Publication Geschlechterverhältnisse Bilanz und offene Fragen

... nach drei gesellschaftspolitischen Foren der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum geschlechtergerechten Profil einer Neuen Linken

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Eva Schäfer,

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June 2007

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Dr. Eva Schäfer, Juni 2007

Referentin der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Politische Bildung/Geschlechterverhältnisse
Koordinatorin des Gesprächskreises „Frauen und Politik“

Franz-Mehring-Platz-1; 10243 Berlin
Tel.: 030/ 44310 133 
Fax:  030/ 44310 222
mail: E-Mail Link folgt schaefer@rosalux.de

Forum 1: Neue Chancen – alte Kämpfe. Geschlechterverhältnisse in den Debatten der Linken (10. und 11. März 2006 in Mainz)

Inhaltliche Schwerpunkte lauteten:

  • Politikweisen und Politikkulturen in linken Zusammenhängen
  • Sprache und Begrifflichkeit
  • inhaltlichen Bausteine linker Politik
  • Was bracht es konkret zur Umsetzung eines geschlechtergerechten Profils nach innen?

Erkenntnisse und offene Fragen

1. Radikale Transformation von Gesellschaft bedeutet massiv veränderte Bedingungen politischen Handelns (Corinna Genschel)

  • neben einer „Zerklüftung des Sozialen“ haben sich auch die Herrschaftsformen gewandelt
  • öffentliche Entscheidungsverfahren werden ökonomisiert und privatisiert
  • allein mit den tradierten Kampfbegriffen und klaren Opfer-Täter-Fixierungen der (west-)deutschen Frauenbewegung aus den 1970er 1980er Jahren ist dem nicht beizukommen
  •  Aufbruch der neuen Linken ist wichtiger Versuch, mit der Hegemonie neoliberaler Politik und Praxis zu brechen

Offene Fragen: Irritation angesichts des neoliberalen Überholvorgangs

  • Wo soll feministische Politik ansetzen, wenn auch die Geschlechterverhältnisse radikalen Transformationen unterworfen und bisherige Geschlechterpositionen nicht mehr eindeutig bestimmbar sind?
  • bei der massiver Verlagerung öffentlicher Leistungen in die private Sphäre (care economy) nach wie vor Frauen, die für reproduktive Aufgaben verantwortlich – aber: zunehmend differenzierte soziale Lage auch unter Frauen – individuelle Lösungen
  • Wo ansetzen, „wenn ‚Frauenpolitik’ (reduziert auf Gleichstellung und Vereinbarkeit) zum ideologischen Bestandteil von Regierungspolitik wird?

2. Die gegenwärtigen Transformationen – so geschlechtslos sie auch immer dargestellt werden – sind vergeschlechtlicht und wirken vergeschlechtlichend. (zit. Nach Corinna Genschel)
Emanzipatorische Geschlechterpolitik hat in das Projekt einer Neuen Linken einzubringen:

  • feministisches Wissen „um die Verknüpfung von Ökonomie und Kultur in der Konstruktion sozialer Ordnung, symbolischer Gewalt und Sozialität“
  • „dass ‚Gesellschaft’ nicht lediglich geordnet ist durch materielle Verteilungsfragen, sondern eine kulturell-symbolische Ordnung bezeichnet, die Fragen der Verteilung definiert und ordnet, die festlegt, was zu verteilen ist (z.B. Arbeit) und welche Bedürfnisse wie anzumelden sind (Frage der Anerkennung als legitimes Subjekt).“ (zitiert nach Corinna Genschel)

Offene Fragen:

  • Wie aber kann dieses Wissen wirksam werden?
  • Wie kann es anwendbar, diskutierbar und präsent gemacht werden – als wesentlicher Teil des linken Diskurses und einer politischen Praxis der Neuen Linken?

