon vor der Energiepreisekrise haben sie 4,5 Prozent ihrer verfügbaren Mittel für Wärmeenergie aufbringen müssen. Im letzten Jahr hat sich das auf fast verdoppelt (8 Prozent). Die Studie weist nach, dass die Politik sich in der Wärmewende auf besonders vulnerable Gruppen konzentrieren muss. «Da in schlecht sanierten Häusern aber überdurchschnittlich viele Gering- und Durchschnittsverdienende leben, ließen sich solche ökologische Sanierung mit hohen Treibhausgaseinsparungen ganz praktisch mit Alltagsverbesserungen für diejenigen verbinden, die diese am meisten brauchen», so Daniela Trochowski, Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die Studie kritisiert ferner pauschale Maßnahmen zur Kompensation der angestiegenen Energiekosten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, etwa das Energiegeld für Arbeitnehmende und Selbstständige im 3. Entlastungspaket und die Energiepreisbremsen auf Basis historischer Verbräuche. Beide bevorteilen tendenziell einkommensstarke Haushalte, wie die Untersuchung zeigt. «Es wäre besser, statt dem Gießkannenprinzip, gezielt Maßnahmen für besonders Betroffene umzusetzen, damit diese Haushalte entlastet werden», erklärt Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Bereichsleiterin Energie & Klimaschutz am Öko-Institut. «So könnten die frei gewordenen Gelder in langfristige Maßnahmen investiert werden.» Die Studie stellt fest, dass dazu unter anderem ein Direktzahlungsweg an die Haushalte geschaffen werden muss. Das in der Studie angeführte Beispiel Österreich zeigt, dass dies möglich ist.
Die Studie liefert Argumente dafür, sich in der Wärmewende auf besonders vulnerable Gruppen zu konzentrieren. Dies berührt aus Sicht der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Trilog-Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, dem EU-Ministerrat und der Europäischen Kommission zur Novelle der EU-Gebäude-Richtlinie (EPBD). Hierbei droht der aus sozialer wie ökologischer Sicht sinnvolle Ansatz zu scheitern, zuerst jene Gebäude zu sanieren, die den schlechtesten Energiestandard aufweisen (Minimum Energy Performance Standards, MEPS), sollte sich in den Verhandlungen der EU-Ministerrat mit seiner Position gegen den in dieser Frage fortschrittlichen Beschluss des EU-Parlaments vom 14. März durchsetzen.
Alrun Kaune-Nüßlein,
Bereichsleiterin Politische Kommunikation
Rosa-Luxemburg-Stiftung
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