Publication Soziale Bewegungen / Organisierung - International / Transnational - Amerikas Von sozialer Bewegung zu politischer Partei: Der Fall der plurinationalen Einheitsbewegung Pachakutik Ekuadors

Beitrag zum Seminar "Linksparteien in Lateinamerika" (30.10.-1.11.2005 in Sao Paulo)

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October 2005

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Zusammenfassung: In den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts enstehen in Lateinamerika indigene Bewegungen als wichtige Akteure der nationalen politischen Systeme. In der Folge integrieren sich diese Bewegungen in das Parteiensystem. Diese Arbeit analysiert den Fall der plurinationalen Einheitsbewegung Pachakutik Ekuadors. Sie versucht, auf drei Grundfragen zu antworten: Welche Bedingungen kamen für ihre Gründung zusammen? Welche Faktoren führten zu ihrer Konsolidierung und ihrem relativen Erfolg? Und welche Ergebnisse zeitigte  die Existenz von Pachakutik im Innern der indigenen Bewegung?  

"Obwohl die indigenen Völker der Region ihre politische und repräsentative Macht im letzten Jahrzehnt vermehrten, hat dies nicht zu den positiven Resultaten geführt - was den Rückgang der Armut betrifft - die hätten erwartet werden können." (Weltbank, 2005)

   
    Ich wollte diesen Vortrag mit einem Zitat aus dem Bericht beginnen lassen, den die Weltbank über die Situation der indigenen Völker in fünf lateinamerikanischen Ländern (Mexiko, Guatemala, Ekuador, Peru und Bolivien) in den vergangenen zehn Jahren (1995-2005) veröffentlichte. Der Bericht fällt genau mit dem Ende der ersten Dekade der indigenen Völker zusammen, die von der UNO in 1994 erklärt wurde.

    In dem Zitat wird versichert, dass die indigenen Völker ihre politische und repräsentative Macht innerhalb ihrer Länder und der Regionen vermehrten. Diese Tatsache - neu und wichtig für die lateinamerikanische Demokratie - verdient es, erläutert und diskutiert zu werden. In dieser Arbeit werde ich mich auf die Analyse des mir am besten bekannten Falles konzentrieren - den ekuadoreanischen - um zu der auf diesem Seminar vorgeschlagenen Debatte beizutragen. Soweit es angebracht ist, werde ich auch auf die diesbezüglichen Vorgänge in anderen Ländern der Andenregion und ganz Lateinamerikas eingehen.

    Meine Überlegungen möchten auf die drei Fragestellungen antworten, die mit der Entwicklung der ekuadoreanischen Indígena-Bewegung und der 1995 gegründeten politischen und plurinationalen Einheitsbewegung Pachakutik verbunden sind. Die erste ergründet die Bedingungen, die es der Bewegung erlaubten, einen Mechanismus der Wahlvertretung zu entwickeln. Die nächste untersucht die Faktoren, die die Konsolidierung und den relativen Erfolg dieser Bewegung ermöglichten und die letzte geht auf die Wirkungen ein, die die Existenz von Pachakutik im Innern der sozialen Bewegung gehabt hat.  
         
1.    Hintergrund

Im ekuadoreanischen Fall besteht eine historische Beziehung zwischen der ekuadoreanischen Indígena-Bewegung und der durch die kommunistische Partei vertretenen politischen Linken. Die Partei unterstützte in den vierziger Jahren die Bildung des sogenannten Ekuadoreanischen Dachverbandes der Indios (FEI), der im Wesentlichen für den Zugang zu Land und Bildung kämpfte (Prieto: 2004). Diese Beziehung, die sich bis in die siebziger Jahre ausdehnen sollte, ist jedoch durch den im Land herrschenden Rassismus zwischen Indígenas und Nicht-Indígenas (Weiße und Mestizen), durch die fehlende Berücksichtigung der ethnischen und kulturellen Forderungen, die geringe Beteiligung der Indios an den Parteibeschlüssen und zuletzt durch die Praxis der von Guerrero (2000) erwähnten sogenannten "politischen Bauchrednerei" bestimmt, die sich dadurch auszeichnet, dass nicht-indigene Personen die politische Vertretung der Indios übernahmen und "ihnen die Worte in den Mund legten", das heißt, ihnen die Möglichkeit der eigenen Stimme verweigerten.  

    Nach diesem Versuch sollte keine andere ekuadoreanische Partei die Indios und ihre Forderungen in ihr politisches Programm aufnehmen, sie waren politisch unsichtbar, wie Guerrero (2000) sagt. So sind es die in den sechziger Jahren im Land entstandenen indigenen Organisationen selbst, die sich bezüglich des Agrarreformprozesses zu mobilisieren beginnen. Viele mit der Unterstützung der katholischen Kirche entstanden, beginnen die ersten Nicht-Regierungsorganisationen und einige städtische Gewerkschaften einen Autonomie- und Bildungsprozess, aus dem mit der Zeit ihre eigene soziale Bewegung hervor gehen wird. Pionier auf diesem Gebiet ist der 1964 gegründete Dachverband der Shuar-Zentren im ekuadoreanischen Amazonasgebiet, der es schafft, die Beziehung mit der Salesianer-Mission zu lösen und ein politisches Eigenleben zu bekommen.

