Publication Rassismus / Neonazismus - International / Transnational - Nordafrika Die „Holocaust-Konferenz“ in Teheran: Wer waren die Teilnehmer?

Text der Woche 50/06 von Horst Helas

Information

Series

Online-Publ.

Published

December 2006

Ordering advice

Only available online

Die vom iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad seit Monaten wiederholte Behauptung, dass die Gründung des Staats Israel nicht legitim gewesen sei und dieser Staat deshalb heute keinerlei Existenzberechtigung habe, rief weltweit vorwiegend Kritik, zumeist  scharfe Ablehnung hervor und tut dies weiterhin. Die iranische Reaktion hierauf war die Ankündigung einer „Holocaust-Konferenz“, deren Ergebnisse diese Position untermauern sollten.[1]

 Dieses im Januar 2006 angekündigtes Vorhaben hat die iranische Regierung nun verwirklicht: Am 11. und 12. Dezember 2006 fand diese Veranstaltung  in Teheran statt, an ihr nahmen unter anderem 67 ausländische Gäste aus 30 Ländern teil. Das Konferenz-Projekt soll aus der Sicht der Veranstalter den Auftakt für die Arbeit einer auf Jahre angelegten „Wahrheitsfindungskommission“ bilden.[2]

 Auf einer Pressekonferenz hatte der stellvertretende Außenminister Irans Manuscher Mohammadi betont, dass an der Konferenz keine Vertreter der rechtsextremistischen NPD teilnehmen würden. Die „Frankfurter Rundschau“ vermutete, dass deutsche Rechtsextremisten aus Angst, deutsche Behörden würden ihre Pässe konfiszieren auf die Reise nach Teheran verzichtet hätten.[3] Der ehemalige NPD-Vorsitzende Günther Deckert war in Frankfurt an der Ausreise gehindert worden.[4] Der zur Zeit in Haft befindliche deutsche Holocaustleugner Horst Mahler hatte in einem Brief vom 14. November 2006 den iranischen Präsidenten für die Einberufung der Konferenz „über den nie bewiesenen Genozid“ gelobt, dies sei eine „historische Tat“.[5] 

Die Konferenz stand unter dem Motto „Review of the Holocaust: Global Vision“. Ein Blick in die Teilnehmerliste[6] zeigt, dass bei der Konferenz zwei Gruppierungen dominierten:

  1. Bekannte Holocaustleugner und andere Rechtsextremisten;
  2. Politologen, Politiker und Journalisten, deren politische und wissenschaftliche Position nicht genau bestimmt werden können. In den Medien wird betont, dass kein ausgewiesener Historiker an der Konferenz teilgenommen habe.

Besonders ins Licht gesetzt wurden die angereisten Rabbiner aus verschiedenen Ländern, die zum Holocaust unterschiedliche Auffassungen vertraten, sich aber darin (auch mit den Gastgebern) einig waren, dass Israel heute ein bekämpfenswerter zionistischer Staat sei. Sie gehören alle der Organisation „Neturei Karta International“ (zu deutsch: „Juden vereint gegen Zionismus“) an. Während der Konferenz trugen sie Anstecker mit einer mit einem breiten roten Balken durchgestrichenen israelischen Flagge.[7]

Die erste Gruppierung sei etwas näher vorgestellt:

  • Alexander Baron (Großbritannien)
  • Jan Bernhoff (Schweden)
  • Matthias Chang (Malaysia)
  • Rabbiner Ahron Cohen (Großbritannien; Er widersprach als einziger Konferenzteilnehmer den Holocaustleugnern. Der Holocaust sei „umfassend dokumentiert“. Gleichzeitig sprach er sich für die Auflösung des Staates Israel und die Rückgabe des Landes an die Palästinenser. Nach Ansicht dieses orthodoxen Rabbiners sei das Exil des jüdischen Volkes gottbefohlen. Er klagte die Zionisten an, beim Holocaust mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache gemacht zu haben, um die Gründung eines säkularen, nationalistischen Staates Israel zu erleichtern.[8])
  • David Duke (USA, früher Funktionär des Ku-Klux-Klan, heute prominenter Vertreter der weißen Rassisten)
  • Robert Faurisson (Frankreich. Er nannte den Holocaust auf der Konferenz einen „Mythos“ und erntete dafür Beifall.[9])
  • Rabbiner David Feldmann (USA: „Wir bestreiten nicht den Holocaust. Meine Großeltern sind Opfer des Holocaust geworden. Aber wir sind energisch dagegen, dass die Palästinenser unter dem Holocaust zu leiden haben. Wir sind gegen diesen zionistischen Staat.“ Feldmanns Visitenkarte trägt die Aufschrift: „Bete für die schnelle, friedliche Auflösung des Staates Israel.“[10])
  • Rabbiner Moishe Ayre Friedmann (Österreich)
  • Benedikt Frings (Deutschland, “Frings stellt sich als einfacher Facharzt für Psychiatrie aus Köln vor und ist nach seinen Worten nur daran interessiert, einmal frei über das Thema Holocaust diskutieren zu können. Er verschweigt, dass er stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD ist, oder zumindest war.“[11])
  • Wolfgang Fröhlich (Österreich)
  • Hans Gramlich (Österreich)
  • Mohammed Hegazi (Australien)
  • Richard Krege (Australien)
  • Georege Kadar (Ungarn)
  • Christian Lindner (Deutscher, lebt in Dänemark.[12])
  • Prof. Dr. Patrick McNalley (Japan)
  • Michael Collins Piper (USA)
  • Michele Renouf (Großbritannien)
  • Dr. Herbert Schaller (Österreich, Rechtsanwalt, Verteidiger des in Österreich verurteilten und eingesperrten Holocaust-Leugners David Irving aus Großbritannien)
  • Bernhard Schaub (Erster Vorsitzender des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten“, Schweiz)
  • Bradley R. Smith (Mexiko)
  • George Thiel (Frankreich, Holocaustleugner, bezeichnete in Teheran die Existenz von Gaskammern „als Lüge“)
  • Serge Thion (Frankreich)
  • Frederick Toeben (Australien, in Oldenburg geboren; Toeben reist zur Erläuterung seiner „Thesen“ mit einem Model des KZ Treblinka von Vortrag zu Vortrag.)
  • Peter Töpfer (Deutschland)
  • Rabbiner Yisroel David Weiss (USA)

Das Konferenz-Projekt war im Iran selbst umstritten.  Der frühere Präsident des Landes Mohammed Chatami, der heute eine NGO zur Förderung des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen repräsentiert, betonte: „Wir sollten wissen, dass eines der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus das Massaker an unschuldigen Menschen war, und unter diesen war ganz sicher eine große Anzahl Juden.“ Im gleichen Zusammenhang stellte er auch fest: „Aber diese historische Tatsache ist von Israel mit Blick auf die unterdrückte palästinensische Nation missbraucht worden.“[13] Am 12.12.2006 erklärte er: „Selbst wenn nur ein einziger Jude ermordet worden wäre, müssten wir das verurteilen.“[14]

Der iranische Intellektuelle Mashallah Shamselvaezin, Herausgeber der inzwischen verbotenen Tageszeitung „Jameh“ warf den Veranstaltern der „Holocaust-Konferenz“ vor, den Koran nicht richtig studiert zu haben. „Sonst hätten sie wissen müssen, dass unser heiliges Buch bereits den Mord an einem Einzelnen einem Massaker gleichsetzt.“[15] In ungewöhnlicher Schärfe äußerte sich der einzige jüdische Abgeordnete im iranischen Parlament Maurice Motamed. Die Konferenz sei eine „Beleidigung“ für die Juden im Iran und weltweit.[16]

Der Präsident Irans Ahmadinedschad bekräftigte gegenüber den Konferenzteilnehmern seinen Standpunkt. „Genauso wie die Sowjetunion vernichtet wurde und heute nicht mehr existiert, wird das zionistische Regime bald vernichtet werden. (...) Das ist das, was Gott versprochen hat und was alle Völker wollen (...) Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels, und dies ist der Wunsch aller Nationen der Welt.“ Hierauf reagierte der israelische Präsident Ehud Olmert umgehend und eindeutig: Ahmadinedschad verkörpere „einen Antisemitismus (...) der schlimmsten Art“. Es gebe nur eine Art und Weise, diesem Politiker zu begegnen: „Man muss ihn stoppen. Keinerlei Toleranz, keine Geduld.“[17]

Die „Holocaust-Konferenz“ stieß international auf scharfe Kritik. Auch in Deutschland wurde ihre Durchführung von der Bundesregierung, von Vertretern aller demokratischen Parteien sowie von zahlreichen NGOs als durchsichtiges Propagandamanöver zurückgewiesen, das weder wissenschaftlichen Wert habe noch zur politischen Lösung der Konflikte im nahen und mittleren Osten konstruktiv beitrage. Die Wortwahl in den deutschen und internationalen Medien zur Bewertung der so genannten Holocaust-Konferenz hat eine eindeutige Tendenz und erreichte eine erstaunliche Vielfalt: „verabscheuungswürdig“, „unerträglich“, „provokativ“, „billige Propagandafarce“, „schockierend“ , „iranische Provokation“, „Perversion“.