3. Geschlechtersensibler Innen-Blick auf die Linke(n):
„Die zentrale Erkenntnis, dass es eine hierarchische Geschlechterordnung gibt, ist offensichtlich im Programm der WASG nicht angekommen.“ (Ulrike Schleier, Beitrag Forum Mainz)

  • PDS/Linkspartei-Programmatik (u.a. Eckpunktepapier): Frauen nicht als Akteurinnen und Subjekte
  • Eindruck, als ließe sich Geschlechtergerechtigkeit durch einige frauenpolitische Reformen erreichen.
  • Begriffe wie „Diskriminierung von Frauen“, „überkommene Rollenbilder“, „gleiche Chancen für beide Geschlechter“ stehen unverbunden im Raum
  • mit dem zentral gebrauchten Begriff des Neoliberalismus scheinen sie nichts zu tun zu haben.
  • In personeller Repräsentation: Frauenanteil der WASG (ca. 20 %) wie auch in der Wahrnehmung nach außen (Lafontaine, Ernst) sind Frauen in der Minderheit.

4. Was braucht ‚die Linke’ zur Umsetzung eines linken geschlechtergerechten Profils?

  • ein hohes Maß an immer wieder herzustellender Transparenz, Offenheit und selbstgelebter Glaubwürdigkeit (Gabi Zimmer (Europaparlament)
  • durch Druck von „außen“
  • strukturelle Bedingungen, die das Machtgeflecht von hierarchisch konstruierten Verflechtungen und Abhängigkeiten, immer wieder entzerren und Entscheidungswege und Diskussionsprozesse sichtbar und nachvollziehbar machen
  • Glaubwürdigkeit eines linken Parteiprojektes messe sich in diesem Sinne an dem nachvollziehbaren Willen zur Selbstveränderung und dem Anspruch, das glaubhaft zu leben, was man politisch proklamiert.
  • zahlenmäßige Repräsentanz von Frauen reicht nicht - entscheidend sind die Strukturen dahinter:
      • Zugriff auf materielle und ideelle Ressourcen
      • auf Finanzen und Organisationsstrukturen
      • Zugang zu Information und Wissen
      • Rückgriff auf professionelle Netzwerke

5. Weder ist das „Frau-Sein“ (von Politikerinnen) an sich Garant für eine geschlechtergerechte Politik, noch verlaufen die Spaltungen der Gesellschaft und damit die Bedingungen der gesellschaftlichen Teilhabe nur entlang der Geschlechterlinien

  • Geschlechterverhältnis als strukturelles Ungleichheitsverhältnis ist Konsens
  • Unterschiedlich: welche Strategien, welches politische Ziel?
  • Geht es gegen Benachteiligung von Frauen und/oder („Wir bestehen auf der queeren Perspektive!“) um das Geschlecht als Differenzmerkmal selbst, um eine kulturelle symbolische Ordnung und ihre Wirkungsmacht also, als Angriff auf vermeintlich natürliche homogene (Geschlechts-)Identitäten (Mann oder Frau), die ein- und ausgrenzen, Normen vorgeben (die ‚richtige’ Frau/der ‚richtige’ Mann) und über Geschlechtsstereotype soziale Hierarchien und Ungleichheiten immer wieder neu legitimieren.
  • Geht es um eine gerechtere Neujustierung des Verhältnisses von Frau und Mann und/oder um den Angriff auf Identitätskonstruktionen, die als soziale und kulturelle Platzanweiser und Ordnungsfaktoren dienen?

Offene Fragen: Umsetzung eines geschlechtergerechten Profils

  • Wo gibt es praxisrelevante Überschreitungen?
  • Wo gelingt es uns, symbolträchtige Interventionen zu unternehmen?
  • Wo gibt es Orte für Reflexionen, Streit, Austausch, in der man diese Fragen mit politischer Perspektive diskutieren kann?

6. Die Macht der Sprache – Politisches Kapital wird heute in hohem Maße über Diskurspolitik geschaffen, politische Auseinandersetzung spielt sich vor allem auch auf der Ebene der Sprache, der Symbole, der Werte ab.

  • geschlechterpolitisches Profil braucht vor allem eins: Eine Sprache und Begrifflichkeit, durch die emanzipatorische Geschlechterpolitik wieder eigene Deutungsmacht übernimmt, und die gleichzeitig an die Alltagsbegrifflichkeit und das Alltagsleben der Menschen anknüpft.
  • auch Frage der (Selbst-)Bildung. „Gender“ und „Queer“ scheinen sperrige - Begriffe, gleichwohl bieten sie das Instrumentarium, um eine über Jahrhunderte entwickelte Geschlechterlogik
  • Geschlechterfrage kann man nicht mehr mit einfachem „Alltagswissen“ beikommen.