    In den achtziger Jahren gründen sich die landesweiten Indígena-Organisationen (1) mit eigener Vertretung und Stimme. Die wichtigste ist der Dachverband der Indigenen Völker Ekuadors  (CONAIE, Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), 1986 aus drei regionalen Organisationen entstanden: den kichwas-Völkern aus dem Hochland, zusammen geschlossen in der Organisation Ecuador Runakunapak Rikcharimui (ECUARUNARI); dem Dachverband der Indígena-Völker des Ekuadoreanischen Amazonasgebietes (CONFENIAE), der neun Völker aus dem Tiefland eint; und der Dachverband der Indígena-Völker der Ekuadoreanischen Küste (CONAICE), der vier Küstenvölker gruppiert.

    Während der neunziger Jahre treibt die indigene Bewegung die sogenannten "nationalen Aufstände" voran, die es ihnen nach Verhandlungen mit den jeweils amtierenden Regierungen erlauben, eine Reihe von Zugeständnissen und Rechten durchzusetzen, darunter die Legalisierung ihrer Territorien, die Bewahrung des Gemeindelandes, die Zulassung innerhalb des Wahlsystems als Bewegung, Kollektivrechte, die Blockade der wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen und der neoliberalen Reformgesetze, Korruptionsbekämpfung und die Absetzung von zwei verfassungsmäßigen Präsidenten.

    Die indigene Bewegung wandelte sich definitiv zu einem protagonistischen politischen Akteur im Landesgeschehen und sollte aufgrund ihrer Mobilisierungs- und Protestfähigkeit die Unterstützung breiter Teile der armen Unterschichten aus der nicht-indigenen Bevölkerung, der neuen und gerade verarmten Mittelschicht und anderen organisierten Gesellschaftsgruppen bekommen, die sich durch ihre Führungspersönlichkeiten und ihre Forderungen repräsentiert fühlten.


2. Das politische Institutionenwesen, das Parteiensystem und die sozialen Bewegungen             

Eines der wichtigsten Hindernisse für die volle Geltung der Demokratie in Ekuador und den Ländern der Andenregion ist die geringe Qualität der politischen Vertretung. Die wählende Bevölkerung und die neuen sozialen Bewegungen sind von den politischen Institutionen im Allgemeinen und den politischen Parteien im Besonderen abgekoppelt. Keine Einrichtung ist in der Lage gewesen, eine Antwort auf die unbefriedigten Grundbedürfnisse der Gesellschaft zu finden und die kollektiven Identitäten zu repräsentieren, die im Innern jedes Nationalstaates entstanden. (2)

Zusätzlich ist die Krise der politischen Vertretung von einer der schärfsten Krisen der Volkwirtschaften begleitet worden, die durch Phänomene wie Hyperinflation, Dollarisierung, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Zahlung der Auslandsschuld, Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungsunternehmen, der Präsenz transnationaler Unternehmen, Anpassungsmaßnahmen, internationaler Migration usw. gekennzeichnet ist. Alle diese Faktoren haben zu einem unaufhaltsamen Verarmungsprozess der Bevölkerung und dem Entstehen von Bevölkerungsmobilisierungen geführt, die von einigen Autoren als Formen "zivilen Ungehorsams" bezeichnet werden.

Ein weiteres wichtiges Hindernis für die demokratische Praxis ist der immer schnellere Verlust ethischer und moralischer Werte. Die Korruptionsskandale finden nicht nur kein Ende, sondern bleiben mehrheitlich straffrei. Der gemeine Bürger zählt vor den gewählten Autoritäten kaum länger als bis zum Ende der Wahlkämpfe. Doch die Bürgerbeteiligung kann nicht auf die Stimmabgabe reduziert werden, gefordert wird die Einhaltung der Wahlversprechen, Rechenschaftslegung und das Abberufungsrecht bei Funktionären, die ihre Versprechen nicht einhalten.

Die aufgeführten Elemente haben zur Ablehnung der Politik und der Politiker sowie der Forderung nach einer neuen Form der Politik geführt, ein antipolitischer Diskurs eingeschlossen. Als sie sich zum politischen Akteur wandelte, ist es daher eine der ersten Forderungen der ekuadoreanischen Indígena-Bewegung gewesen, das politische System zu reformieren. (3) Dieser Prozess befindet sich im Land im Anfangsstadium und hat situationsbedingt Fortschritte und Rückschritte verzeichnet.

Einige Voraussetzungen sollten die Schaffung eines Wahlmechanismus durch die indigene Bewegung erlauben. Zuvor muss jedoch erwähnt werden, dass diese Entwicklung sich im Kontext der Rückkehr zu Demokratie in 1979 und ihrer Aufrechterhaltung in der Folgezeit abspielte. Trotz der erwähnten politischen Krise und den dargestellten Hindernissen hat die ekuadoreanische Demokratie 26 Jahre überlebt, wenn auch in einem "Auf und Ab".