Die Bundeszentrale für politische Bildung führte am 11. Dezember 2006 in Berlin eine internationale Konferenz mit dem Titel „Der Holocaust im transnationalen Gedächtnis“ durch.[18] Weltweit bekannte Wissenschaftler wie Raul Hilberg (USA), Politiker, Journalisten und zahlreiche Leiter von Projekten zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in Deutschland waren sich dort in ihrer Beurteilung und strikten Ablehnung der Teheraner Veranstaltung einig. Auch die Iranische Botschaft in Deutschland reagierte wenige Tage nach beiden Veranstaltungen. Anknüpfend an die Teheraner Konferenz lud sie für den 16.12.2006 in die Berliner URANIA zu einem „Prophet  Muhammed Symposium“ ein.

Bei den deutschen Rechtsextremisten aller Richtungen fand die Teheraner Konferenz hingegen eine positive Unterstützung. Beispielsweise gab die Landtagsfraktion der NPD vor einigen Tagen dem Holocaustleugner Bernd Rabehl bei einer Anhörung im Schweriner Landtag die Gelegenheit,  seine Positionen ausführlich darzustellen. Die vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern seit Jahren dokumentierte Strategie Rechtsextremer, ihren Antisemitismus hinter „ehrlichem“ Antiamerikanismus und prinzipieller Kritik an der Politik der israelischen Regierung zu verstecken, erhält durch Veranstaltungen wie die Teheraner Konferenz weiteren Auftrieb. Einen ähnlichen Beitrag zur Unterstützung Rechtsextremer leisten die wiederholten Drohungen und Verleumdungen des iranischen Präsidenten gegenüber Israel.

Linke in Deutschland, in Israel und anderswo sind in der Pflicht, bei ihrer USA- und Israel-Kritik jegliche scheinbare Übereinstimmung mit rechtsextremistischen Ansichten zu vermeiden. Das Bestreiten des Existenzrechts Israels wie die Leugnung des Holocausts sind mit linken Positionen unvereinbar. Aber auch hier liegen die Fallstricke im Detail der täglichen, um Differenzierung wie Eindeutigkeit bemühten politischen Auseinandersetzung.

Aus einem Interview mit Moshe Zuckermann[19]:

(...)

Ich neige zu der Annahme, dass die Situation, in der wir uns befinden, nichts mit „dem Wesen“ der Araber oder „dem Wesen“ der Juden zu tun hat, sondern mit den historischen Ereignissen. Außerdem: Den Krieg haben wir ausprobiert. Das Einzige, was wir noch nicht ausprobiert haben, ist der Friede. Israel ist in seiner Existenz nicht bedroht. Konventionell kommt niemand gegen Israel an. Und wer einen nuklearen Konflikt mit Israel sucht, der weiß, dass er innerhalb von sechs Stunden von der Landkarte radiert ist.

(...)

Spielt da nicht auch die Angst vor einem „neuen Antisemitismus“ eine Rolle?

Es gibt den Antisemitismus als sozialpsychologisches Phänomen – der braucht oft nicht einmal Juden. Aber der Antisemitismus wird heute durch die Geschehnisse im Nahen Osten gespeist. Ich sage nicht, dass der Nahostkonflikt den Antisemitismus schafft. Aber die israelische Politik verschafft dem Antisemitismus Legitimation. Da kann ich nur sagen: Bravo, tolle Leistung!

Und wie wird darauf reagiert? Indem man versucht, jede Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichzusetzen. Sogar Juden wie ich, die Israel kritisieren, werden als objektive Zuträger des Antisemitismus bezeichnet – absurder Weise sogar von nichtjüdischen Israelfans, die den behaupteten Antisemitismus benützen, um sich selbst zu profilieren.

(...)

Noch ein Lesetipp (das Büchlein findet sich im Bestand der Bibliothek der RLS): Bernhard Schmid: Der Krieg und die Kritiker. Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere.

 
 


[1] Als Quellen für diesen Artikel dienen Informationen der Netzwerke IDAFAR und Querfront-Info.

[2] Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland. Siehe: ND 31.1.2006, S. 12.

[3] Siehe: Frankfurter Rundschau, 12.12.2006.

[4] Siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, S. 6.

[5] Siehe: Ebenda.

[6] Siehe: IDAFAR-Mailingliste am 13.12.2006 (http://www.idafar.info)

[7] Siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, S. 6.

[8] Siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, S. 6.

[9] Siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, S. 6.

[10] Siehe: Berliner Zeitung, 13.12.2006, S. 3.

[11] Siehe: Martin Ebbing in: Berliner Zeitung, 13.12.2006, S. 3.

[12] Siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, S. 6.

[13] Siehe: ND 1.3.2007, S. 7.

[14] Siehe: Tageblatt St. Gallen, 13.12.2006.

[15] Siehe: Ebenda.

[16] Siehe: ND 13.12.2006, S. 2.

[17] Siehe: Der Standard, 12.12.2006.

[18] Einige Unterlagen dazu können bei mir eingesehen werden.

[19] Siehe: taz 13.12.2006, S. 12.