Forum 2: Positionen testen – Streitgespräche um ein geschlechterkritisches Profil einer neuen Linken (3. Dez. 2006 in Berlin)

Schwerpunkte lauteten:

  • Neuer linker geschlechtergerechter Gesellschaftsvertrag angesichts

neoliberaler Verfasstheit von Gesellschaft

  • Quellen für heutige linke feministische Ansätze (staatliche

Gleichberechtigungspolitik DDR, feministische alternative Bewegung
DDR/Ostdeutschland, Bewegungstradition westdeutscher Frauenbewegung,
Frauen- und Geschlechterforschung)

  • Begriffe, Werte, Leitbilder, programmatische Standards

Erkenntnisse und offene Fragen

1. Neue Basis der Geschlechterverhältnisse in neoliberal verfassten westlichen Gesellschaften: Männer wie Frauen als individuelle Marktteilnehmer (nach Sünne Andresen)
Der alte fordistische Geschlechtervertrag, der den männlichen Familienernährer und die privat fürsorgende Hausfrau vorsah, ist als politisches und gesellschaftliches Leitbild wie auch als soziale Praxis ein Auslaufmodell

  • Lebenschancen von Frauen und Männern haben sich in letzten Jahren in einer Weise angeglichen, wie dies noch nie der Fall war:
    * bei 25-30-Jährigen steigt die Erwerbsbeteiligung von Frauen im Westen 2004
    * auf 73%, während sie im Osten gesunken ist, allerdings immer noch bei 82%

   liegt (1991 waren es 96%),

  • bei den schulischen Bildungsabschlüssen haben die jungen Frauen die Männer

mittlerweile überholt,

  • gemessen an Anzahl und Quote sind Männer in Gesamtdeutschland inzwischen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen
  • die normative und diskursive Darstellung der Geschlechter (denken wir an Werbung, Filme etc.) unterliegt einem deutlichen Wandel: weg vom

Hausmütterchen hin zur selbstbewussten attraktiven, nicht selten auch bösartigen und machthungrigen Frau
Die Kehrseite:

  • Frauen steigen trotz teilweise besserer Abschlüsse beruflich nicht gleichermaßen
  • immer noch deutlich geringere Einkommen, im Durchschnitt verfügen sie über weniger Geld
  • in höheren Positionen in Politik und Wirtschaft nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind.

Wandel des fordistischen Geschlechtervertrags ist aber keineswegs vorrangig das Resultat von Gleichstellungspolitik ist, sondern basiert vor allem auch auf dem veränderten Verhältnis von Individuum und Gesellschaft im Neoliberalismus – auf der Entdeckung des >autonomen Individuums<.
Der Neoliberalismus ist ein politisches Leitbild (eine Ideologie), das im freien Marktgeschehen die bestmögliche Form sieht, gesellschaftliche Prozesse zu steuern. Die Einzelnen werden hier unterschiedslos als individuelle Marktteilnehmer angesprochen: Männer wie Frauen.

2. Marktradikalität berührt Geschlechterverhältnisse

  • „Problem der divergierenden Produktivitäten“: Gesellschaft muss 2 Aufgaben lösen: Güter produzieren und Versorgungsarbeit (Care-Tätigkeiten) leisten
  • nicht zufällig sind es insbesondere die Bereiche Pflege, Erziehung und Soziale Berufe, die heute ins Kreuzfeuer neoliberaler Sparrhetorik geraten.
  • sie sind jene Dienstleistungen, die zuvor entweder in Familien oder als ‚staatliche Wohlfahrtsaufgabe’ erbracht wurden, im Zuge der erhöhten Erwerbstätigkeit von Frauen nun aber vermehrt warenförmig bereitgestellt werden müssen
  • neoliberale Restrukturierungsprogramme können deshalb auch als der – vergebliche – Versuch betrachtet werden, diesen Bereich personenbezogener Dienstleistungen an die Subjekt-Objekt-Logik der Warenproduktion anzupassen (man denke an 10-Minuten-Takte in der Altenpflege).
  • Problem für Frauen: von diesem Versuch geht struktureller Druck auf ihre Löhne ausgeht, denn es handelt sich um die beruflichen Sparten, die – Stichwort >Vergeschlechtlichung von Arbeit< – das angestammte Tätigkeitsfeld von Frauen darstellen.
  • Care-ökonomische Tätigkeiten folgen einer intersubjektiven Logik