Eine erste Voraussetzung schaffte das Nationalparlament in 1979, als es den Analphabeten, von denen ein großer Teil zur indigenen Bevölkerung gehört, die Stimmabgabe erlaubte. (4) Die zweite ergab sich 1994. In diesem Jahr erkannte der Kongress den unabhängigen politischen Bewegungen das Recht zu, an allgemeinen Wahlen teilzunehmen. Die traditionellen politischen Parteien verloren damit das Monopol auf die politische Vertretung. Dieses Vorkommnis von einzigartiger Bedeutung erlaubt es der Indígena-Bewegung und anderen landesweiten sowie lokalen  Bewegungen, an Wahlen mit eigenen Kandidaten teilzunehmen. (5) Die Kehrseite der Medaille dieser Entscheidung war die Vermehrung und Fragmentation von Parteien und Bewegungen, die das Land aufweist. Im Zeitraum 1979 bis 1997 erreichten sie die Zahl 22.

Die dritte Voraussetzung hatte mit dem Plebiszit zu tun, zu dem Präsident Durán Ballén 1995 aufrief, um eine Initiative neoliberaler Reformen zu verabschieden. Die Initiative wurde mit einer Mehrheit an den Urnen abgelehnt, zu einem wesentlichen Teil aufgrund der von der CONAIE geführten Gegenkampagne, die große Mobilisierungskraft bewies und Unterstützung in der Bevölkerung fand.
 
Weitere wichtige Voraussetzung des Prozesses war die Instabilität und Schwäche des politischen Systems Ekuadors im Allgemeinen und der Parteien im Besonderen. In diesem Kontext präsentiert sich das Programm der indigenen Bewegung als Alternative, in dem es die gegen Neoliberalismus und Globalisierung gerichteten Forderungen mit den ethnisch-kulturellen kombiniert. Seit ihrer Gründung 1986 schlägt die Bewegung einen neuen Typus Staat vor, der sich vom vorherrschenden neoliberalen Staatsmodell unterscheidet. Dieses Programm beruhte auf der Möglichkeit der Bewegung, ihr "eigenes Institutionenwesen" (Díaz-Polanco und Sánchez, 2002) zu schaffen. Nach dem IV. Kongress der CONAIE in 1993, auf dem das politische Projekt verabschiedet wurde, änderte sich das Motiv der Mobilisierung jedoch. Es ging nun um die Bildung des plurinationalen Staates und einer interkulturellen Gesellschaft, verstanden als die Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen Kulturen der Völker, die denselben geopolitischen Raum bewohnen und aufbauend auf dem Respekt vor den kulturellen Unterschieden sowie dem Zustandebringen der Einheit in der Vielfalt (García, 2001).

In den neunziger Jahren kommen eine Reihe von Faktoren für den Beginn wichtiger Verfassungsreformen in den Andenländern zusammen. Einerseits besteht von Seiten der sozialen Bewegungen die Forderung nach stärkerer Partizipation und Vertretung, andererseits gibt es die Anstrengungen der politischen Elite, die Legitimität und Regierbarkeit der staatlichen Institutionen zu stärken. In Ekuador brachte die verfassungsgebende Nationalversammlung Reformen ein, die vom Völkerrecht, den multilateralen Entwicklungsorganisationen und anderen lateinamerikanischen Verfassungen inspiriert waren. Die wichtigsten in der Verfassungsreform nieder gelegten Rechte der indigenen Völker sind die folgenden: a) die ausdrückliche Anerkennung als indigene Völker, indem der plurikulturelle und multiethnische Charakter des ekuadoreanischen Staates fest geschrieben wird; b) die Anerkennung der indigenen Rechtssysteme, mit anderen Worten, der Geltung des juristischen Pluralismus; c) die Bewahrung des unveräußerlichen Eigentums an Gemeindeböden, die nicht verkauft, aufgeteilt oder mit Hypotheken belastet werden können; d) das Recht auf interkulturelle zweisprachige Erziehung und e) die offizielle Anerkennung der indigenen Sprachen.

Außer der verfassungsmäßigen Anerkennung erreichte die indigene Bewegung das Recht, öffentliche Ämter zu besetzen und auf lokaler Ebene eine gewisse politische und verwaltungsmäßige Autonomie auszuüben. Es handelt sich um drei Regierungsinstanzen: Der 1998 geschaffene Entwicklungsrat der Nationalitäten und Völker Ekuadors (CODENPE), der den Rang eines Ministeriums hat und direkt dem Präsidenten unterstellt ist; die 1988 gegründete Nationalbehörde für Interkulturelle Zweisprachige Erziehung (DINEIB) und die 1999 mit offiziellem Status versehene Nationalbehörde für Indigenes Gesundheitswesen. In all diesen Fällen werden die Führungskräfte aus einem von der Bewegung vorgelegten Dreivorschlag ausgewählt. Sie müssen sich an die ihnen zugewiesenen Aufgaben halten und in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegen. Zwar bekamen die indigenen Völker keine Mandatsquote im Nationalkongress, doch wurde stattdessen im Jahr 2000 im Kongress der Ausschuss für Indigene Angelegenheiten und andere Ethnien geschaffen. 1997 entstand zur Verteidigung ihrer Rechte im Staat die Ombudsstelle der Indigenen Völker (DINAPIN) als Teil der Menschenrechtsbehörde. (6)

Was die politische und verwaltungsmäßige Autonomie angeht, so schaffte die Verfassungsreform von 1998 die indigenen Territorialbezirke (CTI), (7) konzipiert als geographische Räume, die sich auf das kollektive und unveräußerliche Eigentum am Boden, die Praxis der eigenen Gebräuche, Organisationsmodelle und Rechtssysteme sowie die Wahl der indigenen Autoritäten für die Selbstregierung stützen. Die politische Aufregung, die das Land nach den Verfassungsreformen erlebte sowie die fehlende Einigung innerhalb der Indigena-Bewegung hat ihre Verwirklichung jedoch hinaus gezögert.   

Eine letzte Voraussetzung für die Schaffung eines Wahlmechanismus durch die indigene Bewegung hat mit der Krise der übrigen sozialen Bewegungen ab 1990 zu tun. Die Gewerkschaftsbewegung machte nach den Reformen des Arbeitsrechtes und der Privatisierung einiger Staatsunternehmen (8) eine Atomisierung durch. Frauen-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung haben interessante Fortschritte bezüglich ihrer Rechte erreicht, konnten aber nicht in einem Ausmaß landesweit mobilisieren, wie dies die Indígenas vormachten. So präsentiert sich das Programm der indigenen Völker im Innern der ekuadoreanischen Gesellschaft in einem Kontext, in dem es der übrigen Zivilgesellschaft an Initiativen fehlt, die es erlauben würden, Forderungen zu formulieren und zu verhandeln, Kritik anzubringen und neue Alternativen vorstellbar zu machen.

3.  Die Wahlbeteiligung der Indígena-Bewegung

    In 2005 feierte Pachakutik als politische Bewegung ihr zehnjähriges Bestehen. In diesem Zeitraum hat sie an sechs Wahlprozessen teilgenommen, bei denen über Präsidenten, Abgeordnete, Mitglieder der Nationalversammlung sowie lokale Autoritäten abgestimmt wurde. Ihre Präsenz sowie ihre Siege und Niederlagen in dieser Zeit verdienen eine Erklärung.

    Ein erster Umstand hat mit der Präsenz eines dichten Netzwerkes von Basisorganisationen zu tun, die sich vor allem in den ländlichen Gebieten der Provinzen im Hochland und in der Amazonas-Region befinden. Diese Ausformung ist Ergebnis eines historischen Prozesses, der in den sechziger Jahren seine Ursprünge hat und als Resultat eines Kampfes andauert, den die Bewegung mit "illegalen" Aktionen gegen den Staat führt, um ihre Legalität zu erreichen.

    Im Fall Ekuadors gibt es Wahldistrikte, in denen die indigenen Wähler die Mehrheit haben oder eine bedeutende Minderheit sind. Nach Van Cott (2005) weisen 42,9 Prozent aller Wahlbezirke dieses Merkmal auf. In drei der 22 Provinzen, aus denen das Land besteht, stellen die Indigenas die Mehrheit und in sechs Provinzen eine bedeutende Minderheit. Diese Tatsache wurde von der Bewegung auf dem IV. Kongress der CONAIE in 1993 ausgenutzt, um eine neue, langfristige politische Strategie ins Leben zu rufen: auf demokratischem Weg und über Wahlen die Lokalregierungen dort zu übernehmen, wo die Indígenas die Mehrheit oder die bedeutende Minderheit stellten, um später an die Macht im ganzen Land zu kommen.
    
Diese Aktionen sind ihrerseits Teil einer eher strukturelleren Strategie der Bewegung, die den Gebrauch alternativer Formen politischer Beteiligung - als Formen "zivilen Ungehorsams" wie die Aufstände - mit denen des "zivilen Gehorsams" wie beispielsweise den Wahlprozessen kombiniert. Parallel dazu besteht ein anderer institutioneller Faktor, der diese Entscheidung der Indígena-Bewegung begünstigte. Es handelt sich um den 1983 begonnenen Dezentralisierungsprozess im Land, der eine Stärkung der Landkreise erlaubte. Diese boten für solche Bewegungen wie Pachakutik, die sich erstmals auf den Wahlkampf einließen und zudem über gefestigte und starke Organisationen verfügten, eine weniger anspruchsvolle Bühne für die politische Auseinandersetzung als die landesweiten Wahlen. Es darf auch nicht vergessen werden, dass der Dezentralisierungsprozess einen idealen strukturellen Rahmen für die Ausübung dessen bietet, was einer der Hauptpfeiler der indigenen Bewegung ist: der Aufbau regionaler und lokaler Autonomien.

Die Bewegung der plurinationalen Einheit Pachakutik ist von Anfang an in der politischen Linken des Landes verortet. Dieser Umstand sollte ihr eine größere Protagonistenrolle zuschreiben, denn die traditionellen linken Parteien hatten nach der Rückkehr zur Demokratie 1979 Stimmenanteile an die Mitte- und Rechtsparteien sowie die populistischen Parteien abgegeben. Ein breiter Teil der von den linken Optionen enttäuschten Berufstätigen und Intellektuellen der Mittelschicht sollte sich der Bewegung Pachakutik anschließen, die seit ihrer Gründung einen multi-ethnischen Charakter hat. Während des Gründungsprozesses wurde das Thema der Plurinationalität und Interkulturalität diskutiert. Die Bewegung entschied, dass sie nicht nur aus Indígenas und für diese bestehen solle, sondern dass sie auch andere gesellschaftliche und kulturelle Gruppen einschließen müsse.
 