3. Es braucht ein  alternatives solidarisches Gesellschaftsmodell, das Geschlechterproblematik adäquat aufnimmt

  • unumstrittene Grunderkenntnis der Frauen- und Geschlechterforschung:

Geschlechterverhältnisse und die soziale Konstruktion von ‚männlich’ /‚weiblich’
sind fundamental verknüpft mit Frage der gesellschaftlichen Organisation
des Verhältnisses von Produktion und individueller Reproduktion

  • Einsicht, dass die Hierarchie im/des Geschlechterverhältnis/ses als

gesellschaftlicher Hierarchisierungsmodus Wirkung entfaltet
zu fragen ist:

  • wie dieses Verhältnis derzeit infolge des neoliberalen Angriffs auf den Sozialstaat und auf die bisher gültigen Formen der Regulierung von bezahlter Arbeit neu geordnet wird und welche neuen Formen von Abhängigkeit und Ungleichheit zwischen den Geschlechtern dabei entstehen
  • Hierarchie und die unterschiedliche Wertigkeit der gesellschaftlichen Tätigkeitsfelder nicht selbstverständlich nehmen, sondern in Frage gestellt werden.
  • Care-Tätigkeiten nicht als „Frauen-Problem“ verniedlichen (vgl. Haug 2006), sondern muss diesen Tätigkeiten, die in der kapitalistischen Logik als ‚wertschöpfungsschwach’ gelten, die gleiche Wichtigkeit zubilligen wie z.B. ‚technischer Innovation’
  • hinterfragen, was als „weibliches Interesse an Sozialem“ oder als „männliche Leidenschaft für Technik, schnelle Autos u.ä.“ gilt
  • fragen, wie dieses geschlechtsspezifische ‚Begehren’ zustande kommt und welchen Einfluss es auf Vorstellungen von gesellschaftlicher Entwicklung und deren Umsetzung hat.

4. Eckpunkte eines linken geschlechtergerechten Gesellschaftsvertrags

  • „divergierenden“/vergeschlechtlichten Produktivitäten prominent aufnehmen als eine unsere Verhältnisse grundlegend strukturierende und Ungleichheit hervorbringende Logik
  • zentrales Problem des jetzigen Parteiprogramms: Forderungen – z.B. nach einer existenzsichernden Arbeit für jede Frau und jeden Mann, nach „deutlicher Arbeitszeitverkürzung, die Männern und Frauen Raum lässt, für Familienarbeit, Engagement in der Gesellschaft und für sich selbst“ (4/4) knüpfen nicht an die Veränderungen in (nicht nur) der bezahlten Arbeit im neoliberalen Kapitalismus an

Offene Fragen:
Wie können diese neuen Erkenntnisse einer feministischen Ökonomie - wie „divergierenden“ vergeschlechtlichten Produktivitäten – weiter analysiert und allgemeinverständlich in die Programmatik einer Neuen Linken aufgenommen werden?

Forum 3: Was ist das Neue an der neuen Linken? Gesellschaftsanalyse aus Geschlechtersicht (28. April 2007 in Berlin)

Schwerpunkte lauteten:

  • veränderte Konstellationen und neue Widersprüche in den

Geschlechterverhältnissen

  • öffentliche Güter – linke feministische Perspektiven
  • >Rasse<, Klasse, Geschlecht. Notwendigkeit einer intersektionalen,

postkolonialen Perspektive auf soziale Gerechtigkeit

  • feministische Kritik am Eckpunktepapier

Erkenntnisse und offene Fragen

1. Was wäre neu an der neuen Linken?

  1. Geschlechterverhältnisse als zentrale Achse der Perspektive auf Gesellschaft:
  2. nicht als eine Perspektive unter vielen, nicht Ökonomismus Fixierung auf Ökonomie) nicht Etatismus(Fixierung auf Staat), nicht: ignoranter bzw. bloß additiver Umgang mit der Geschlechterfrage
  3. Frauen wie Männer als individualisierte selbstverantwortliche Marktsubjekte
  4. beachten der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Herrschafts- und Machtverhältnisse