Verfolgt man die Rolle von Pachakutik in den sechs Wahlprozessen, an denen sie teilnahm, so ist dies sehr anschaulich. An drei Präsidentschaftswahlen nahm sie in Bündnissen mit anderen Bewegungen und Parteien teil (9) und erreichte mit diesen Allianzen folgende Ergebnisse: 1996 den dritten Platz mit 20,60 Prozent (785 124 Stimmen). 1998 fiel sie auf den vierten Platz mit 14,74 Prozent (566 917 Stimmen) zurück und 2002 erlangte sie den ersten Platz mit 20,64 Prozent (943 123 Stimmen) in der ersten Runde und 54,79 Prozent (2 803 243 Stimmen) in der Stichwahl.

Bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung in 1997 stellte Pachakutik zehn von insgesamt 70 Versammlungsmitgliedern (14,28 Prozent). Bei den Parlamentswahlen 1996 erhielt sie acht Mandate (ein nationales und sieben über Provinzlisten) von insgesamt 82 (9,75 Prozent) und in 1998 sank diese Zahl auf sieben Abgeordnete (zwei nationale und fünf über Provinzlisten) von 121 ((5,78 Prozent). In 2002 gewann Packakutic hinzu und stellte über die Provinzen elf Abgeordnete von insgesamt 100 (11 Prozent).

Bei den Lokalwahlen von 1996 wurden etwa 50 Pachakutic-Kanditaten als öffentliche Amtstäger in verschiedene Funktkionen gewählt. Im Jahr 2000 gewann die Bewegung fünf von 22 Provinzpräfekturen (das sind 22,72 Prozent), 31 von 215 Bürgermeisterämtern (14,4 Prozent), elf von 89 gewählten Gemeindeversammlungen (12 Prozent) und 84 von 880 gewählten Gemeinderatsmitgliedern (9,5 Prozent). Die Bewegung Pachakutik erzielte landesweit etwa 5,1 Prozent der Stimmen und wurde damals zur fünfstärksten Kraft im Land.

Werden die Wahlergebnisse in 2004 betrachtet, so ist es wichtig, die politische Abnutzung zu berücksichtigen, die die Bewegung aufgrund des Bündnisses mit der Regierung des Oberst Lucio Gutiérrez während der ersten sieben Monate in 2003 erlitt. Die Resultate waren folgendermaßen: Die Bewegung gewann vier der 22 Provinzpräfekturen (ein Anteil von 18,8 Prozent), 27 von 219 Bürgermeisterämtern (12,32 Prozent), 14 der 91 gewählten Gemeinderäte (15,39 Prozent) und 118 der 893 gewählten Gemeinderatsmitglieder (13,2 Prozent). Pachakutik erreichte landesweit etwa 7,7 Prozent der Stimmen und blieb fünfstärkste Kraft.

Aus der Prüfung der vorherigen Resultate ergeben sich einige Merkmale der Wahlbeteiligung von Pachakutik. Es erweist sich als schwierig, eine Grenzlinie zu ziehen, bis wohin es sich um eine soziale Bewegung und bis wohin um eine politische Bewegung oder Partei handelt. Obwohl ihre Führungspersönlichkeiten die Benennung als Partei ablehnen, um so ihr Missbehagen gegenüber dem herrschenden Parteiensystem im Land zu zeigen, erfüllt die Organisation bestimmte Funktionen, die den politischen Parteien zugeschrieben werden können. (10) Unbestritten ist, dass die Organisationsstruktur der sozialen Bewegung dem Funktionieren der politischen Bewegung vor allem hinsichtlich der engen Beziehung zwischen Basis und Führung, des Bestehens kollektiver Entscheidungsmechanismen und der Beibehaltung einer kaum bürokratisierten Struktur gedient hat.

Obwohl die Bewegung auch nicht-indigene Interessen und Forderungen vertritt, hat sie es nicht geschafft, ein klassenübergreifendes Programm von landesweiter Reichweite aufzustellen. Dies zeigen ihre Siege in Wahlbezirken mit konzentrierter Indígena-Bevölkerung und ihre völlig fehlende Präsenz in anderen wichtigen Wahlregionen wie beispielsweisen den ekuadoreanischen Küstenprovinzen. Im Unterschied zu anderen indigenen Bewegungen der Region hat es die Bewegung im Fall Ekuadors geschafft, auf mehreren Ebenen (lokal, regional, national) an der Macht teilzuhaben. Die dauerhafteste und erfolgreichste Wirkung findet sich jedoch auf der lokalen Regierungsebene. (11) Schließlich gebührt der Bewegung auch das Verdienst, einige Themen auf die politische Tagesordnung Ekuadors gebracht zu haben, die das Land diskutieren muss, um Staatspolitik zu betreiben. Zu diesen Themen gehören beispielsweise die kulturelle und ethnische Vielfalt, die Plurinationalität, die Autonomien, die Interkulturalität, der rechtliche Pluralismus und die neuen Formen der politischen Partizipation und Vertretung.  