Ausgangslage:

  • fordistische Geschlechtervertrag, der den männlichen Familienernährer und die Hausfrau, bzw. den Familienvater und die „doppelt belastete“ erwerbstätige Hausfrau als Norm setzte, zum Auslaufmodell geworden
  • an Stelle dieser sozialen Rollen Anrufung von Frauen und Männern als individualisierte selbstverantwortliche Marktsubjekte
  • neue Handlungsspielräume - aber der Druck gerade auf Frauen als Erwerbstätige wie als Reproduktionsarbeiterinnen
  • neoliberale Reprivatisierung, bei der vormals öffentliche Aufgaben sowohl in den kapitalistischen Markt wie auch in häusliche Privatheit überführt werden, ist dabei allerdings nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern auch ein politisch kulturelles:
  • es ändern sich damit auch die Bedingungen für politische Partizipation, für die öffentliche Artikulation von Bedürfnissen und Interessen
  • aktuellen Widerspruchslandschaften sind von Globalisierung, Transnationalisierung und Migration bestimmt sind
  • Folge: gesamtgesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse sind durch Mehrzahl kultureller Geschlechterordnungen geprägt sind, in denen sich die Probleme für Frauen und Männer jeweils anders stellen
  • Herausforderung für eine neue Linke: Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse

2. Welche öffentlichen Güter müssen wir wollen, damit allen Menschen eine selbst bestimmte Lebensweise möglich wird?

  • Kämpfe um öffentliche Güter zugleich „Kämpfe um eine bestimmte Form der Bedürfnisinterpretation“/Bedarfe
  • Vermittlungsarbeit zwischen den Bedürfnissen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, muss Bestandteil eines alternativen Gesellschaftsprojekts sein
  • Mythos des Sachzwangs, der der herrschenden neoliberalen Politik zugrunde liegt, entlarven

3. Prinzipielle Perspektivenverschiebung: Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Herrschaftsverhältnisse. Aufnahme des postkolonialen Kritik in das Projekt der Neuen Linken

  • auch linken und feministischen Politiken können spontan Rassismen eingeschrieben sein
  • MigrantInnen als homogene Gruppe konstruiert und Klassenverhältnisse unter ihnen entnannt werden
  • bedarf es einer ausgeprägteren Kultur der Selbstreflexivität
  • kulturell-symbolische Dimension von Gesellschaft Politiken der Repräsentation
  • Normalisierungsdiskurse, zu denen Formen des othering – der Grenzziehungen zwischen „Wir“ und „Anderen“ – gehören
  • wirken strukturierend in den gesellschaftlichen Verhältnissen, indem sie die Beziehungen der Menschen untereinander mitbestimmen und die Handlungsfähigkeit von Einzelnen und Kollektiven begrenzen oder erweitern

Offene Fragen:

  • wie können gesellschaftliche Räume geschaffen werden, in denen unterschiedliche Standpunkte und Zielsetzungen  zusammengebracht werden können?

4. Das Programmatischen Eckpunktepapier – ein Symptom für den Diskussionsstand in der Neuen Linken (Ulrike Schleier)

  • zentralen Politikfelder geschlechtsblind abgehandelt
  • keine Auseinandersetzung mit neoliberaler Frauenpolitik
  • wo es um strukturelle Fragen der Ökonomie geht, wird diese durchgängig ‚geschlechtsneutral’ konzipiert
  • in Bereichen internationale Politik, EU und Militarisierung finden Geschlechterverhältnisse keine Erwähnung
  • wenn Geschlechterperspektive, dann in unzulänglicher Form:
  • wenn Selbstbestimmung über den Körper auf die Abschaffung des § 218 reduziert wird, während die mediale Vermarktung von Frauenkörpern unerwähnt bleibt.
  • wenn „Frauen und Kinder“ viktimisierend gewalttätigen Männern gegenüber gestellt werden

offene Fragen:
Welche Möglichkeiten gibt es, der Geschlechterperspektive als einem integralen Bestandteil in der breiten und heterogenen linken politischen Kultur mehr Anerkennung und Gewicht zu verschaffen