4.  Der "Pachakutik-Effekt" in der indigenen Bewegung

    Seit 2001 und bis heute erlebt die ekuadoreanische Indígena-Bewegung ein seltsames Paradox. Nach sie in den zurück liegenden Jahren die wichtigste politische Vorreiterrolle im Land inne hatte, kommt sie an einen Wendepunkt, vom dem aus es abwärts geht und eine Demobilisierung stattfindet. Angesichts dieser Situation muss gefragt werden, ob es sich um einen strategischen Rückzug, um das Ende der indigenen Bewegung als historischem Subjekt oder um das Ergebnis der Gründung der  Pachakutik-Bewegung handelt.

Der Disput zwischen politischer und sozialer Bewegung (in dieser Arbeit "Pachakutik-Effekt" genannt) war von situationsbedingten Kämpfen und Entscheidungen bestimmt, in denen die eine der beiden Positionen die andere außen vor gelassen hat. Die erstgenannte Bewegung wurde dabei durch ein Parteiensystem definiert und festgelegt, das von der oligarchischen Machtstruktur kontrolliert ist. Die Zweitgenannte ist der Erfüllung ihres politischen und historischen Projektes verpflichtet. Diese Divergenzen fanden ihren dramatischen Ausdruck beispielsweise in dem Moment, in dem das Wahlbündnis beschlossen wurde, das in 2002 dem Oberst Gutiérrez den Sieg verschaffte. Während die politische Bewegung sich vom Zugang zur Macht verführen ließ, setzte sich die soziale Bewegung dafür ein, ihre Mobilisierungs- und Widerstandsstrategie beizubehalten. Es gab keine Zustimmung der Basis, das Bündnis zu legitimieren.
    
    Der Streit verschärft sich in dem Moment, in dem die soziale Bewegung entscheidet, Pachakutik als Wahlinstrument mit dem Ziel zu schaffen, aus dem Innern des neoliberalen Staates heraus zu kämpfen, um ihren eigenen Anteil an der Macht zu erlangen. Nach dem Verlauf von zehn Jahren ziehen die eigenen Akteure der Bewegung  eine unterschiedliche Bilanz. Ich erlaube mir, die Aussagen zweier nationaler Indígena-Führer zu benutzen, um den erwähnten "Pachakutik-Effekt" zu erläutern:

Wir bereiteten uns darauf vor, eine Protestbewegung zu sein, die für die Anerkennung ihrer Rechte kämpft, aber wir waren nicht auf das Regieren vorbereitet. Zweimal haben wir die Macht in unseren Händen gehabt (durch Staatsstreich und durch Wahlen), aber wir haben uns nicht mehr als sechs Monate in diesem Umfeld gehalten. Ich würde sagen, einer der großen Irrtümer, die wir begangen haben, bestand darin, uns einzig und allein um die ideologisch-politische Fragestellung zu kümmern, um die mit dem Zugang zur lokalen und nationalen Macht verknüpften Handlungen, aber nicht um den Aufbau einer Macht, die eine Alternative zur bestehenden Ordnung wäre. (Luis Maldonado, ehemaliger Sozialminister und ehemaliger Kandidat für die Präfektur der Provinz Imbabura.)

    Es scheint, als ob die Teilhabe der indigenen Kader an öffentlichen Ämtern zu einer situationsbedingten Priorität der sozialen Bewegung wurde und dabei zwei Schlüsselstrategien vernachlässigt wurden: das politische Programm des Aufbaus des plurinationalen Staates und die Beziehung zu den Basisorganisationen.

    Die Meinung eines anderen Indígena-Führers ist entschiedener:

Einer der jüngsten Beschlüsse der CONAIE ist es, dass die indigene Bewegung sich an keiner der öffentlichen Instanzen beteiligt, denn ich glaube, einer der Gründe für die Abnutzungserscheinungen der Indígena-Bewegung war die Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen von 2002. Darum sagen wir, dass wir uns wieder auf unsere Angelegenheiten besinnen müssen, um von dort aus Kraft zu sammeln und wieder die Stärke zu gewinnen, um uns nicht in öffentichen Ämtern zu verlieren. Wir haben mehr Erfolg gehabt, als wir uns außerhalb des institutionellen Rahmens bewegten, innerhalb erreichten wir sehr wenig. (Luis Macas, gegenwärtiger Präsident der CONAIE.)

    Diese Aussage belegt das Scheitern der politischen Beteiligung über die institutionellen Mechanismen (im Wesentlichen Nationalkongress und Lokalregierungen) sowie die Notwendigkeit, sich "auf unsere Angelegenheiten zu besinnen". Das impliziert, die Beziehung mit der Basis wieder herzustellen und zwischen der Effektivität der politischen und der sozialen Kraft unterscheiden zu wissen.  
    
    Die letztendliche Lösung für die Zukunft der Bewegung scheint jedoch in keinem der beiden Extreme zu liegen, das heißt, als soziale Bewegung zu widerstehen und nicht-institutionelle Protest- und Mobilisierungsmechanismen zu benutzen oder als politische Bewegung im Rahmen der staatlichen Institutionenwelt Einfluss zu nehmen. Derselbe Indígena-Führer bietet uns eine Antwort an:

    
Ich glaube, man muss den Weg der Proteste und Mobilisierungen mit dem der Beteiligung in Instanzen nationaler und lokaler Macht kombinieren. Man darf nicht das eine vernachlässigen und dem anderen Vorrang geben. Beide Strategien sind absolut notwendig, damit die indigene Bewegung ihrer größte Forderung verwirklichen kann: den Aufbau eines plurinationalen Staates. (Luis Macas, gegenwärtiger Präsident der CONAIE.)

     5.  Schlussbetrachtungen

Die indigenen Bewegungen in Ekuador und den übrigen Andenländern sind im politischen Leben der letzten 15 Jahre aktiv präsent gewesen und in einem Kontext entstanden, in dem mehrere gemeinsame Faktoren zusammen kommen: ein dichtes Netzwerk angschlossener Organisationen; die aktive Beteiligung am Prozess der Verfassungsreformen; die Nutzung der Dezentralisierung, um sich in den Distrikten in die Wahlen einzubringen, in denen die indigene Bevölkerung die Mehrheit stellt; die geringe Beteiligung der Linken; und die Zuerkennung bestimmter für die Indígenas reservierter öffentlicher Ämter.

Zusätzlich zu den genannten, können einige weitere, wichtige Faktoren aufgezeigt werden: die Fragmentation des Parteiensystems, die Krise der übrigen sozialen Bewegungen, das Bekanntwerden und die Unterstützung indigener Führungsfiguren über die Medien und die Existenz mindestens einer Wahlregion, in der die Indígenas die Mehrheit oder eine bedeutende Minderheit stellen.

Zum Abschluss möchte ich einige positive und negative Wirkungen der indigenen Bewegungen auf die demokratischen Institutionen der Andenländer darstellen. Erstens hat sich entgegen der Literatur über politische Parteien gezeigt, dass die Präsenz ethnischer, politischer Organisationen den interethnischen Konflikt nicht verschärft hat, vielmehr haben die indigenen Bewegungen einem nationalistischen Diskurs den Vorzug gegeben. Teilweise, weil ihre Wahlerfolge in großem Maße von der Anziehungskraft auf nicht-indigene Wähler abhängen, teilweise, weil sie gemerkt haben, dass eine separatistische Position derzeit keine Zukunft hat.

Zweitens ist der Diskurs der indigenen Organisationen in den vergangenen zwei Jahren einbeziehend und auf gleichberechtigte Partizipation mit anderen gesellschaftlichen und kulturellen Gruppen ausgerichtet gewesen. Ethnische Konflikte sollen demnach über das formale politische System auf der Grundlage des Dialogs und des Respektes kanalisiert werden, um die Verwirklichung multi-ethnischer Bündnisse zu fördern.

Drittens erlaubt die Einbeziehung der traditionell von den demokratischen Institutionen ausgeschlossenen gesellschaftlichen Gruppen, vor allem in Ländern mit indigener Bevölkerungsmehrheit, dass diese Institutionen Legitimität und Repräsentativität zurück gewinnen. Viertens zeigt sich, dass die indigenen politischen Bewegungen über die sozialen Bewegungen und die Mitgliederorganisationen, aus denen sie entstanden, enge Beziehungen zur Zivilgesellschaft beibehalten haben. Hier könnte sich eine neue Repräsentationsform konsolidieren, die auf der Ausübung eines kollektiven Mandats beruht, das die regelmäßige Rechenschaftsablegung und die Möglichkeit einer Abberufung bei Nicht-Erfüllung beinhaltet.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis besteht darin, dass die Agenda der politischen Indígena-Bewegungen neue Themen in den nationalen, politischen Diskurs eingebracht hat und nicht nur zu deren Diskussion verpflichtet, sondern die übrigen Parteien dazu zwingt, sie in ihre Agenden aufzunehmen. So beispielsweise die Anerkennung und der Respekt vor der kulturellen Vielfalt, die Debatte über die verschiedenen Formen der Diskriminierung (wegen Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter, Behinderung) sowie die regionalen und lokalen Autonomien. Die letzte positive Wirkung ist mit der Einführung einer neuen Form der Politik verknüpft, die auf dem Kampf gegen die Korruption und die politischen Scheinpakte beruht und sich auf die öffentlich Anklage sowie die Abstrafung im Deliktfall stützt. Diese neue Politikgestaltung zeigt sich ebenfalls im Innern der indigenen, politischen Bewegungen, die versuchen, eine demokratischere und stärker partizipative Struktur beizubehalten. Ebenso gibt es viele Beispiele von Lokalregierungen mit indigener Führung, die bei ihrer Amtsausübung neue Repräsentations- und Partizipationsformen eingeführt haben.

Die negativen Wirkungen verlangen ebenfalls nach einer Analyse. Eine erste Wirkung hat mit der Fragmentation der nationalen Indígena-Organisationen zu tun, die von Seiten der Regierung und durch Wahlauseinandersetzungen provoziert wurden. Ein dramatisches Beispiel erlebte Ekuador mit der Regierung von Oberst Gutiérrez. Nachdem das Bündnis mit Pachakutik auseinander brach, arbeiteten zwei nicht der CONAIE angeschlossenen landesweiten Indígena-Organisationen offen mit der Regierung zusammen. Auch viele zur CONAIE gehörende regionale und lokale Organisationen erlagen der Versuchung, den damaligen Präsidenten als Gegenleistung für wirtschaftliche Hilfe der Regierung zu unterstützen.    

    Zweitens gibt es Indígena-Funktionäre, die, einmal im Amt, die von ihnen repräsentierten kollektiven Interessen beiseite schieben und ihre Einzelinteressen an die erste Stelle setzen. Sie brechen auf diese Weise mit einer eigenen kulturellen Praxis, die auf dem Banner der Bewegung steht. Es existieren zahlreiche Fälle von durch die Bevölkerung gewählten indigenen Autoritäten, die die Bewegung verraten haben und die danach mit der Aberkennung ihres Vertretungsrechtes und Ausschluss bestraft wurden.

    Drittens verringert sich die Effektivität der Bewegung, wenn ihre Vertreter sich auf interne Machtkämpfe im Rahmen der Kandidatennominierung konzentrieren, sich mit nebensächlichen Angelegenheiten befassen oder mit Regierungsfunktionären verhandeln und dabei die Führer der Bewegung verdrängen. Alle diese Faktoren können die Identität, die Organisationen und die Einheit der indigenden Organisationen angreifen.

    Viertens zeigt sich, dass es den gewählten Indígena-Funktionären oft an politischer Erfahrung und fachlicher Kapazität fehlt, um gute Arbeit im Amt leisten zu können. Dies ist einerseits ein Nachteil, weil es sie in Abhängigkeit von nicht-indigenen Beratern bringt, die dazu neigen, sich in ihre Entscheidungen einzumischen. Andererseits ist es eine Herausforderung, denn obwohl diese Situation ein Ergebnis fehlender Gelegenheiten für die Indígenas im Vergleich zu den Nicht-Indígenas bezüglich des Zugangs zur formalen Bildung ist, müssen sie sich der Aufgabe stellen, ihre Bildungsqualifikation und ihr Wissen über Normen und bürokratische Vorgänge zu erweitern.

Das letzte Resultat schließlich, auf das die indigenen Amtsträger antworten müssen, ist die Tatsache, dass sie nicht nur Vertreter der Bedürfnisse der indigenen Völker sind, sondern ebenfalls auf die Forderungen der anderen nicht-indigenen Gesellschaftsgruppen eingehen müssen, die ihnen ebenfalls ihre Stimme gaben. Diese für die interkulturellen Distrikte charakteristische Situation verlangt von diesen Amtsträgern, über die Erfüllung ihres Mandates ständige Bilanz zu ziehen.


1  Laut Iza (2005:113) gehören der CONAIE 75 Prozent der indigenen Organisationen an, die übrigen 25 Prozent sind Mitglieder bei fünf weiteren landesweiten Organisationen, vor allem der FEINE (evangelisch) und der FENOCIN (gewerkschaftlich).


2   Siehe die jüngste wissenschaftliche Produktion über den Zusammenbruch des Parteiensystems in Peru und Venezüla sowie seine Fragmentation in Ekuador und Bolivien:: F. Burbano (2004); H. Dietz und D. Myers (2001); F, Freidenberg und M. Alcántara (2001); S. Levitsky und M.Cameron (2001); S. Mainwaring y T. Scully (1995); A. Mejía (2002) S. Pachano (1998); K. Roberts (2002); A. Romero (1994); E. Rospigliosi (1995); M. Tanaka (1998) und Whitehead (2001). 


3  Siehe CONAIE (1993).


4  Nach dem Zensus von 2001 beträgt die landesweite Analphabetenquote noch 9 Prozent. Bei den indigenen Völkern steigt sie auf 28 Prozent (20 Prozent der Männer und 36 Prozent der Fraün).


5  Ähnliche Regeln wurden 1991 in Kolumbien, 1998 in Venezüla und 2004 in Bolivien verabschiedet.


6  Offizielle Menschenrechtsbehörden wurden 1992 in Kolumbien, 1996 in Peru, 1998 in Bolivien und 1999 in Venezüla eingerichtet.


7  In Kolumbien entsprechen diesen die indigenen Reservate, in Bolivien die Ursprünglichen Gemeindeböden (TCOI und in Venezüla und Peru die indigenen Landkreise.


8  Es bleiben die Gewerkschaften der Lehrer, der Beschäftigten des Gesundheitswesens, der Ölarbeiter und der Staatsbeschäftigten.


9  Hier muss ausgeführt werden, dass kein Kandidat Indígena oder Aktivist von Pachakutik war.


10  Partei verstanden in dem Sinn, den Cotarelo (1985:14) erwähnt: "…jede daürhafte Vereinigung aus freien Stücken. Versehen mit einem Regierungsprogramm für die Gesamtgesellschaft, die bestimmte Gruppeninteressen kanalisiert und danach strebt, über ihr wiederholtes Antreten in Wahlprozessen die politische Macht auszuüben oder an ihr teilzuhaben". (Zitiert nach F. López und F. Freidenberg (1998:75).


11  Siehe F. García (2005) als Beispiel für eine Analyse einer von indigenen Autoritäten geführten Lokalregierung.